„Die tun alles, um ihn loszuwerden“Minas Manutsyan kämpft um sein Aufenthaltsrecht

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Seit Sommer 2020 kämpft Minas Manutsyan (Mitte) mit den Geschwistern Fabian und Kristine Feldmann um sein Aufenthaltsrecht. Sie verstehen nicht, warum er trotz eines gültigen Arbeitsvertrags und guter Sprachkenntnisse ausreisen muss.

Seit Sommer 2020 kämpft Minas Manutsyan (Mitte) mit den Geschwistern Fabian und Kristine Feldmann um sein Aufenthaltsrecht. Sie verstehen nicht, warum er trotz eines gültigen Arbeitsvertrags und guter Sprachkenntnisse ausreisen muss.

Mechernich – „Läuft“, sagt Minas Manutsyan auf die Frage, wie es ihm geht, und lacht kurz. Die Ironie in seiner Stimme ist zu hören. Der 26-Jährige sitzt in seinem Zimmer in der Flüchtlingsunterkunft in Mechernich. Seit August 2020 verbringt er hier jeden Tag. Arbeiten darf er nicht mehr. „Das ist nicht gesund, immer zu Hause zu sitzen, 24 Stunden lang. Und man kann nichts machen“, sagt er.

Dabei hatte alles so gut angefangen. Vor knapp drei Jahren kam der Armenier mit einem Touristenvisum nach Deutschland und beantragte Asyl. Er landete schließlich in der Flüchtlingsunterkunft in Mechernich und stand wenig später bei Kristine Feldmann und ihrem Bruder Fabian von der Firma Präzisrohr Hilden vor der Tür, auf der Suche nach einem Job. Die Feldmanns stellten ihn ein. Eigentlich sei Manutsyan für die Stelle überqualifiziert, sagt Kristine Feldmann. Denn der junge Mann hat Abitur und einen Universitätsabschluss in Finanzwesen. Dennoch habe sich Manutsyan als Glücksgriff erwiesen, sagt Feldmann. Er lernte schnell und brachte sich selbst ein. Die Feldmanns wollten ihm deshalb nach zwei Jahren einen unbefristeten Vertrag geben, doch dann wurde Manutsyan die Aufenthaltserlaubnis entzogen. Sein Asylantrag war negativ beschieden worden. Er wurde aufgefordert, auszureisen.

„Warum gibt es keinen Ermessensspielraum?“

Das war im vergangenen Sommer. Seitdem kämpfen Manutsyan und die Feldmanns gegen eine Abschiebung. Sie verstehen nicht, warum Manutsyan ausreisen muss. Er habe schließlich einen Job und spreche gut Deutsch. Um das unter Beweis zu stellen, hat Manutsyan im Herbst auch ein B-1-Sprachzertifikat erworben. Und er nimmt nach wie vor am Sprachunterricht teil, den der Kreis Euskirchen anbietet.

Von den Behörden wurde Manutsyan vorgeschlagen, auszureisen und dann von Armenien aus ein Arbeitsvisum zu beantragen und wieder einzureisen. „Aber so ein Verfahren kann sich Monate oder Jahre hinziehen“, sagt Feldmann. Außerdem verstehen sie nicht, warum Manutsyan nicht einfach von Deutschland aus ein solches Visum beantragen kann. Die Ablehnung des Asylantrages möge rechtlich vielleicht korrekt sein, aber Manutsyan habe hier ja einen Job und beherrsche die Sprache. „Warum gibt es keinen Ermessensspielraum?“ fragt Feldmann. „Wo ist der Unterschied, wenn er jetzt ausreist?“

Die Ausländerbehörde äußerte sich auf Anfrage nicht zu dem konkreten Fall, mit Verweis darauf, dass der Betroffene anwaltlich vertreten sei. „Grundsätzlich freuen wir uns über jeden Zuwanderer, der sich hier integriert, der die Sprache lernt, eine Ausbildung macht oder arbeitet“, heißt es in einer Mitteilung. Allerdings müsse sich die Behörde an Recht und Gesetz halten. Für Manutsyan ist eine freiwillige Ausreise keine Option. Er habe schon zu viele Geschichten von anderen Armeniern gehört, die nach einer freiwilligen Ausreise nicht wieder einreisen konnten. Auch habe er Sorge, dass er kein Arbeitsvisum bekomme. Trotz sicherem Arbeitsvertrag bei den Feldmanns. Für ihn ist das zu riskant. Er will nicht zurück. Über die Gründe möchte er öffentlich nicht reden. Nur so viel sagt er: „Ich habe keine Zukunft in Armenien.“

Anwalt versucht Zeit zu gewinnen

Deshalb bleibt er und riskiert damit eine Abschiebung, nach der er 30 Monate lang nicht mehr einreisen dürfte. Anfang 2021 wäre es fast dazu gekommen. Doch dann kam Corona dazwischen. „Wenn wir nicht aktuell diese Pandemie hätten, wäre Herr Manutsyan nicht mehr hier“, sagt Feldmann.

Sie und ihr Bruder haben einen Rechtsanwalt hinzugezogen. Er stellte im Herbst 2020 einen Asylfolgeantrag – auch, um Zeit zu gewinnen. Denn: „Solange ein Asylverfahren läuft, muss man nicht ausreisen“, sagt Feldmann. Gleichzeitig stellte der Anwalt für Manutsyan einen Antrag auf Ausbildungsduldung.

Härtefall

Ausreisepflichtige Ausländer können sich in NRW an die Härtefallkommission wenden.

Sie prüft dann den Einzelfall. Kommt sie zu dem Schluss, dass dringende humanitäre oder persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in Deutschland rechtfertigen, stellt sie ein Härtefallesuchen bei der zuständigen Ausländerbehörde. Die Behörde entscheidet, ob sie dem Ersuchen folgt.

Die Härtefallkommission ist laut dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration weisungsfrei und unabhängig. In NRW hat die Kommission neun Mitglieder.

Sie vertreten die evangelische und die katholische Kirche, die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege des Landes NRW, den Flüchtlingsrat NRW und die Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl. Hinzu kommen eine Ärztin, zwei Vertreter des für Integrationsfragen zuständigen Ministeriums und der Leiter einer Ausländerbehörde. (jre)

Der Asylfolgeantrag wurde im Dezember 2020 abgelehnt. Über die Ausbildungsduldung wurde noch nicht entschieden. „Im Prinzip steht das noch aus, da wird aber nichts passieren“, sagt Feldmann. Und weiter: „Man hat eher den Eindruck, die tun alles, um ihn loszuwerden.“ Die Wut ist ihr anzumerken. „Ich finde es halt unmöglich, wie hier mit einem Menschen umgegangen wird“, sagt sie.

Wichtig für die Firma

Für die Hilfe und die Unterstützung der Feldmanns sei er sehr dankbar, sagt Manutsyan. „Wenn Frau Feldmann mit dem Anwalt nicht helfen würde, wüsste ich nicht, wie ich das schaffen soll.“ Ihr Engagement sei dabei nicht nur reine Menschenfreundlichkeit, sagt Feldmann. Ihr gehe es auch darum, Manutsyan als Arbeitskraft nicht zu verlieren.

In ihrem Bereich, der eher im Niedriglohnsektor verortet sei und in dem viele ungelernte Kräfte arbeiteten, sei es enorm schwierig, fähige und vor allem so motivierte Mitarbeiter zu finden, sagt sie. Gerade jetzt, in Pandemie-Zeiten. Manutsyan sei ein wichtiger Teil ihrer Firma. „Mit dem Background, den er hat, kann er bei uns wirklich etwas reißen.“ Und dass er genau das wolle, habe er mehrfach unter Beweis gestellt.

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Sollte die Ausbildungsduldung auch abgelehnt werden, wollen die Feldmanns und Manutsyan einen Härtefallantrag stellen. Dafür habe er auch schon einige Unterstützungsschreiben von Kollegen und Freunden gesammelt, sagt Manutsyan. „Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben“, so Feldmann. Solange sitzt Manutsyan in seinem Zimmer und wartet.

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