350 Impfdosen ohne TerminPraxis in Kommern kündigt Impfaktion über Facebook an

Lesezeit 4 Minuten
Lange Warteschlangen bildeten sich rund um die Praxis in Kommern.

Lange Warteschlangen bildeten sich rund um die Praxis in Kommern.

Mechernich-Kommern – Es war nicht schwer zu erkennen, dass an diesem Morgen in Kommern etwas Besonderes stattfand. In langer Reihe standen die Menschen am Samstag von der Kölner Straße in die Pützgasse bis über den Bleibach. Manche hatten sich mit Campingstühlen ausgerüstet, weil sie lange Wartezeiten befürchteten. Doch das Interesse galt nicht begehrten Konzerttickets oder Sonderangeboten. An diesem Tag konnten die Menschen ohne Termin und Voranmeldung eine Corona-Schutzimpfung erhalten

Das Zentrum des Geschehens war die Arztpraxis Tils und Kastenholz an der Kölner Straße. Emsig waren die mit blauen T-Shirts ausgestatteten Mitarbeiter der Praxis auf dem Platz unterwegs, um die Anstehenden zu betreuen und ihnen eine Nummer auszuhändigen. 350 Dosen des Herstellers Johnson und Johnson standen bereit.

Um 6 Uhr standen die ersten Impfwilligen vor der Praxis

Über Facebook war die Aktion angekündigt worden. Bereits um 6 Uhr standen die ersten vor der Praxis. „Ich war unter den ersten zehn“, sagte Marcel Reh und zeigte stolz seinen Impfausweis. Er war aus Dormagen angereist, um sich impfen zu lassen. „Ich bin Hochrisikopatient. Und ich habe bisher keine Impfung bekommen“, sagte der an Morbus Crohn erkrankte Mann.

Alles zum Thema Impfung

Dutzende Male sei er bereits operiert worden. Doch ihm eine Impfung zukommen zu lassen, sei seinem Hausarzt nicht möglich gewesen. Da seine Freundin in Kommern lebe, habe er von der Impfaktion in ihrer Nachbarschaft gehört und die Gelegenheit beim Schopf ergriffen. „Ich bin verbittert, dass ich soweit reisen musste, um überhaupt etwas zu bekommen“, sagte er. „Seelisch geht es mir jetzt besser nach der Impfung“, fuhr er erleichtert fort.

Aus Wiesbaum war Stephanie Schur gekommen. „Das ist eine halbe Stunde Fahrt. Für eine Impfung kann man das schon machen“, sagte sie. Sie wolle endlich wieder ein paar Freiheiten und schließlich auch in Urlaub fahren.

Durch häufige Impfaktionen: Keine Drängler und reibungslose Abläufe

„Ich war um 6.55 Uhr hier, da waren schon 80 Leute vor mir“, berichtete eine Zülpicherin. Mit ihren 22 Jahren sei sie zu jung, um auf andere Weise schnell eine Impfung zu erhalten. „Ich wollte die ganzen Tests nicht mehr“, sagte sie. Für die Praxis fand sie großes Lob: „Das ist hier alles gut koordiniert.“ Insgesamt 15 Helfer waren am Samstag im Einsatz. Um 9.30 hätten die Impfungen laut Plan beginnen sollen. Doch wegen des enormen Andrangs legte das Team deutlich früher los. Die ersten Vorgespräche führte Dr. Maurits Tils bereits auf der Straße. An die Impfwilligen verteilte er eine Nummer. „Damit die Leute nicht zu lange warten müssen, wenn klar ist, dass sie nicht mehr drankommen“, sagte er. In der Praxis standen zwei Ärzte bereit, um Aufklärungsgespräche zu führen.

Die eigentlichen Impfungen fanden vor allem in einem extra dafür auf dem Hof der Praxis aufgestellten Container statt. Schon mehrere Male habe sein Team derartige Impfaktionen durchgeführt und so die reibungslosen Abläufe einüben können, sagte Tils. Und auch die kleinen Tricks, mit denen sichergestellt wird, dass sich niemand an der Schlange vorbeimogelt. Denn jeder, der an diesem Tag alle Regularien und Vorgespräche erfolgreich hinter sich gebracht hatte, erhielt einen Golfball. Ohne den gab es die ersehnte Spritze nicht.

Verkehrschaos blieb aus

Auch Ortsbürgermeister Rolf Jaeck war im Einsatz. „An so einem Tag stelle ich mich als Parkwächter zur Verfügung“, scherzte er. Kein leichter Job, denn die enge Kölner Straße wurde immer wieder so zugeparkt, dass es für die Linienbusse eng zu werden drohte. „Ich schicke die Leute alle ans Bürgerhaus“, so Jaeck. Und im Zweifel, wenn den Verkehrsteilnehmern das Rangieren zu kompliziert wurde, setzte sich Jaeck selbst hinters Steuer. So blieb das Verkehrschaos aus.

Das könnte Sie auch interessieren:

350 Dosen wurden an diesem Morgen verimpft. Für den Arzt ist das eine große Erleichterung. „Das sind 350 Leute, die nicht in die Praxis kommen, nicht anrufen und sich auch keinen Urlaubstag nehmen müssen, um geimpft zu werden“, begründete Tils die Idee. Es habe Spaß gemacht, die Patienten seien sehr angenehm gewesen.

Auch sei er mit der Menge an Impfstoff hingekommen. „Vielleicht haben sich einige abschrecken lassen, als sie die lange Schlange gesehen haben.“ Und am Ende hatte er noch zehn Dosen für diejenigen übrig, die erst später kamen.

Rundschau abonnieren