Bleiverseuchter Boden in MechernichBürgermeister Schick heftig kritisiert

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KommernSued_Baugebiet_Bleibelastung

In Kommern-Süd besteht kein Handlungsbedarf. Wer allerdings Salat im Garten pflanzen möchte, sollte den pH-Wert im Auge behalten.

  • In der Bürgerversammlung zu den neuen Gutachten über die Bleibelastung des Bodens in Mechernich riet Gutachterin Monika Machtolf grundsätzlich zur Vorsicht beim Gemüseanbau im eigenen Garten.
  • Machtolf hatte aber Tipps für die, die auf Gemüse aus eigenem Anbau nicht verzichten möchten.
  • Mechernichs Bürgermeister Hans-Peter Schick machte hingegen nicht durchgängig eine glückliche Figur an dem Abend.

Mechernich – Der ältere Herr kann die ganze Aufregung nicht verstehen. 82 Jahre sei er alt, habe „fünf Jahre auf’m Bergwerk malocht“ und als Kind im Bleisand gespielt. „Ich fühle mich sauwohl“, stellte er in der Bürgerversammlung zu den neuen Bleigutachten am Mittwoch unter dem Applaus des Großteils der 120 Besucher klar. Seine Klassentreffen erfreuten sich zudem noch großer Nachfrage bei seinen Altersgenossen, fügte er hinzu.

Da konnte ihm Jens Utermann vom Landesumweltministerium nur gratulieren, aber: „Wir können nicht sagen, weil bisher nichts geschehen ist, können wir so weiter machen.“ Es gehe schließlich um die, die am anderen Ende Alterstabelle stünden – die Kinder, bei denen die chronische Aufnahme von Blei zu schwerwiegendenden Folgen für das zentrale Nervensystem führen könnte.

Die Sorge um ihren Enkel treibt etwa die Besucherin um, die wissen wollte, wie denn der Bleigehalt auf ihrem Lieblingsspielplatz sei: „Können wir da noch weiter hingehen?“ Von Bürgermeister Hans-Peter Schick (CDU) erntete sie lediglich den Hinweis auf die Homepage der Stadt – und Schick daraufhin reichlich Kritik aus dem Zuschauerraum.

Bleibelastung auf Mechernicher Spielplätzen

Für einen Teil der Spielplätze haben die Gutachter den Handlungsbedarf bereits festgemacht. Belastungen von mehr als 1000 Milligramm Blei pro Kilo Erde weisen auf: Antweiler (Kreuzweingartener Straße), Bleibuir (St.-Agnes-Straße), Lückerath (Ortskern), Obergartzem (Lohbenden und Im Mühlengarten), Vollem (Grünackerweg) sowie die Plätze der Kitas Firmenich (Grenzweg) und Weyer. Hier sollte innerhalb eines Jahres etwas geschehen.

Mittlere Priorität haben laut Gutachten zwei Spielplätze mit Bleibelastungen zwischen 500 und 1000 mg/kg in Hostel (Dorfplatz) und Vussem (Rosenweg). Sie sollten in einem Zeitraum von eineinhalb Jahren ausgebessert werden.

Vier Spielplätze gehören zur dritten Prioritätsstufe: Glehn (Vereinsheim am Sportplatz), Hostel (Gölertzstraße), Lorbach (Dorfgemeinschaftshaus) und Voißel (Kaigasse). Die Zeit für Verbesserungen legen die Gutachter hier auf zwei Jahre fest. Weitere Plätze sind noch nicht kategorisiert. (sch) 

Lob hatte der Großteil der Teilnehmer hingegen für Monika Machtolf übrig: Die Gutachterin hatte verständlich deutlich gemacht, warum im Baugebiet „Auf der Wäsche“ aufgrund sehr hoher Bleiwerte Boden abgetragen werden muss, bevor gebaut werden darf, im Gebiet „Donnermaar“ zwar die Werte nicht ganz so hoch sind, aber dennoch Handlungsbedarf bestehe, und in Kommern-Süd keine Gefahr drohe.

Vorsicht beim Gemüseanbau in Mechernich

Und sie machte auch klar: Egal, wie hoch die Bleiwerte im Boden sind, wer in Mechernich Gemüse im Garten anbauen will, muss vorsichtig sein. „Je nach Schadstoff im Boden können Pflanzen ihn über die Wurzeln aufnehmen“, erklärte die Diplom-Ökotrophologin.

Das sei zum Beispiel häufig bei Cadmium der Fall, da Pflanzen den Stoff häufig mit Kalium verwechselten. Nicht ganz so häufig, aber dennoch möglich sei eine solche Aufnahme über die Wurzeln auch bei Blei.

Dabei sei nicht nur relevant, wie hoch der Bleigehalt im Boden sei, sondern auch welchen pH-Wert der Boden habe, erklärte Machtolf. In saurem Boden (niedriger pH-Wert) gebe es nämlich eine höhere Pflanzenverfügbarkeit.

Das bedeutet, dass das Blei dort besser von den Pflanzen aufgenommen werden kann, als in Böden mit einem höheren pH-Wert. Es sei möglich, dass die Bleiwerte unterhalb des Prüfwertes liegen, aber der Boden so beschaffen sei, dass die Pflanzen das Blei trotzdem aufnehmen könnten. Deshalb könne man nach unten hin keine Entwarnung geben, so die Öktrophologin.

Regelmäßig den ph-Wert des Bodens prüfen

Was aber sollen Anwohner in Kommern-Süd und Co. tun, wenn sie gerne Salat, Möhren oder Radieschen im eigenen Garten anbauen und später auch essen wollen? Regelmäßig den pH-Wert prüfen, riet Machtolf. Sollte dieser zu sehr sinken, könne man den Boden kalken. Oder aber man lege sich ein Hochbeet mit frischer, unbelasteter Erde an.

Gerade wenn man nur ein bisschen Gemüse anbauen wolle, sei das eine gute Alternative. Im Hochbeet ist der Salat auch deutlich besser gegen Schnecken geschützt. 

Neuer Leitfaden

Um das Leben mit dem Blei in Mechernich zu erleichtern, hat der Kreis Euskirchen seit Donnerstag einen aktualisierten Handlungsleitfaden auf seiner Homepage.

„Der Kreis macht auch inzwischen – das ist neu – im Zuge der Baugenehmigungen bei Neubauten grundstücksscharfe Vorgaben zum Bodenaustausch oder Bodenabdeckung und zur Gartennutzung“, nannte Utermann einen weiteren Schritt in Richtung Transparenz. Bürgermeister Schick griff den Vorschlag eines Bürgers, auch Neubürger, die zur Miete wohnen, durch das Einwohnermeldeamt über das Blei und den Umgang damit zu informieren, mit Wohlwollen auf.  

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