Geruchs- und Verkehrsbelästigung?Bürger wehren sich gegen Pilzzucht bei Satzvey

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Pilzzucht Mechernich 051218

Zwei größere Gebäudekomplexe soll die  geplante Pilzzuchtanlage bei Satzvey und Obergartzem umfassen. 

  • Bei Satzvey und Obergartzem gibt es Pläne für Pilzzucht-Hallen. Die Bürger sind äußerst skeptisch, der Widerstand wächst.
  • Was genau ist geplant, wie würden Zucht und Produktion ablaufen und was sagen Politiker dazu? Wir geben Antworten.

Mechernich – Der Ratssaal im Mechernicher Rathaus war zu klein. Bis in den Flur drängten sich die Besucher. Rund 120 waren zur Sitzung des Stadtentwicklungsausschuss am Dienstagabend gekommen, die meisten wegen des Vorhabens von Franz-Josef Graf Beissel und des niederländischen Unternehmens Funghi Farms, die eine große Pilzzucht auf dem derzeitigen Motocross-Gelände bei Satzvey, das sich in Beissels Besitz befindet, etablieren wollen.

Die Bürger, die gekommen waren, stehen dem Vorhaben äußerst kritisch gegenüber. Autobahn, Betonwerk und Verbrennungsanlage zählte etwa eine Frau aus Satzvey die Beeinträchtigen im Burgort auf. Und nun auch noch eine Pilzzucht auf einer 23 Hektar großen Fläche mit nach und nach zu errichtenden Anlagen, die fünf Hektar einnehmen, in der Nähe? „Was sollen wir Satzveyer uns denn noch alles gefallen lassen?“, fragte die Bürgerin. Der Applaus vieler Besucher war ihr sicher.

Der Transport

Ein Bürger hatte beim Vortrag der Planer mitgezählt: Wenn wöchentlich 330 Tonnen Stroh in der Woche angeliefert werden sollen, bedeute das alleine den Verkehr von 18 Lastwagen. Hinzu komme der Transport von 760 Tonnen Substrat mit geschätzten 30 bis 35 Lkw und der Abtransport von anfangs 100 Tonnen Pilzen – alles in allem sei mit 70 Lkw-Fahrten zu rechnen, sollte das Projekt realisiert werden. „Sie haben recht“, bestätigte der von den möglichen Investoren beauftragte Planer Wilfried Huppertz, „dass ein gewisser Teil an Lkw fahren wird.“ Dass es 50 oder 70 sein würden, sehe er nicht. Wie viele Lkw überhaupt im Zusammenhang mit der Anlage auf die Straße kommen werden, so Planer Huppertz, „wird sich zeigen“. Aber die Satzveyer würden davon nichts mitbekommen: Die Lkw kämen über die A 1 und führen dann über die L 11 in Richtung der geplanten Pilzzucht-Anlage.

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Was aber sei mit den Transporten, die aus Richtung Eifel die Rohstoffe an- und die Substrate als Dünger abtransportierten, wollte ein Bürger wissen. Die Antwort darauf blieb zunächst offen. Graf Beissel erklärte später dieser Zeitung, die Transport-Routen führten zu Landwirten in den Raum Köln.

Der Geruch

Wird aus den Hallen der Anlage Gestank in die Landschaft geblasen? Stinkt es von den Transport-Lkw? Auch diese Fragen beschäftigen die Anwohner. „Es gibt Richtwerte“, versuchte Planer Roman Fietzek die Bürger zu beruhigen. Die Lkw seinen verschlossen, Emissionsgutachten in Arbeit, Gerüche in den Hallen würden gefiltert. „Sie werden in Satzvey oder Obergartzem keinerlei Beeinträchtigungen durch die Anlage erfahren“, versicherte Fitzek.

Graf Beissel über die Sorgen der Bürger

„Natürlich sollen die Bürger ihre Bedenken äußern“, erklärte Franz-Josef Graf Beissel. Wenn sie gute Argumente hätten, würden er und seine Mitstreiter darauf eingehen. Sie seien zu Gesprächen bereit.

Allerdings, so der Graf, seien von den Bürgern in der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses auch Argumente geäußert worden, „die weder Hand noch Fuß haben“.

Die Satzveyer würden keineswegs durch den Transport von und zur geplanten Pilzzucht belästigt werden. „Die kommen und fahren wieder über die A1 und über die L11“, so Graf Beissel.

Er bleibe „100-prozentig“ bei seinem Vorhaben. Die ablehnende Haltung der Ausschussbesucher werde ihn davon nicht abbringen, sagte Graf Beissel. Dass Anwohner die Sache kritisch sähen, sei ihr gutes Recht und auch nicht außergewöhnlich. (sch)

Die Beschäftigten

Rund 180 Mitarbeiter könnten auf lange Sicht – es soll in Abschnitten gebaut werden – in der Anlage beschäftigt sein, so die Planer. Ein Viertel der Arbeitsstellen sollen Menschen mit Handicaps angeboten werden. Etwa 120 Pflücker dürften dort Arbeit finden, möglichst viele aus der Region. Das aber bezweifelte eine Bürgerin: „Diese Arbeit macht keiner aus der Region zum Niedriglohn.“ Erfahrungsgemäß seien das Jobs für Menschen aus Osteuropa. „Wo aber werden die untergebracht?“, wollte sie wissen, etwa für „für kleines Geld“ bei Bauern? „Das ist kein tolles Dasein“, gab sie zu bedenken. Es könne sein, so die Planer, „dass auch welche dabei sind, die nicht aus der Region kommen“.

Der Energiebedarf

„Pilzzucht ist keine Energieschleuder“, versicherten die Planer, auch wenn die Temperatur in einer Halle zeitweise für 20 Stunden zur Schädlingsbekämpfung auf 80 Grad hochgefahren werde. „Dann sind alle Schädlinge tot“, versicherte Funghi-Farms-Geschäftsführer Rob van Dieten. „Im gesamten Produktionsprozess kommen keinerlei Pestizide zum Einsatz“, verspricht Funghi Farms auf der Homepage. Die Wärme entstehe durch den Zersetzungsprozess, zudem liefere eine Fotovoltaik-Anlage Energie.

Ob dabei denn nicht die fürs Gelände geplanten Bäume stören würden, fragte eine kritische Bürgerin. Mitnichten, so die Pläner: Die Bäume würden so platziert, dass die Sonne auf die Dächer scheinen könne.

Die Lage

Eine solche Anlage an dieser exponierten Stelle – mit dieser Vorstellung könnte sich eine Ausschuss-Besucherin gar nicht anfreunden. „Das ist kein Aushängeschild für die Eifeler Kultur-Landschaft“, befand sie. Im Industriegebiet seien doch noch Flächen frei. Zumal ein Gebäude 18 Meter hoch sein soll, mithin rund sieben Meter höher als das Mechernicher Rathaus. Dabei handelt es sich laut Planer um eine hohe, aber keineswegs weiträumige Kompoststelle. Sie sei tiefer im Gelände vorgesehen, ihre optische Wirkung somit nicht mehr so gravierend. Ansonsten seien die Gebäude vier bis fünf Meter hoch.

Die Motocross-Sportler

„Im Moment noch nicht“, antwortete Graf Beissel auf die Frage, ob er eine Ersatzfläche für die Sportler des Motorsportclub Wisskirchen in petto habe. Es liefen aber Gespräche mit dem Vorstand. Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick wollte aber keine Illusionen aufkommen lassen: Eine Änderung des Flächennutzungsplans für eine Cross-Strecke sei nicht einfach: „Überall, wo eine neue Strecke entstehen soll, gibt es auch Widerstände. Wir sollten offen und ehrlich darüber reden.“

Die Politiker

Stadtplaner Thomas Schiefer stellte klar: Es handele sich nach dem Baurecht um ein privilegiertes Vorhaben. Notwendig sei eine Änderung des Flächennutzungsplanes (FNP) von einer „Sonderfläche Motocross“ hin zu einer „landwirtschaftlichen Fläche“. „Der Stadtrat kann entscheiden, ob er das dort haben will oder nicht“, so Schiefer.

Bürgermeister Schick schränkte allerdings ein: Sollte ein Antrag auf FNP-Änderung gestellt werden, könne es wegen der Privilegierung mit der „städtischen Mitwirkung eher etwas schwieriger“ werden.

So weit sei man aber noch nicht. Zunächst sollten Politiker und womöglich auch die Bürger der Einladung von Funghi Farms folgen, sich in einer bestehenden Anlage ein Bild zu machen. „Das heute ist nur eine Informationsveranstaltung“ sagte Schick. So hielten sich auch die Politiker weitgehend mit Bewertungen zurück. Lediglich Nathalie Konias (Grüne) zeigte sich skeptisch und UWV-Fraktionschef Gunnar Simon erklärte: „Ich kann mit dem Vorhaben noch nicht warm werden.“

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