Putin und der Ukraine-KriegLielischkies als ratloser Russland-Kenner

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Ratlos angesichts der aktuellen Kriegsgräuel: Russland-Experte Udo Lielischkies hatte nicht auf alle Fragen eine Antwort.

Mechernich – „Ich kann absolut nicht sagen, was Putin als Nächstes tun wird.“ Ratlosigkeit und Resignation sind sicherlich nicht die ersten Schlagworte, die einem zu einem Vortragsabend mit dem Russland-Kenner Udo Lielischkies über Putin und den Ukraine-Krieg einfallen.

Förderverein organisierte den Abend

Aber am Mittwochabend musste der langjährige Fernsehkorrespondent und ehemalige Leiter des ARD-Studios Moskau ein ums andere Mal zugeben, dass auch er keine Antworten auf viele der aktuellen Fragen zum Krieg in der Ukraine hat.

Auf Einladung des Fördervereins des Mechernicher Gymnasiums war der Journalist zu einem Vortragsabend an seine ehemalige Schule zurückgekehrt, an der er 1972 selbst Abitur gemacht hat (siehe auch „Zur Person“). Nach der Begrüßung durch die Fördervereins-Vorsitzende Marion Berend, die erst in der vergangenen Woche die Idee zu der Veranstaltung hatte und bei Lielischkies sofort ein offenes Ohr fand, gab es zunächst eine Putin-Biografie im Schnelldurchgang.

Zur Person

Udo Lielischkies (68) wuchs in Köln und Kommern auf und machte 1972 Abitur am Turmhof-Gymnasium in Mechernich. Seine journalistische Laufbahn begann beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Euskirchen. Für den WDR ging er unter anderem  als  Europa-Korrespondent nach Brüssel, bevor er 1999 ins ARD-Studio Moskau wechselte. In diese Zeit fallen auch Berichte über die Kriege in Tschetschenien und Afghanistan. Ab 2006 war er Korrespondent und stellvertretender Leiter des ARD-Studios in Washington und übernahm von 2014 bis 2018 die Leitung des ARD-Studios in Moskau. (thw)

„Der Trend zum autoritären Herrscher war bei Wladimir Putin schon früh erkennbar“, erinnerte Lielischkies an den von Putin vorangetriebenen Krieg in Tschetschenien. Das war 1999, als Putin gerade von Jelzin zum Ministerpräsidenten ernannt worden war. „Niemand kannte Putin, und der Krieg in Tschetschenien war Mittel zum Zweck, Putin als starken Mann zu inszenieren“, blickte Lielischkies auch auf seine ersten Jahre in Russland zurück.

Lielischkies von Kriegsausbruch überrascht

Den Kriegsausbruch am 24. Februar hatte aber auch er nicht vorhergesehen: „Da war selbst ich überrascht“, gab Lielischkies selbstkritisch zu. Er habe sich vorstellen können, dass Putin höchstens im Osten der Ukraine einmarschiere, um eine Pufferzone für die Gebiete der pro-russischen Separatisten zu erkämpfen.

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Udo Lielischkies (links) referierte in der gut gefüllten Aula des Mechernicher Gymnasiums über Putin und den Ukraine-Krieg.

Deutliche Worte fand der Journalist vor den rund 120 Zuhörern in der Schulaula für das Verhalten der Bundesregierung. „Es ist beschämend, wie sich Deutschland in der Krise verhält“, sagte er mit Blick auf die zögerlichen Waffenlieferungen und das „Herumeiern“ bei dem von vielen EU-Partnern geforderten Gas-Boykott. „Der Verzicht auf russische Kohle, den Bundeskanzler Scholz angekündigt hat: Da kann man auch mit Wattebäuschchen werfen, das tut Putin genauso weh“, meinte Lielischkies.

„Ich bin kein Kriegstreiber, habe sogar den Wehrdienst verweigert“, so der Journalist, „aber in der Ukraine soll ein Volk abgeschlachtet werden, und Deutschland liefert Stahlhelme, Panzerfäuste und ein paar altersschwache Schützenpanzer aus früheren DDR-Beständen“, empörte sich der gebürtige Kölner.

Zuhörer stellten Fragen

Auch auf Fragen aus den Reihen seiner Zuhörer hatte Lielischkies wenig zuversichtliche Antworten. „Nach Putin kommt nichts Besseres“, sagte er mit Blick auf den inneren Kreis der Kreml-Führung: Systematisch habe Putin sich in der Vergangenheit mit loyalen Geheimdienstleuten umgeben.

Zudem sei völlig offen, wie ein Machtwechsel in Russland überhaupt ablaufen solle. „Mit dem richtigen Propagandasystem kann man auch behaupten, die Erde sei eine Scheibe“, spielte er auf das Fehlen von freier Presse und einer funktionierenden Opposition in Russland an. Selbst die Gruppe der Soldatenmütter, die noch während der Afghanistan- und Kaukasus-Kriege eine wichtige Rolle in der Öffentlichkeit gespielt habe, sei mittlerweile verboten.

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„So sehr ich es mir auch wünsche: Ich kann Ihnen keine positive Prognose für ein Ende des Krieges und die Zeit danach bieten“, zeigte sich Lielischkies am Ende des Abends ungewohnt ratlos. Ein großes Problem sieht er in wenigen Wochen kommen: Am 9. Mai wird der Sieg über Hitler-Deutschland groß in Russland gefeiert. „Da muss Putin liefern, da kann er sich keine Niederlage leisten“, so Lielischkies.

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