Nach „Friederike“An den Bahnhöfen in der Eifel kehrt die Normalität zurück

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Endstation Euskirchen: Während Sturmtief Friederike über Euskirchen hinwegzog, herrschte am Bahnhof gespenstige Leere.

Endstation Euskirchen: Während Sturmtief Friederike über Euskirchen hinwegzog, herrschte am Bahnhof gespenstige Leere.

Kreis Euskirchen – Freitagmorgen 7.15 Uhr. Am Euskirchener Bahnhof fährt der Zug aus Richtung Kall ein. Die Scheiben sind beschlagen, viele Fahrgäste stehen in den Gängen. Auf dem Bahnsteig machen sie den Eindruck, dass sie froh sind, in Euskirchen aussteigen zu müssen – oder können. Vom Bahnsteig geht es Richtung Schule oder zur Arbeit. Knapp 16 Stunden, nachdem Sturm Friedrike über den Kreis hinweggezogen ist und der Bahnverkehr eingestellt wurde, weht am Bahnhof ein laues Lüftchen. Die Normalität ist zurück.

Keinen Notfallplan

„Ich habe der App der Bahn nicht getraut. Als ich zum Mechernicher Bahnhof gegangen bin, hatte ich eigentlich kein gutes Gefühl, aber der Zug ist ja gefahren“, sagt Silvia Bergmann. Einen Notfallplan habe sie nicht gehabt. „Wenn der Zug nicht gekommen wäre, hätte ich auf den nächsten gewartet. Ich habe mir extra viel Kaffee in den Thermobecher gefüllt“, so Bergmann, die sich am Donnerstagnachmittag von ihrem Freund in Euskirchen abholen ließ.

Freund statt Hotel

Am Donnerstag hatte auch Uwe Metternich keinen Notfallplan. „In Köln ging gar nichts mehr. Auf ein Taxi zu warten, war schlimmer als an Silvester“, berichtet Metternich. Der Sötenicher hatte sich am Donnerstagmorgen mit dem Zug auf den Weg zur Arbeit nach Köln gemacht.

Am frühen Abend saß Metternich dann in der Domstadt fest. Er habe sogar schon fast ein Hotel in der Kölner Altstadt gebucht – inklusive Karnevalssitzung. Statt dreimol Kölle Alaaf klingelte das Handy: ein Anruf von Freund Thomas Quandt. Der war mit dem Auto in Köln und sammelte Metternich am Hauptbahnhof ein. „Ich habe schon ein paar neidische Blicke bekommen“, sagt Metternich schmunzelnd. Am Freitagmorgen verlässt sich der Sötenicher dann nicht auf die Bahn und fährt ausnahmsweise mit dem Auto nach Köln.

Fremde Frau im Auto

Michael Kundt aus Nettersheim war am Donnerstag mit dem Auto nach Köln zur Arbeit gefahren. Als er von der Einstellung des Bahnverkehrs in ganz NRW hörte, erstellte er einen Beitrag in der Gruppe der „Eifelpendler“. „Das war eine spontane Idee. Ich hatte gehofft, dass ich damit jemandem helfen kann“, so der Nettersheimer. Es habe nicht lange gedauert, bis sich eine Frau bei ihm gemeldet habe. Übers Internet wurden Treffpunkt und Uhrzeit vereinbart, denn auch die Frau musste zufällig in die Eifel nach Nettersheim. „Wir haben uns über unsere Jobs, Familien, die Bahn und gemeinsame Bekannte unterhalten“, sagt Kundt. Zuvor habe er noch nie eine fremde Person im Auto mitgenommen. Aber: Beim nächsten Sturm will er wieder seine Hilfe anbieten, wenn der Bedarf da ist.

Enorme Hilfsbereitschaft

Wie Kundt boten viele Bürger aus dem Kreis ihre Hilfe in Form einer Mitfahrgelegenheit in ihren Autos an. „Die Hilfsbereitschaft war enorm. Es ist zwar schade, dass immer Katastrophen eintreten müssen, damit Menschen ihre gute Seite zeigen, aber okay“, sagt Margret Meyer.

Die Zülpicherin nutzte die Mitfahrgelegenheit eines Firmenichers, der für die 56-Jährige einen kleinen Umweg in Kauf nahm und sie direkt vor ihrer Haustür in der Römerstadt absetze. „Ansonsten hätte ich mir ein Taxi nehmen müssen. Am Telefon hatte man mir aber gesagt, dass ich mindestens vier Stunden warten müsse“, so Meyer. Stattdessen habe sie einfach mal bei den „Eifelpendlern“ vorbeigeschaut und eine kurze Nachricht geschrieben. „Wenn dann eine positive Antwort kommt, dass der Platz noch frei ist, freut man sich fast wie an Weihnachten“, berichtet die Zülpicherin.

Auf Nummer sicher

Alexandra Krämer fuhr am Freitagmorgen allein mit dem Auto – vier Plätze blieben unbesetzt. Das war knapp 14 Stunden zuvor noch ganz anders. Krämer konnte sich vor Anfragen kaum retten. Die Plätze im Auto seien heiß begehrt gewesen, sagt sie. Dass sie mit dem Auto nach Köln zur Arbeit fahre, sei eher die Ausnahme. „Der Zug war am Donnerstagmorgen schon mit Verspätung angekündigt. Da bin ich auf Nummer sicher gegangen“, berichtet Krämer. Eine gute Entscheidung: So konnte sie am Donnerstag zwei Kolleginnen, ihren Bruder und einen seiner Kollegen mitnehmen. Das Quartett war am Morgen mit dem Zug nach Köln gefahren.

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