„Eifel für Eifel“Halbes Jahr nach der Flut ist Not der Opfer immer noch groß

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Eine Hilfslieferung für Flutgeschädigte packen Josefa Mauel (v.l.), Jörg Weitz und Ute Hansen.

Eine Hilfslieferung für Flutgeschädigte packen Josefa Mauel (v.l.), Jörg Weitz und Ute Hansen.

Nettersheim – Es ist ruhig an diesem Samstagnachmittag in der Spendenausgabestelle von „Eifel für Eifel“. Einige Helfer packen eine Hilfslieferung, die später abgeholt wird. Andere fahren einen Schrank zu einer Familie im Flutgebiet, die gerade versucht, sich ein neues Zuhause einzurichten. Der große Andrang war am Freitag, als die Menschen von rund 25 Haushalten kamen, um die leeren Speisekammern und Kühlschränke aufzufüllen. Dass an diesem Tag ein kleines Jubiläum ist, hat niemand auf dem Schirm.

Und wenn es so wäre, wäre es eine Feier wert? Seit sechs Monaten ist die Hilfsorganisation aktiv, um den durch das Hochwasser geschädigten Menschen zu helfen – unbürokratisch, unkompliziert und ehrenamtlich, an der Ahr, an Urft und Olef, überall dort, wo Hilfe notwendig ist. Und ein Ende des Engagements ist nicht abzusehen.

„Eifel für Eifel“ als Facebook-Gruppe ins Leben gerufen

„Eifel für Eifel“ ist Jörg Weitz’ Idee, sein Kind, das längst das Laufen gelernt hat. „Die Leute können sich nicht vorstellen, wie groß die Not noch immer ist“, sagt er: „Die Schicksale, die sich hinter den Mauern abspielen, die siehst du nicht.“ Die Welt habe gesehen, wie das Wasser durch die Orte gegangen sei. „Doch was danach kommt, das sieht sie nicht, das Elend hat kein Ende“, hat er gelernt.

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Eigentlich ist „Eifel für Eifel“ gar keine richtige Organisation. Ins Leben gerufen wurde es im ersten Corona-Lockdown als Facebook-Gruppe, um Menschen, die in Quarantäne sind, Hilfe zu vermitteln. Für Weitz, der aus dem Katastrophenschutz kommt und beim Elbe-Hochwasser 2013 eine Woche im Einsatz war, war sofort nach der Flut klar, dass die Gruppe, die damals rund 17500 Mitglieder hatte, das ideale Netzwerk bieten würde, um Hilfe zu organisieren. Aktuell sind 41555 Mitglieder in der Gruppe.

Große Firmen spenden nicht mehr so viel

Binnen Stunden konnte in Engelgau ein Hilfslager in der Alten Schule eingerichtet, aus dem Hilfslieferungen in alle Himmelsrichtungen geschickt wurden. Doch nach zwei Wochen musste die Lokalität verlassen werden. Sofort boten Renate, Monika und Stefan Hansen an, das Lager auf ihrem Hof an der Engelgauer Taubenstraße unterzubringen. Dort ist es heute noch. „Hier stand alles voll mit Hilfsgütern“, sagt Monika Hansen und öffnet eine der vielen Garagen und Scheunen auf dem Gelände.

Das Spendenlager

Die Ausgabestelle von „Eifel für Eifel“ an der Taubenstraße 10 in Engelgau ist dienstags, freitags und samstags von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Neben der Präsenz bei Facebook verfügt die Gruppe auch über eine Hotline unter Tel. 0171/7779997. Mittlerweile gibt’s eine eigene Internetseite, auch E-Mails können empfangen werden.

Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs als Spenden werden für die Ausgabestelle weiterhin händeringend gesucht – gerne auch von größeren Unternehmen. „Es wäre dringend nötig, das Lager aufzufüllen“, so „Eifel für Eifel“-Initiator Jörg Weitz. (sev)

Sogar Kühltruhen gibt es, um Milchprodukte lagern zu können. Auch frische Waren stehen bereit, um die Menschen zu versorgen. Doch das Lager ist leerer geworden. Im gleichen Maß, in dem die Katastrophe aus den Medien verschwunden ist, hat die Spendenbereitschaft vor allem größerer Firmen nachgelassen. „Wir müssen mittlerweile Lebensmittel zukaufen“, so Weitz.

Schuhe kaufen für eine Familie

Doch die Helfer machen weiter, wie lange noch, wissen sie selber nicht. 15 Helfer sind in dem Lager aktiv. Mittlerweile ist das Lager, finanziert über zweckgebundene Spenden, durch eine gemauerte Wand winterfest gemacht worden. „Wir dachten nie, dass das Hilfslager so lange aktiv sein würde“, sagt Weitz.

An der Taubenstraße sei es mit der Hilfe richtig professionell losgegangen. Mit dem DRK gab es über das zwischenzeitlich zurückgebaute Logistikzentrum in Zülpich eine Kooperation, immer noch arbeitet „Eifel für Eifel“ mit vielen anderen Netzwerken zusammen. Doch die Hilfe beenden? „Wir haben schon darüber nachgedacht, aber die Leute, die kommen, die können sich nicht verstellen und verstecken, wie groß die Not ist, auch wenn es aus den Medien raus ist“, sagt Ute Hansen. Vergangene Woche sei eine Familie mit Kindern in Sandalen und kurzen Hosen gekommen – da seien sie erst einmal Schuhe kaufen gegangen.

„Jetzt kommen die wirklich Bedürftigen“

„Viele sagen, wenn sie die Lebensmittel bei uns abholen: ’Vielen Dank, jetzt kann ich Baustoffe kaufen’“, ergänzt Monika Hansen. Nicht wenige Familien hätten noch keinen Cent von ihrer Versicherung erhalten. So muss bisweilen auch finanzielle Unterstützung geleistet werden, die durch Zuwendungen von Privatpersonen möglich ist. „Die Spender schenken uns das Vertrauen, dass das Geld dort eingesetzt wird, wo es nötig ist“, sagt Jörg Weitz.

Da die Corona-Regeln in der Ausgabestelle mittlerweile 2G-plus sind, kämen weniger Leute. „Jetzt kommen die wirklich Bedürftigen“, vermutet Monika Hansen. Doch stehen gelassen werde keiner. Wer keinen Test vorweisen könne, habe die Möglichkeit, Hilfsgüter kontaktlos an der Straße abzuholen. Im Lager werden deswegen für zwei Familien die Einkaufswagen vollgepackt.

Scham anfangs stärker als Not

Nicht immer ist es leicht für die Helfer. Um die vielen schockierenden Geschichten zu verarbeiten, helfe es, miteinander zu reden. Und oft flössen auch Tränen der Freude und Erleichterung, wenn wieder bei einem besonderen Schicksal geholfen werden konnte, ein Auto oder eine Wohnung vermittelt wurde.

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Bei denen, die in der Ausgabestelle arbeiten, ist die Motivation unverändert groß. „Da sind Menschen in Not, ich denke dann: Was wäre bei mir?“, sagt Ute Hansen. „Das steckt in einem drin, die Solidarität“, ergänzt Monika Hansen. Wenn sie von einem Notfall erfahre, wolle sie direkt losgehen.

Wie groß die Dankbarkeit der Betroffenen ist, spüren sie immer wieder. „Wir geben den Menschen Mehl, Butter und Eier, und sie bringen uns Kekse mit“, sagt Monika Hansen. Die Scham sei anfangs stärker gewesen als die Not. So manch einer habe zuerst Angst gehabt, an der Ausgabestelle erkannt zu werden. „Doch dann kommen die Leute und sagen: ’Wenn wir euch nicht hätten, hätten wir nichts im Kühlschrank gehabt’“, berichtet sie.

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