Auftrag erfüllt, Herr Landrat!Impfzentrum in Nettersheim-Mermagen schließt

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Die letzten Impfungen in Marmagen erhält Claudia Neufeld.

Nettersheim-Mermagen – Als „eine meiner besten Entscheidungen“ bezeichnet es Landrat Markus Ramers, Udo Crespin mit Aufbau und Leitung des Regionalen Impfzentrums in der einstigen Eifelhöhen-Klinik betraut zu haben. Der schreckt vor anspruchsvollen Aufgaben nicht zurück: Im November startet die Planung, Mitte Dezember wird das Zentrum startbereit gemeldet.

Dass erst Ende Dezember die mobilen Teams und am 8. Februar die Crew im Impfzentrum die Arbeit aufnehmen, ist der schleppenden Impfstoffversorgung geschuldet. Nun, ein knappes Jahr und 146587 Impfungen später, ist der Job getan. Am Donnerstag um 19 Uhr hat das Impfzentrum seine Pforten geschlossen, Crespin zieht Bilanz und vermeldet: „Auftrag erfüllt, Herr Landrat!“

Die Zahlen

Rund 253000 Impfdosen sind im Kreis Euskirchen verabreicht worden. 67 Prozent der Bevölkerung im Kreis hat einer erste Impfung erhalten, 63,4 Prozent sind vollständig geimpft – die Quote liegt damit im Bundesschnitt. 146587 Dosen sind durch das Impfzentrum verabreicht worden: 122664 in Marmagen und 22923 durch die mobilen Teams, davon alleine mehr als 10000 Anfang des Jahres in den Pflegeeinrichtungen. „Die 150000 hätten wir schon gerne erreicht – einfach der Zahl wegen. Aber auch so ist es schon beachtlich“, sagt Crespin.

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In Marmagen sind rund 100000 Dosen des Biontech-Vakzins verimpft worden, 15000 Astrazeneca, 10000 Moderna und 2500 Johnson & Johnson. Gerade kurz vor Schließung des Impfzentrums haben sich laut Crespin viele für den Johnson-Impfstoff entschieden, da davon nur eine Dosis für den vollständigen Impfschutz ausreicht.

Die Intention

„Das Impfzentrum ist mehr als die Spritze, die wer reinhämmert“, sagt Udo Crespin. Gerade mit Blick auf die Über-80-Jährigen, die zu Beginn an der Reihe gewesen sind, habe man einen Ort hoher Wertschätzung schaffen wollen, an dem die Menschen sich wohl und willkommen fühlen. 530 Menschen haben dazu beigetragen, dass das Leitmotiv „Impfen mit Herz“ an sieben Tagen die Woche erfüllt wird. Neben Ärzten und Apothekern, neben Bundeswehr und Kassenärztlicher Vereinigung sind alle Hilfsorganisationen am Gelingen beteiligt gewesen: Feuerwehr, THW, DLRG, Malteser, DRK.

Die Wellen

Fast schon gemütlich startet das Impfzentrum in Marmagen im Februar: Etwa 100 Impfungen sind es in den ersten Wochen täglich, die 24 Mitarbeiter erledigen. Sukzessive, vor allem durch die Verfügbarkeit des Impfstoffs, wird die Schlagzahl erhöht – auf 800 tägliche Impfungen im März. Der Höchstwert von 1414 wird am 10. April erreicht. Wochenlang sind es in dieser Phase zwischen 1200 und 1400 Impfungen, 84 Mitarbeiter sind dafür jeden Tag in Marmagen im Einsatz, in zehn Impfstraßen brummt der Laden.

Hier schmunzeln Crespin und Arzt Dr. Frank Gummelt. Sie erinnern sich daran, dass sie anfangs 500 tägliche Impfungen als „magische Zahl“ gesehen haben, dass 600 vom Land genannt worden seien. „Auch in der Hochphase hätten wir noch gerne ein Brikett draufgelegt“, sagt Crespin: „Wir hatten noch einen Impfkreislauf in petto.“ Doch der Mangel an Impfstoff bremste das Team aus. „Die Debatten über die Astra- und Johnson-Impfstoffe haben dem Tempo nicht gut getan“, sagt Crespin. Viele haben da gezögert, sich impfen zu lassen. Auf 700 bis 800 Impfungen täglich seien sie Zahlen Ende Juni gesunken, in den vergangenen Wochen haben sie konstant bei rund 300 gelegen.

Die letzten Impflinge

Zu den letzten Impfungen dürfen zwei Impflinge zusammen ins Zimmer, um von den ärztlichen Leitern des Zentrums, Dr. Frank Gummelt und Dr. Franz-Josef Zumbé, die Spritzen zu erhalten. Für Claudia Neufeld aus Blankenheim ist es die zweite Impfung, für ihre Tochter Carolina die erste. Die zweite Impfung wird die 20-Jährige beim Hausarzt erhalten.

Eigentlich, so Carolina Neufeld, hätte sie mit der Impfung gerne ein, zwei Jahre gewartet. Vor einer Covid-Infektion habe sie keine Angst gehabt, da sie die als junger Mensch „wohl gut verkraftet“ hätte. Doch aufgrund der Regeln und da man für die Tests bald bezahlen muss, habe sich die Impfung „nicht vermeiden“ lassen.

Diabetesverdacht

Die Zufriedenheit der Menschen mit dem Impfzentrum ist außergewöhnlich hoch. Klagen sind nur in minimalem Umfang zu vernehmen, Lob und Dank überwiegen. Das haben die Menschen der Crew gegenüber ausgedrückt: Angesichts von Kuchen, Teilchen und Pralinen, die das Team geschenkt bekommen hat, stehen, so Crespin lachend, alle unter Diabetesverdacht. Während die Naturalien verspeist sind, ist das Trinkgeld gesammelt worden: 4000 Euro sind zusammengekommen, die an den Herzenswunsch-Krankenwagen der Malteser gespendet werden, mit dem todkranken Menschen letzte Wünsche – etwa, noch einmal das Meer oder den Kölner Dom zu sehen – erfüllt werden.

Das Ende

Wehmut herrscht in den letzten Stunden des Impfzentrums, als eine für alle Beteiligten intensive Zeit zu Ende geht, in der auch zahlreiche Freundschaften geschlossen worden sind. Als Landrat Markus Ramers die Arbeit als „unglaubliche Erfolgsgeschichte“ wertet, werden im Foyer die Computer abgebaut, jemand singt leise „Bye, bye, my love“. In der Apotheke und bei der DRK-Crew wird mit Sekt auf die Zeit angestoßen.

Und was macht Udo Crespin, der als Leiter Gefahrenabwehr beim Kreis und Kreisbrandmeister eigentlich längst in Rente war? Er freut sich auf seine „kleinen Chefs“, die beiden vier und sieben Jahre alten Enkel. Ein bisschen Urlaub will er auch machen. Was dann kommt, weiß er noch nicht. Nur zwei Dinge: „Inaktiv geht nicht – und klein auch nicht.“

Wie geht es weiter?

Auf etwa einen Kubikmeter könnten sich nach Schätzung von Apotheker Dr. Thomas Göbel die leeren Impfstoff-Fläschchen summieren, die in den vergangenen Wochen gesammelt wurden. Sie und zahlreiches anderes Material gehen zur Dokumentation dieses Stücks Zeitgeschichte ans Kreismuseum.

Das Gebäude der Eifelhöhen-Klinik hat der Kreis bis Ende des Jahres angemietet. Untervermietungen nach der Flut, etwa an die Eifeler Caritas, werden bis dahin auslaufen. Danach werde es, so Ramers, Gespräche mit der Gemeinde Nettersheim und der Eigentümerin über die Suche nach Investoren und eine Nachfolgenutzung geben.

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Die Impfungen werden die niedergelassenen Ärzte übernehmen. Im Kreis-Gesundheitsamt wird die koordinierende Covid-Impfeinheit (KoCI) eingerichtet, die ein Monitoring für den Impffortschritt durchführen und gegebenenfalls mobile Aktionen planen wird.

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