Biker in HolzmülheimAnwohner von Eifelort sind machtlos gegen Motorradlärm

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Im Talkessel liegt Holzmülheim. Dadurch sind Motorräder, die auf der Serpentinenstrecke beschleunigen, gut zu hören.

Im Talkessel liegt Holzmülheim. Dadurch sind Motorräder, die auf der Serpentinenstrecke beschleunigen, gut zu hören.

  • Das kleine Örtchen Holzmülheim liegt in einem Talkessel.
  • Bei gutem Wetter rasen Motorradfahrer Serpentinen hinauf und hinab. Seit Jahren beschweren sich die Bewohner des Ortes über den Motorradlärm.
  • Wir haben uns in Holzmülheim umgeschaut und mit den Anwohnern gesprochen.

Holzmülheim – Noch liegt das kleine Örtchen Holzmülheim malerisch und friedlich in der Frühlingssonne. Andernorts atmen die Menschen tief ein, gehen in den Garten, genießen die Luft, die Ruhe und ihre Heimat. Doch in Holzmülheim ist es anders.

Dort wissen die Dorfbewohner, was das gute Wetter ihnen bescheren wird: jede Menge Motorradfahrer, die mit heulenden Motoren die drei Serpentinen hinauf und hinab rasen. Praxistest: Ist es so schlimm, wie die Holzmülheimer erzählen?

Motorradfahrer rasen Berg hinauf und wieder runter

Noch ist es ruhig. Plötzlich quälen sich zwei kleinmotorige Crossmaschinen mit Ahrweiler Kennzeichen den Berg hoch. Leistungsarm, aber laut beginnen sie ihre Wochenendtour: Rauf auf den Berg, wenden, runter, vor der dritten Serpentine wenden und wieder rauf – immer wieder geht das so. Die berüchtigten „Knieschleifer“ sind es nicht, dazu reicht es bei der Geschwindigkeit nicht.

Die Möchtegern-Rennfahrer kommen kurz danach. Mit aufheulenden Motoren schießen sie den Berg hoch. Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h und das kürzlich installierte Überholverbot werden ignoriert, Autos im Tiefflug passiert.

Motorradlärm von morgens bis abends in Holzmühlheim

In der Kurve steht eine Frau an der Straße, verzweifelt schüttelt sie den Kopf. „So geht das seit acht Uhr morgens“, erzählt sie. Die Lage von Holzmülheim in einem Talkessel sorgt dafür, dass alle im Dorf die Motorräder hören. Da könne man sich sogar auf die Straße stellen, denen sei das egal, erzählt die Frau und tritt gleich den Beweis an. Doch plötzlich ist es ruhig. „Die sind jetzt weg, weil die uns hier gesehen haben“, sagt sie. Doch Hoffnung gebe das nicht. Entweder kommen die nächsten oder die, die jetzt verschwunden sind, seien in zwei Stunden wieder da.

„Es sind beileibe nicht alle“, sagt Micky Harzem deutlich. Er ist selbst passionierter Motorradfahrer. Doch das, was auf der B51 vor sich geht, lässt ihm den Kamm schwellen. Die Straße wird im Ort immer noch „B51“ genannt, obwohl sie längst L115 heißt. „Die fahren vom Kreisverkehr den Berg hoch, wenden, fahren wieder runter, fahren wieder hoch, und das über Stunden“, so Harzem.

Ortstermin brachte kein Ergebnis

Seit Jahren macht der Motorradlärm an den Wochenenden das Leben draußen nicht gerade erholsam, der Auftrieb der dezibelstarken Zweiräder lässt im Ort kaum einen gelassen. Seit Jahren fordert Ortsvorsteher Markus Caspers bei jeder passenden Gelegenheit Schutz für die Bevölkerung vor der Lärmbelästigung. Zu einem Ortstermin mit Gemeinde, Polizei und dem Landesbetrieb Straßen NRW im Februar kamen 50 Anwohner. Das Ergebnis? Null.

Weder Polizeieinsätze noch bauliche Maßnahmen versprechen Erfolg – das war die bittere Wahrheit, die die Behördenvertreter den Anwohner eröffneten. „Das ist ein bundesweites Problem“, so Bürgermeister Wilfried Pracht.

Polzei kann nichts gegen Motorradlärm in Holzmülheim machen

Auch der Polizei sind durch die Gesetzgebung die Hände gebunden. Denn in Deutschland gibt es, anders als in anderen EU-Ländern, keine Halterhaftung, erläuterte Guido Heuken vom Verkehrsdienst. Deshalb sei es nötig, die Motorräder anzuhalten und den Fahrer zu identifizieren, bevor ein Bußgeld fällig werden könne. Und Infos über Radarfallen seien schnell weitergegeben. „Die sind mit GPS und Handys vernetzt. Wenn wir auf der Anfahrt hierher sind, sind die schon weg“, so Heuken.

Probleme bereiten den Behörden auch die bis 2016 noch erlaubten Drosselklappen. Mittlerweile sind die Bauteile verboten, doch die älteren Maschinen sind noch auf den Straßen. Und selbst dann, wenn Biker mit ausgeräumtem Auspuff erwischt werden, sind die Maßnahmen nicht so strikt wie im Ausland. „Wenn Sie in der Schweiz mit einem zu lauten Motorrad auf einem Alpenpass erwischt werden, können Sie zu Fuß weitergehen. Das Fahrzeug wird beschlagnahmt. Wir dürfen die noch zum Bahnhof fahren“, erzählt Heuken.

Drosselklappen

Motorräder dürfen nicht mehr als 73 bis 77 Dezibel Lautstärke entwickeln. Durch eine Gesetzeslücke, die erst 2016 geschlossen wurde, durften bis dahin Drosselklappen eingebaut sein, die oberhalb einer gewissen Drehzahl öffnen und den Lärm entlassen. Die Zeitschrift Motorrad ermittelte 2016 bei einer Ducati 899 Panigale im zweiten Gang einen Wert von 97,6 Dezibel.

Neben Bestandsschutz der vor 2016 zugelassenen Fahrzeuge gibt es das Problem, dass Nachrüstschalldämpfer ihre eigene Zulassung haben. Hier gilt die Gesetzesänderung ab 2020, so dass Klappensysteme noch weit verbreitet sind. (sev)

Der Frust über die Hilflosigkeit ist den Polizisten anzusehen. Oft haben die Beamte in der Eifel erlebt, wie ausländische Motorradfahrer, wenn sie erwischt werden, Bußgelder gelassen zahlen, weil in der Heimat die Strafen deutlich höher sind.

Lärmbelästigung durch Motorräder nachzuweisen, ist schwieirig

Auch in Sachen baulicher Maßnahmen machte Alfred Sebastian, als Bauingenieur bei Straßen NRW für die nordrhein-westfälische Eifel verantwortlich, wenig Hoffnung. Das Problem beschäftige ihn seit etwa drei oder vier Jahren. „Ich habe das Problem selbst in meinem Heimatort Dernau, in dem ich Ortsbürgermeister bin“, sagte er. Es sei schwierig, für Lösungen könne nur der Gesetzgeber sorgen.

Aus der Sicht des Straßenbauers dürfe es keine Hindernisse geben, stellt er klar. Rüttelstrecken oder Verengungen seien genauso wenig zu erwarten wie Streckensperrungen. Eine Lärmbelästigung nachzuweisen, sei schwierig, denn: „Lärm wird nicht gemessen, sondern gerechnet.“ Und dies werde immer wieder von Motorradfahrern angefochten. Auch die beabsichtigte Sperrung der Panoramastraße in Hürtgenwald sei mittlerweile vom Tisch.

Überholverbot in Holzmülheim zeigt keine Wirkung

Er verwies auf Lärmmessstationen, bei denen Motorradfahrer durch aufleuchtende Hinweise auf die Belästigung aufmerksam gemacht würden. Ansonsten bliebe nur, zu der schon bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung ein Überholverbot auszusprechen. „Wenn dann ein langsamer Traktor dort fährt, dann nimmt das den Spaß“, sagte Sebastian. Doch die Einrichtung des Überholverbots bei Holzmülheim zeigt nach Angaben der Anwohner keine Wirkung: „Das wird genauso ignoriert wie alles andere.“

„Ich bin selbst Anwohner, Sie können mir glauben, dass mir an einer Lösung liegt“, sagte Nettersheims Bürgermeister Wilfried Pracht. Im Rahmen des A1-Forums wollte er NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst auf das Problem ansprechen. Mit Blick auf den vom Arbeitskreis Nationalpark Eifel gegen den Motorradlärm erarbeiteten Forderungskatalog sagte Pracht, dass er die Vorstöße zu Gesetzesänderungen unterstützen wolle.

„Silent Rider“-Kampagne will Problem angehen

Ein überregionales Bündnis gegen den Motorradlärm will sich am Montag, 3. Juni, in der Kreisverwaltung Düren formieren. „Unsere Erlebnisregion Nationalpark Eifel leidet, wie auch Ihre Region, unter dem Lärm von Motorrädern“, heißt es im bundesweit an 160 Adressaten übermittelten Anschreiben, das von den Bürgermeistern von Simmerath und Heimbach, Karl-Heinz Hermanns und Peter Cremer, für den Arbeitskreis Nationalpark Eifel gegen den Motorradlärm unterschrieben ist.

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Neben den Kreisen Düren und Euskirchen, den Polizeidienststellen, Nationalparkforstamt und Förderverein, den Landesbetrieben Wald und Holz sowie Straßen NRW haben sich bereits die Kommunen Heimbach, Nideggen, Schleiden, Hürtgenwald, Nettersheim und Simmerath dem Arbeitskreis angeschlossen.

„Silent Rider“ heißt das Kampagnenkonzept, das im September vorgestellt werden soll. Der Grundgedanke ist, die Biker nicht mit negativen Motiven gegen den Motorradlärm zu verärgern, sondern das Thema positiv zu belegen. Der Forderungskatalog, der vom Arbeitskreis erarbeitet wurde, ist lang. Neben Frontkennzeichen für Motorräder und einer allgemeinen Halterhaftung kommen umfasst er auch ein Lärmschutzgesetz, die Definition von Geräuschgrenzwerten und höhere Strafen für Manipulationen.

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