Konzert im KlosterDas Impulsfestival in Nettersheim vereint Musik und Kunst

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Professor Jeremias Schwarzer führte in der Klosterkapelle das Stück „Li-Sabbrá“ auf.

Professor Jeremias Schwarzer führte in der Klosterkapelle das Stück „Li-Sabbrá“ auf.

Nettersheim – Es wirkt, als hätte ein fremdartiger, lebendiger Organismus Einzug in die Kapelle des Klosters Nettersheim gehalten. Wirr sind transparente Schläuche über Notenständer drapiert, durch die eine rote Flüssigkeit in Flaschen gepumpt wird. Rhythmisch pulsieren die farbigen Tropfen in dem harten Licht der Neonröhren, mit denen die Installation der japanischen Künstlerin Chiharu Shiota angestrahlt wird. Die Kunst hat ein Eigenleben bekommen beim Transient Impulsfestival, das in dieser Woche in Nettersheim stattfand.

Eine Woche Kunst, Musik und Kultur – schon in normalen Zeiten wäre es ein besonderes Erlebnis gewesen. Doch die Kunst- und Kulturbranche hat sich noch nicht einmal ansatzweise von den Beschränkungen durch Corona erholt. Erst seit Kurzem können wieder Veranstaltungen in kleinem Rahmen durchgeführt werden.

Naturerlebnisdorf abseits von Fußball und Impfungen

Auch die Aufführung der etwa dreistündigen Konzertinstallation „Nuqta – the beginning“ am Wochenende, die von dem Transient Interdisciplinary Research Ensemble durchgeführt wurde, musste dem Virus noch Tribut zollen. Da nur 20 Besucher gleichzeitig dem Konzert folgen durften, war die Aufführung in vier Abschnitte unterteilt, bei denen jeweils ein Publikumswechsel vorgesehen war.

Während die öffentliche Wahrnehmung derzeit von Urlaub, Impffreigaben und Fußball bestimmt wird, zeigte das Transient Festival, wie sehr der künstlerische Input des Kultursektors für die Gesellschaft fehlte und immer noch fehlt. Eine Woche lang brachten die Musikerinnen und Musiker um den künstlerischen Leiter Prof. Jeremias Schwarzer aus Berlin das Naturerlebnisdorf Nettersheim zum Klingen.

Initiiert wurde die Veranstaltung von der Kunststiftung NRW, die den in Kuchenheim aufgewachsenen Schwarzer ansprach, ob er sich vorstellen könne, in der Nordeifel ein Projekt zu realisieren. Herausgekommen ist ein multimediales Konzept der zeitgenössischen Kunst, das viele Facetten aufweist. Gleich in drei Eifelorten ist Transient verortet. Der erste Aufschlag fand in Bad Münstereifel statt, der zweite nun in Nettersheim. Eine dritte Veranstaltungsreihe wird in Kronenburg im kommenden September zu sehen sein.

Stücke, die eine eigene Geschichte erzählen

Coronabedingt sei das Festival in Bad Münstereifel nur digital über Streaming zu sehen gewesen. In Nettersheim werde die Nähe zur Natur und den Menschen gesucht, während Kronenburg eine Verbindung der beiden Konzepte bieten werde.

Höhepunkt bildete das abendliche Konzert am Wochenende im Kloster und im angrenzenden Klostergarten. Rund um die Installation von Shiota brachten die Musiker eine Vielzahl von unterschiedlichen Kompositionen meist zeitgenössischer Komponisten zu Gehör.

Neus Estarellas Calderón (Klavier), Vanessa Porter (Percussion), Jeremias Schwarzer (Blockflöte) und Olivia Stahn (Gesang) brachten die Kompositionen zur Aufführung. Als Nachwuchskünstler waren Valerie Fritz (Violoncello), Alexandra Vildosola (Gesang) und Vincent Stange (Transmediale Komposition) dabei. „Ich habe Stücke gewählt, die eigene Geschichten erzählen“, sagte Schwarzer. Die Komposition im 21. Jahrhundert setze sich mit allen möglichen Einflüssen auseinander und setze diese unbeeinflusst von Konventionen um. „Es gibt keine Vorschriften mehr“, betonte er.

Workshops mit Schülerinnen und Schülern

Dabei gebe es so verschiedene Ansätze wie das seriell klingende „My Old Gramophone“ von Raquel García-Tomás, das Calderón eindrücklich aufführte, wie das politische „Li-Sabbrá“ von Samir Odeh-Tamimi, das ein Massaker im Flüchtlingslager in Musik übersetzt und von Schwarzer und Porter gespielt wurde. „Schrecken und Schönheit, alles ist präsent“, so Schwarzer.

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Bereits am Samstagnachmittag hatten die Musiker an verschiedenen Orten in Nettersheim konzertiert. „Wir bringen die Kunst zu den Leuten, am Abend kommen die Leute zu der Kunst“, sagte Calderón, kurz bevor sie vor der Nettersheimer Eisdiele John Cages „Suite for Toy Piano“ spielte. „Es ist cool, mit den Nebengeräuschen, vor allem denen der Bahn, zu spielen“, schwärmte Schlagzeugerin Porter von ihrem Auftrittsort, der Brücke über die Eisenbahngleise am Nettersheimer Bahnhof. Auch die Schauspielerin Heidrun Grote und Maria Zalfen-Lenz reihten sich in den Reigen der Aufführungen ein.

Ab Montag hatten die Kunstschaffenden in verschiedenen Workshops mit Schülerinnen und Schülern der Gesamtschule Blankenheim/Nettersheim gearbeitet. Unter anderem hatte Vanessa Porter mit den Jugendlichen Body-Percussion erarbeitet. Zum Abschluss wurden die Ergebnisse aus Bad Münstereifel und Nettersheim am Mittwochabend auf der Görresburg in einer Live-Performance mit Schülerinnen und Schülern des St.-Michael-Gymnasiums und der Gesamtschule Eifel aufgeführt.

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