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Knochenjob SanitäterKreis Euskirchen startet einmaliges Gesundheitsprojekt für Retter

Lesezeit 4 Minuten
Vorhandenes Equipment wird bei den Trainings in der Rettungswache eingesetzt.

Vorhandenes Equipment wird bei den Trainings in der Rettungswache eingesetzt.

Eifelland – Die Arbeit beim Rettungsdienst ist kräftezehrend. Dabei ist nicht der anstrengende Schichtdienst gemeint, denn Menschen benötigen nicht nur von 9 bis 17 Uhr medizinische Hilfe. Es sind auch nicht unbedingt die psychischen Belastungen, die so mancher Einsatz mit sich bringt, die hier im Fokus liegen.

Es ist vielmehr die körperliche Arbeit, die verrichtet werden muss: Patienten, die per Trage durch ein enges Treppenhaus in den Rettungswagen gebracht werden müssen. Oder Unfälle in unwegsamem Gelände, etwa tief im Wald oder im Straßengraben. Etwa 30 000 Einsätze ist der Rettungsdienst im Kreis Euskirchen im vergangenen Jahr gefahren. Das bedeutet einen Zuwachs von rund 30 Prozent innerhalb einer Dekade. Ein echter Knochenjob also.

„Man tut erst dann etwas für seinen Körper, wenn es anfängt wehzutun“

„Natürlich haben wir den Wunsch, bis zum Alter von 62 Jahren Rettungseinsätze fahren zu können“, sagt Dirk Rose, der im Rettungsdienst tätig ist. „Aber das ist nur mit Maßnahmen möglich.“ Nur: Die gab es bislang nicht. „Man tut erst dann etwas für seinen Körper, wenn es anfängt wehzutun“, weiß Michael Gissinger vom Unternehmen „ForLife – Management für den Körper“ mit Hauptsitz in Solingen und Dependance in Kuchenheim. Etwa zwei Drittel der Sanitäter haben Probleme mit dem Rücken, den Sprunggelenken und den Knien, hat eine Untersuchung in München ergeben. Training alleine bringt aber nur bedingt etwas. „Ins Fitnessstudio zu gehen, reicht nicht, weil es den Transfer von der Hantel zum Rucksack, den der Rettungssanitäter verwendet, nicht gibt.“

Das hat auch der Kreis Euskirchen erkannt, genauer die Abteilung 38, der der Rettungsdienst angehört. Seit mehr als drei Monaten läuft das Projekt „Ergonomischer Rettungsdienst“. „Es geht um Gesundheitsprävention im Allgemeinen“, erklärt Martin Fehrmann, Abteilungsleiter Gefahrenabwehr beim Kreis. Aber es geht auch darum, die vorhandenen Hilfsmittel, die dem Rettungsdienst zur Verfügung stehen, in dieses Trainingsprojekt einzubauen, wie Dirk Rose anmerkt: „Diese Synergie ist deutschlandweit einmalig.“

Denn gerade die Technik ist nicht immer ergonomisch. Allein die aktuellen Tragen müssen schon richtig bedient werden, ansonsten geht es auf den Rücken. Und auch bei einfachen Dingen kann man viel falsch machen, etwa bei Rucksäcken. Die werden gerne mal schnell über eine Schulter geworfen. Dabei weiß man noch aus der eigenen Schulzeit: Sieht zwar lässig aus und geht schneller, aber gut für die Haltung ist das nicht.

Ein Projekt soll den Rettungsdienst im Kreis verbessern

Deshalb hat der Kreis zunächst neue Rucksäcke für die Rettungswagen angeschafft. Diese sind ergonomischer und es passt mehr rein, sodass nur noch zwei statt drei Rucksäcke vonnöten sind. Und auch eine neue Trage gibt es, bei der die Sanitäter nicht mehr tief in die Knie gehen müssen, sondern die Trage sich per Knopfdruck hebt und senkt. Die Technik entwickelt sich eben ständig weiter, man muss sie nur nutzen. Rainer Brück vom Team Rettungsdienst erwähnt außerdem ein neues Tragetuch, mit dem sich Patienten auch für die Sanitäter schonend retten lassen. Außerdem gibt es seit Ende Juli neue Dienstkleidung für die Sanitäter. „Die Zeiten, in denen mal zunächst seine Hose ein wenig hochziehen musste, bevor man in die Knie gehen konnte, sind damit vorbei“, sagt Michael Gissinger.

Weil die Expertise für das Projekt nicht im Kreishaus selbst zu finden ist, holte sich der Kreis die Unterstützung von Michael Gissinger, der bei ForLife zuständig für die Bereiche Leistungsdiagnostik, Training und Arbeitsergonomie ist.

Der Rettungsdienst des Kreises wurde für das Projekt aufgeteilt in die Bereiche Nord (Weilerswist und Euskirchen) und Süd (Schleiden und Mechernich) mit je 40 Leuten. Zu Beginn des Projekts wurde bei allen 80 Einsatzkräften ein Wirbelsäulenscreening gemacht, um den Status Quo zu sichten. Und um eine Entwicklung zu dokumentieren, erhält die Gruppe Nord das Training, die Gruppe Süd nicht.

Zu Beginn musste auch ein wenig Überzeugungsarbeit geleistet werden. Denn zweimal wöchentlich zur Rettungswache zu kommen und dort zu trainieren, war für die meisten erst einmal ungewohnt. Pro Training machen aber fünf bis sechs Leute mit. ForLife stellt drei Trainer inklusive Physiotherapeuten zur Verfügung. Trainingsmöglichkeiten stehen auch bei ForLife in Kuchenheim zur Verfügung. Ein- bis zweimal pro Monat steht Physiotherapie auf dem Plan.

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Wer einmal mitgemacht hat, ist überzeugt. „95 Prozent sind begeistert“, meint Dirk Rose. Die Teilnehmer würden besonders schätzen, dass eben zum größten Teil mit Rettungsdienstequipment trainiert wird. „Die, die mitgemacht haben, machen Werbung, etwa für Reha-Angebote“, so Rose weiter. Michael Gissinger sieht eine Stärkung des Teamcharakters.

Und auch Martin Fehrmann ist zufrieden. „Wir sprechen im Nachgang mit den Kollegen.“ Die Resonanz sei positiv, weshalb der Kreis das Projekt gerne langfristig etablieren möchte. Fehrmann erkennt außerdem einen aus Arbeitgebersicht netten Nebeneffekt: „Die Einsatzkräfte fallen weniger mit Rückenleiden und anderen Erkrankungen aus. Und der Rettungsdienst wird insgesamt attraktiver.“

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