Auf frischer Tat geschnappt74-jähriger Campingplatz-Dieb zu Haft verurteilt

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Symbolbild

Schleiden-Gemünd – Manche Gerichtsverhandlungen bleiben im Gedächtnis – nicht, weil die verhandelten Delikte so aufsehenerregend sind, sondern eher, weil die Umstände so ungewöhnlich sind, dass die Taten, die dem Angeklagten zur Last gelegt werden, in den Hintergrund rücken: Vor dem Schöffengericht wurden am Dienstagmittag zwei Diebstähle verhandelt – der Wert des Diebesgutes: etwa 170 Euro. Normalerweise ein Fall, der von einem Einzelrichter bearbeitet würde, doch hier lagen die Umstände eben anders.

Mit drei vollen Einkaufstüten geschnappt

Der Angeklagte ist 74 Jahre alt, und er lebte zu der Zeit, in der die Taten verübt wurden, mit Schlafsack und Zelt im Wald. Zur Last gelegt wurden ihm zwei Diebstähle auf dem Campingplatz in Freilingen. Bei dem einen wurde im Juni dieses Jahres das Geldfach des Spülautomaten aufgebrochen und etwa 20 Euro erbeutet. Bei dem anderen von Anfang September ging es um den Einbruch in einen fest installierten Campingwagen und die angrenzende Gartenhütte.

Die Liste der erbeuteten Gegenstände ähnelt mehr einer Einkaufsliste als einem Gerichtsdokument: drei Gläser Würstchen, vier Flaschen Mixgetränk, ein Ginger Ale, Zigaretten, Einwegrasierer, Tempotaschentücher, eine braune Kuscheldecke und etliches mehr.

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Insgesamt waren es drei große Tüten, mit denen der Angeklagte in der Nacht am Campingplatz in Freilingen von der Polizei aufgegriffen wurde. Nicht von ungefähr ähnelte die Beute mehr einem Großeinkauf als einem gelungenen Raubzug. Denn der Angeklagte, der die ihm zur Last gelegten Taten ohne Umschweife zugab, hatte seit seiner Entlassung aus der letzten Haft im Gefängnis in Trier im Wald gelebt.

Einbrüche auf Campingplätzen keine Seltenheit

Die Polizei hatte ein Auge auf die Freilinger Anlage geworfen, da in den Wochen davor 27 Einbrüche in Wohnwagen angezeigt worden waren, bei denen Lebensmittel gestohlen wurden. Und nicht nur dort, auch in Hellenthal, Dickerscheid und Schleiden kam es im August auf Campingplätzen immer wieder zu ähnlich gelagerten Diebstählen, bei denen Lebensmittel, Zigaretten und kleine Geldbeträge erbeutet wurden. Insgesamt wurden 37 ähnlich gelagerte Fälle angezeigt.

Doch obwohl auch bei den anderen Vorfällen Fotos und Videoaufnahmen vom Einbrecher gemacht wurden, der dem Angeklagten ähnelte, konnten ihm nur zwei Delikte zweifelsfrei zugeordnet werden. Denn bei dem Einbruch im Juni hatte er eine DNA-Spur hinterlassen, die ihm zugeordnet werden konnte, und bei dem anderen wurde er auf frischer Tat ertappt.

„Am liebsten würde ich Ihnen eine Tasche packen“

Kein Wohnort, kein Personalausweis, keine Notschlafstelle, keine Option auf eine Zukunft: „Ich kriege keine Rente, ich weiß nicht, wie das weitergehen soll“, sagte er. Und so sah es auch Richterin Claudia Giesen: „Ich weiß nicht, ob sie mit 85 Jahren immer noch im Wald leben wollen.“

Ob er keine Sozialhilfe bekommen hätte, wollte sie wissen. Nein, die habe er nie bekommen. Und den Bewährungshelfer habe er nach seiner fünfjährigen Haftstrafe auch nie gesehen. „Ich bin dann nach Belgien gegangen und habe da im Wald gelebt“, berichtete er.

24 teils langjährige Verurteilungen hat der gebürtige Mechernicher in seinem Vorstrafenregister. Der 74-Jährige hat mehr Lebenszeit im Gefängnis als in Freiheit verbracht, alle Strafen hat er bis zum letzten Tag abgesessen. Warum das so sei, fragte Staatsanwältin Selma Stehl. Normalerweise würde die Strafe nach der Hälfte oder zwei Dritteln zur Bewährung ausgesetzt, doch der Angeklagte wollte nicht weiter über sein Leben reden und verweigerte fortan die Aussage.

„Am liebsten würde ich Ihnen eine Tasche packen“, sagte Stehl zu Beginn ihres Plädoyers. Es gehe dem Angeklagten vor allem darum, durchzukommen. Doch auch wenn das Mitgefühl aller Prozessbeteiligten groß war, so saß der Angeklagte nicht beim Sozialamt, sondern auf der Anklagebank.

Angeklagter nimmt Urteil an

Zu einem Jahr Gefängnis verurteilte ihn das Schöffengericht wegen der zwei Diebstähle. „Wir haben keine Einschätzung treffen können, ob Sie für eine Resozialisierung nicht erreichbar sind oder nicht erreichbar sein wollen“, so Richterin Giesen in ihrer mündlichen Urteilsbegründung.

Doch das Gericht habe nicht den Stab über den Angeklagten zu brechen. Hilfen seien da, diese müssten aber auch angenommen werden. Noch im Gerichtssaal nahm der Angeklagte das Urteil an, so dass es rechtskräftig wurde.

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