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Die Frau an der SpitzeGeschäftsführerin von Gemünder Firma über Männerdominanz

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„Hier können alle alles.“ Die Vielseitigkeit des KTS-Teams um Geschäftsführerin Verena Andree-Schwarz hat sich in Krisenzeiten wie Corona und nach der Flut deutlich bewährt.

„Hier können alle alles.“ Die Vielseitigkeit des KTS-Teams um Geschäftsführerin Verena Andree-Schwarz hat sich in Krisenzeiten wie Corona und nach der Flut deutlich bewährt.

Schleiden-Gemünd – Eigentlich sollte im Jahr 2022 die Tatsache, dass die Gemünder Verpackungsfirma KTS eine weibliche Geschäftsführerin hat, keinen Artikel mehr wert sein. Ist es aber doch: Im produzierenden Gewerbe stellt Verena Andree-Schwarz immer noch eine Besonderheit dar. Seit fünf Jahren teilt sie sich mit ihrem Vater Achim Andree die Geschäftsführung der alteingesessenen Firma in Mauel. Dabei sei noch in ihrem berufsbegleitenden Studium der Betriebswirtschaftslehre das Geschlechterverhältnis in ihrer zwölfköpfigen Klasse ausgeglichen gewesen. Doch bereits bei den berufsspezifischen Lehrgängen wie einem CAD-Kurs habe es anders ausgesehen. „Da war es dann schon sehr männerdominiert“, berichtet sie.

In der heimischen Firma habe sie dagegen nie ein Problem gehabt. Seit 20 Jahren ist die 39-jährige Schleidenerin mittlerweile in der elterlichen Firma tätig. „Wir sind hier gut aufgestellt“, erklärt sie. Mittlerweile seien mehr Frauen als Männer im Betrieb tätig. „Vielleicht zieht eine Unternehmerin mehr Frauen an“, überlegt sie. Nicht nur eine Buchhalterin oder Entwicklerin seien in der Firma, sondern auch Maschinenbedienerinnen.

Kein Gender Pay Gap in der Firma

„Ich kenne nur Frauen, die alles werden wollen“, betont Andree-Schwarz. Einrichtungen wie der „Girls and Boys Day“, bei dem Mädchen in klassische Männerberufe schnuppern können, würden die Hemmschwelle senken. „Warum sollen denn Jungs nicht Erzieher oder Kosmetiker werden?“, fordert sie weniger Denkbarrieren in den Köpfen.

„Das Geschlecht bestimmt nicht die Berufswahl, so bin ich erzogen worden“, berichtet sie. Gleiches Taschengeld für Jungen und Mädchen sei damals selbstverständlich gewesen. Genauso gebe es in ihrer Firma keinen Gender Pay Gap. „Unsere Gehälter sind nach Stellenbeschreibung definiert, nicht nach Geschlecht. Wir bezahlen leistungsorientiert“, stellt sie klar.

Erlerntes in der Betriebsorganisation anwenden

Gezwungen worden sei sie nie zu der Berufswahl, erinnert sie sich. Mit der Zeit habe sie sich mehr und mehr für die Firma interessiert. Als sie die Möglichkeit gehabt habe, das im Studium Erlernte in der Betriebsorganisation anzuwenden, habe sie Feuer gefangen. „Ich konnte das, was ich am Wochenende gehört hatte, direkt in der Praxis nachprüfen“, sagt sie. Am Anfang sei einige Überzeugungsarbeit nötig gewesen, um Veränderungen zu initiieren. „Da hat keiner gejubelt, wenn ein Mädel kam und sagte, ich will da was ausprobieren“, berichtet sie schmunzelnd.

Geholfen habe, dass ihr Vater dahintergestanden habe. Ihm sei klar gewesen, dass die Firma, wolle sie zukunftsfähig sein, sich verändern müsse. „Früher gab es keine IT“, gibt Andree-Schwarz ein einfaches Beispiel für notwendige Verbesserungen. In allen Abteilungen habe sie ihre Erfahrungen gemacht. „Ich kann auch an fast allen Maschinen arbeiten und habe den Gabelstaplerschein, hier können alle alles“, sagt sie.

Branche immer noch männerdominiert

Das habe nicht nur bei der Flut geholfen, als sie selbst oft auf dem Gabelstapler gesessen habe, sondern auch bei einer Coronawelle im Betrieb, als die Mitarbeiter aus dem Vertrieb an den Maschinen arbeiten mussten, um die erkrankten Kollegen zu vertreten.

Dabei sei ihre Branche immer noch männerdominiert. „Wenn ich früher mit meinem Vater auf Messen war, dann war allen klar, ich bin entweder die Sekretärin oder die Tochter“, erinnert sich die Unternehmerin. Meist reagierten die Kunden abwartend, wenn sie zum ersten Mal einer Frau als Verhandlungspartner gegenübersäßen. „Wir können dann mit Wissen überzeugen“, hat sie gelernt. Mittlerweile wandele sich das aber mehr und mehr.

Kein Homeoffice an den Maschinen

Die Möglichkeiten, Beruf und Familie unter einen Hut zu kriegen und auch einmal ein krankes Kind zu versorgen, haben sich durch das in den Coronazeiten eingeführte Homeoffice verbessert. Das selbstbestimmte Einteilen von Arbeitszeit biete Vorteile, das habe sie selbst als Mutter von zwei Kindern im Kindergartenalter erlebt. „In einem Unternehmerhaushalt gibt es außerdem keine Arbeitszeit von 8 bis 17 Uhr“, betont sie. Für sie persönlich sei es entspannt, Sachen am Abend nachzuarbeiten. „Aber ich würde es von keinem erwarten“, sagt sie. An den Maschinen sei Homeoffice dagegen leider nicht möglich. „Hier versuchen wir mit Teilzeit den Bedürfnissen entgegenzukommen“, so Andree-Schwarz.

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Denn immer noch sei die Betreuung der Kinder Frauensache. Bis zum Ende der Ausbildung gebe es Gleichheit zwischen den Geschlechtern, dann komme das Thema Familie auf. „Ich kenne keinen Mann, der zum Chef geht und sagt, wir müssen reden, wie das nach der Geburt meines Kindes weitergeht“, bedauert sie. Bei Männerdominanz sei die Frage nach Beruf und Familie kein Thema, ein Mann in Elternzeit oder mit einem Krankheitstag für sein Kind sei immer noch ungewöhnlich. „Ich würde mir wünschen, dass die Frage Frau und Beruf kein Thema mehr ist“, sagt Andree-Schwarz.

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