Gymnasium in der RegionSchüler beerdigen menschliches Skelett nach Jahrzehnten

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Die Schüler haben dem Skelett nun einen Namen gegeben: Ahn-Bian ist Vietnamesisch und heißt „geheimnisvoller Frieden“. 

  • Das Skelett einer unbekannten Frau hat in Schleiden viele Jahrzehnte lang als Demonstrationsobjekt im Biologie-Unterricht gedient.
  • Ein Evangelischer Religionskurs hat versucht, mehr über die Frau zu erfahren und ihr einen Namen gegeben.
  • Nun haben die Schülerinnen und Schüler die Unbekannte in einer interreligiösen Zeremonie begraben.

Schleiden – Wer immer Ahn-Bian gewesen ist, über mangelnde Aufmerksamkeit kann sie sich auch nach ihrem Tod nicht beklagen. Da sind nicht nur die Generationen von Schülern, denen viele Jahrzehnte lang anhand ihrer Knochen Kenntnisse über das menschliche Skelett vermittelt worden sind. Da sind auch die jetzigen Schüler des Johannes-Sturmius-Gymnasiums und zahlreiche Pressevertreter, die am Mittwochvormittag ihren letzten Gang begleiten, als handele es sich um die Beerdigung einer prominenten Persönlichkeit.

Tatsächlich sind es die sterblichen Überreste einer unbekannten Frau, deren Skelett als Demonstrationsobjekt im Biologieunterricht in Schleiden gedient hat.

Gymnasium Schleiden: Niemand weiß, wer die Frau gewesen ist

Einen Namen hat man ihr in all ihrer Zeit am Sturmius-Gymnasium nicht gegeben. Erst die Schüler des Evangelischen Religionskurses der Q1 haben sie während ihrer Bemühungen, näheres über die Frau herauszufinden, so getauft: Ahn-Bian, vietnamesisch für „geheimnisvoller Frieden“. Doch niemand wisse, wer diese Frau gewesen ist, deren Skelett im Biologieunterricht in Schleiden verwendet worden ist, so der evangelische Pfarrer und Religionslehrer Oliver Joswig.

Da auch keine Religionszugehörigkeit bekannt ist, haben die Schüler den von einem Bestatter gestifteten Sarg mit Symbolen der Weltreligionen geschmückt und für die Bestattung eine interreligiöse Zeremonie gewählt.

Johannes-Sturmius-Gymnasium: Seit Jahren ist ein Kunststoff-Modell im Einsatz

Menschliche Skelette im Biologieunterricht zu verwenden, sei normal gewesen, sagt Joswig. Zwar habe es im 20. Jahrhundert bereits Plastikskelette gegeben, doch deren Qualität sei zu schlecht gewesen: „Das hat sich aber mittlerweile geändert.“

Auch in Schleiden hat ein Kunststoff-Modell längst die Nachfolge angetreten, das echte Skelett ist seit Jahren nicht mehr im Unterricht zum Einsatz gekommen. „Ich habe es in den letzten zehn Jahren nicht verwendet“, so Andreas Schröder, Biologielehrer und Notfallseelsorger.

Schleidener Skelett 1952 für 600 Mark gekauft

Die Idee zu der Aktion ist in Schleiden entstanden, nachdem in Stolberg das Schulskelett beerdigt worden war. Von Religions- und Biologielehrern sei gleichermaßen die Initiative ausgegangen, dies auch in Schleiden zu tun, erklärt Joswig. Doch es habe es eine Zeit lang gedauert: „Das musste wachsen.“

Aufgegriffen haben die Anregung die Schüler des evangelischen Religionskurses Q1 – und sich auf die Spurensuche begeben. Doch viel herausgefunden haben sie über das Skelett nicht. Der einzige Hinweis stammt aus dem Archiv der Stadt Schleiden: Ein Eintrag von 1952 belegt den Kauf eines Skeletts für das Städtische Gymnasium für 600 D-Mark.

DNA-Analyse soll Hinweise auf Alter und Herkunft geben

Um vielleicht weitere Erkenntnisse über die Herkunft oder das Alter der Frau gewinnen zu können, ist bei der Sarglegung ein Zahn zurückbehalten worden, dessen DNA nun analysiert wird. Die Informationen, die dabei gewonnen werden, sollen auf einer Platte über dem Grab verewigt werden.

„Es war ein sehr ungewöhnlicher Unterricht“, sagt Schüler Jason Berson. Es sei spannend gewesen, sich auf die Spurensuche zu begeben. Er habe sehr viel über den Tod und die verschiedenen Religionen gelernt. „Das ist eigentlich der perfekte Abschluss“, sagt er.

Schleidener haben Beziehung zu der Frau aufgebaut

„Wir haben mittlerweile eine Beziehung zu der Frau aufgebaut“, so Carsten Schlott, katholischer Religionslehrer. Als er die Knochen des Skelettes auseinandergenommen und in den Sarg gelegt habe, habe er Ehrfurcht diesem Menschen gegenüber verspürt: „Ich fand es eine wundervolle Erfahrung, diesem Menschen eine Beerdigung zu schenken.“

Hinter dem von Jason Berson, Leon Hübner, Dino Halilic und Fabian Schneider getragenen Sarg hatten sich rund 150 Schüler zum Beerdigungszug formiert. Auf dem Evangelischen Friedhof hat Ahn-Bian nun ihre letzte Ruhestätte gefunden. Mit Musik, Beiträgen der Schüler und Ansprachen von Joswig und Schlott wurde die Feier gestaltet.

Zum Abschluss und als letzten Gruß an ihr einstiges Schulskelett, das nun wieder als Mensch behandelt worden ist, haben die Schüler noch etwas Erde auf den Sarg geworfen.

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„Ich finde das eine super Idee“, sagt der stellvertretende Bürgermeister Norbert Müller. Er selbst habe das Skelett noch im Biologieunterricht erlebt, als er 1969 an die Schule gekommen sei. „Damals war das einfach normal, ich habe nicht einmal gewusst, dass es echt war“, so Müller. Der Frau sei nun eine würdige Bestattung bereitet worden. „Die haben das toll gemacht“, freute er sich.

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