Kutsche für das Königshaus gefertigtDreiborner Gespannfahrer sattelt um

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Hochkonzentriert lauschen Libretto (l.) und D’ussuri den Anweisungen ihres Kutschers Reiner Wolter.

Hochkonzentriert lauschen Libretto (l.) und D’ussuri den Anweisungen ihres Kutschers Reiner Wolter.

  • Reiner Wolter ist passionierter Pferdefreund.
  • Bei einem renommierten Kutschenhändler hat er sich eine historische Kutsche gekauft.
  • Nun spannt er seine beiden Füchse D’ussuri und Libretto für historische Kutschfahrten ein.

Schleiden-Dreiborn – „Mit 68 Jahren wird man langsam zu alt für wirklich sportliches Marathon-Fahren“, sagt Reiner Wolter und lacht. Der Vorsitzende des Reit- und Fahrvereins Gemünd-Schleiden hat vor zwei Jahren nach vielen Erfolgen als Springreiter und später als Gespannfahrer ein neues Hobby für sich entdeckt. Natürlich eines mit Pferden, und natürlich mit einer Kutsche: Wolter spannt seine beiden Füchse D’ussuri und Libretto jetzt für historische Kutschfahrten ein.

Seit zwei Jahren ist er Mitglied im Deutschen Traditionsfahrer-Verband (DTV). Der passionierte Pferdefreund hat sich bei einem renommierten Kutschenhändler eine historische Kutsche gekauft, diese aufarbeiten lassen und nimmt seitdem an Traditionsfahrten teil. Und weil für den Dreiborner der Wettbewerb eben immer noch eine Rolle spielt, nimmt er auch an selbigen teil. So hat er beim CHIO, dem Weltfest der Pferde in Aachen, mit seinem Gespann jüngst einen vierten Platz belegt. In Warendorf wurde er mit seinem Gespann sogar Zweiter. Es geht darum, wie Gespann, Kutsche und Mannschaft aussehen – und um Geschicklichkeit, weil auch ein Parcours durchfahren werden muss.

Eine zum Aufsteigen nach hinten ausschwenkbare Sitzbank für Fahrgäste

Bei der Burgenfahrt zwischen Rheinbach-Waldau und Swisttal vor einigen Wochen ging es hingegen um nichts, aber es sei eine der schönsten Strecken in ganz Deutschland, wie Wolter anerkennend sagt. Da ging es durch den Kottenforst von Burg zu Burg, unterwegs war ein Picknick eingeplant.

Regelmäßiges Training ist Trumpf

Damit die Pferde von Reiner Wolter im Training bleiben und nicht nur eine Kutsche ziehen, trainiert der Pferdefachmann sein Gespann jeden zweiten Tag. Es geht darum, auch das Gespann vor dem Gefährt perfekt zu präsentieren. Auf der Kutsche sitzt auch Norbert Laukötter, mit dem Wolter als Gespannfahrer Erfolge errungen hat.

Ihm fällt natürlich auf, was Laien kaum bemerken. Etwa, dass Libretto mit seinen 16 Jahren schon alles kann, während der fünfjährige D’ussuri sich von seinem älteren Gefährten in die Linkskurven drücken lässt. Oder dass D’ussuri noch trabt, während Libretto, wie von Wolter per Kommando gefordert, schon längst galoppiert. Nach einer lockeren Runde um Dreiborn, damit die Muskulatur der Pferde warm und ihre Bewegungen geschmeidig werden, dreht Wolter seine Runden zwischen den Pylonen auf dem Rasen am Dorfrand. Hier testet er Schritt, Trab und Galopp. Hier überprüft er, ob die beiden Füchse, die vom Dressurpferd und Deckhengst Donnerhall abstammen, auf kaum sichtbare Anweisungen durch die Zügel reagieren. Die Peitsche setzt Wolter streichelnd ein.

Mal berührt die Peitschenschnur die Flanke des linken, mal die des rechte Pferdes. Die Tiere sollen halt in Bewegung bleiben. Die beiden Füchse sind dabei absolut gelassen und souverän, und lassen sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als am Rand einer Koppel ein Rind seinen Kopf unter dem Zaun durchsteckt.

Wolters Kutsche, ein um 1900 gebauter Phaeton Stanhope der Firma Utermühle aus Hildesheim, war mit dabei. Als Begleiter fuhren Wolter, Britta Heiter, Thomas Hansen und Norbert Laukötter mit. An der Picknickstation am Forsthaus Buschhoven packte das Quartett den historischen Picknickkorb aus. Kutschenfahrer Wolter erklärte den neugierigen Zaungästen und den Besuchern der Veranstaltung auch gerne, dass seine Kutsche etwas ganz Besonderes ist. Denn der Phaeton Stanhope hat eine zum Aufsteigen nach hinten ausschwenkbare Sitzbank für Fahrgäste sowie einen eisernen Tritt – eine Art Aufstiegshilfe für den Groom. Dabei handelt es sich um einen Pferdeknecht, der in früheren Zeiten den Herrschaften bei einem Halt behilflich war. Schließlich wurde Wolters Kutsche nicht für irgendwen gebaut, sondern einst für das Hannoveranische Königshaus. In Salzburg hat der Dreiborner die Kutsche aufarbeiten lassen, sodass sie noch jahrelang halten wird, obwohl die wichtigen Teile tatsächlich schon fast 120 Jahre alt sind. Die Holzteile mussten wie die Polster erneuert werden.

Hut oder Zylinder?

Neu ist auch die historischen Vorbildern exakt nachempfundene Kumt-Anspannung der beiden Pferde, die Wolter bei einem niederländischen Händler erworben hat. Er hat die Kumte, also die Lederkragen, die den Pferden umgelegt werden und an denen die Zugstränge befestigt werden, mit seinem Emblem und seinen Initialen verzieren lassen. „Altes Leder wird leicht brüchig, deshalb muss man die Geschirre in fast allen Fällen der Historie nachempfinden lassen“, so Wolter.

Weil Wolters Kutsche lackiert ist, ist sie für Fachleute eindeutig als Stadtgespann erkennbar. Deshalb trägt der Besitzer oder Kutscher auch einen Zylinder. Hätte er eine unlackierte Kutsche, wäre ein weicher Hut die richtige Kopfbedeckung. Und wenn der Besitzer selbst die Kutsche fährt, dann sind die Pferde mit silbernen Ketten mit der Deichsel verbunden. Fährt ein einfacher Kutscher im Auftrag seiner Herrschaften, dann sind Lederriemen vorgeschrieben. Feinheiten, die man in der Szene der Traditionsfahrer genau beachtet.

Wenn Wolter mit seinem Gespann zu einem Wettbewerb fährt, dann hat er seine Ehefrau und weitere versierte Helfer dabei, die die Besetzung auf der Kutsche komplettieren. „Es dauert, da wir unsere Pferde immer gestriegelt und geputzt im Transporter haben. In einem Nebenraum des Fahrzeugs hängt das vorbereitete Geschirr. Im Idealfall dauert es kaum mehr als 30 Minuten, bis wir starten können“, schildert der Kutscher, der dann ebenso seine historische Kleidung angezogen hat wie seine Fahrgäste. Wolter fährt meist mit sandfarbenem Zylinder oder mit Strohhut, einer sogenannten Kreissäge sowie einem beige-farbenen Frack.

Für den 68-Jährigen, der im Fahrsport schon fast alle möglichen Arten von Gespannen gefahren hat, steht jetzt noch eine große Herausforderung an: Er will in einem speziellen Lehrgang in Warendorf lernen, wie man in Tandem-Anspannung Kutsche fährt, also mit zwei hintereinander angespannten Zugtieren. Mit der Troika (drei parallel angespannte Tiere) oder in der Einhorn-Anspannung (ein Führungspferd, zwei Zugpferde) ist der Pferde-Fan schon unterwegs gewesen, außerdem vier-, zwei- oder einspännig.

Nur eine Traditionsfahrt steht für Wolter in diesem Jahr noch an: Die Dülmen-Klassik Ende September. Ansonsten sei er mit der historischen Kutsche und seinen beiden Pferden auch bei der großen Kutschen-Wallfahrt in Telgte zwischen Münster und Warendorf dabei.

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