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Sprung ins ArbeitslebenNEW gGmbH kooperiert mit Euskirchener Spedition

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Alle zufrieden: Daniel Claßen (2.v.l.), mit Vertretern der NEW, den neuen Mitarbeitern (in Orange) und Gruppenleiter Andreas Kattwinkel (mit gelber Weste).

Alle zufrieden: Daniel Claßen (2.v.l.), mit Vertretern der NEW, den neuen Mitarbeitern (in Orange) und Gruppenleiter Andreas Kattwinkel (mit gelber Weste).

Kreis Euskirchen – Jeder Mensch hat ein Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben. Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen wird diese Teilhabe oftmals in Förderwerkstätten ermöglicht, wie etwa an den vier Standorten der NEW-Werkstätten in Ülpenich, Kuchenheim, Zingsheim und Kall. Zurzeit sind dort 1170 Menschen mit Behinderung beschäftigt.

Der Weg hinaus aus dem behüteten Werkstatt-Umfeld hinein in die allgemeine Arbeitswelt– das ist für manch einen ein großer Ansporn. Maxime Kühn und Eduard Gotwig gehören zu denen, die es gewagt haben und nicht bereuen: Die beiden 20-Jährigen sind Teil der Gruppe ehemaliger Werkstattmitarbeiter, die jetzt bei der Spedition Berners in Obergartzem einen beruflichen Neuanfang wagen. „Es macht mir viel mehr Spaß, hier zu arbeiten“, erzählt Kühn. Kollege Gotwig fügt an: „Hier hat man mehr zu tun, ich kann verschiedene Sachen machen.“ Sein Ziel ist es, bald den Stapler-Führerschein zu machen, „und vielleicht auch den Autoführerschein“.

Anfangs Bedenken gehabt

Den Sprung zu wagen – das galt nicht weniger für den Firmenchef Daniel Claßen. Der Geschäftsführer gibt zu, dass er anfangs Bedenken hatte: „So eine Spedition ist kein Ponyhof, hier geht es schon mal rustikal zu.“ 210 Mitarbeitende hat seine Firma. In den großen Hallen lagern zahlreiche Waren, die per Lkw bundesweit und ins benachbarte Ausland transportiert werden.

Firmen gesucht

Zu den Kernaufgaben der Nordeifelwerkstätten (NEW) gemeinnützige GmbH gehört es seit mehr als 40 Jahren „Menschen mit Handicap beruflich und sozial zu integrieren“ – so steht es im Leitbild.

Für jene, die durch die Art und Schwere ihrer Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht unterkommen, werden Arbeitsplätze in den Werkstattstätten angeboten. Für andere besteht die Möglichkeit, einen betriebsintegrierten Außenarbeitsplätzen (BiAP) in einem Fremdunternehmen zu erhalten. Dort werden sie von Job-Coaches betreut, die auch die Unternehmen bei der betrieblichen Eingliederung beraten.

Derzeit haben etwa 60 Personen einen solchen betriebsintegrierten Außenarbeitsplatz – in Bäckereien, Senioreneinrichtungen, auf dem Pferdehof, im Museum oder in Kitas.

Neu hinzugekommen sind vergangenen Herbst die ersten Gruppenaußenarbeitsplätze für Menschen mit Behinderung. Fünf Mitarbeiter aus NEW-Werkstätten begannen bei der Spedition Berners mit ihrer Arbeit. Mittlerweile sind es elf Beschäftigte, die von einem NEW-Gruppenleiter betreut werden.

Interessierte Unternehmen aus der Region können sich mit der NEW in Verbindung setzen und mehr über die Beschäftigungsmöglichkeiten erfahren. (hn)

www.nordeifelwerkstaetten.de

Einige einfache Arbeiten, die dennoch gewissenhaft erledigt werden müssen, hatte Claßen zuvor an Leiharbeiter vergeben. Mittlerweile stehen hier die NEW-Mitarbeitenden und verschließen beispielsweise Edelstahlrohre beidseitig mit Plastikkappen, damit diese beim Transport sauber bleiben, oder erledigen Instandhaltungsreinigungen in den Hallen. „Es ist oft schwierig, Mitarbeiter für solche Arbeiten zu finden, vielen ist das zu eintönig“, weiß Claßen aus Erfahrung.

Glücklich mit Kooperation

Das Resümee, das der Berners-Geschäftsführer nach den ersten Monaten zieht, ist eindeutig: „Ich bin froh, dass wir die Hemmschwelle überwunden haben. Und ich bin sehr positiv überrascht worden, welches Leistungsniveau die neuen Mitarbeiter haben.“

Tatsächlich fanden sich nach und nach weitere Einsatzmöglichkeiten, sodass sich die Gruppe schnell vergrößerte. Angeleitet werden die Männer und die eine Frau von Andreas Kattwinkel. „Natürlich gab es anfangs eine gewisse Scheu auf beiden Seiten, mittlerweile hat sich das aber gelegt“, erzählt er. Auch das Berners-Team komme gut parat mit den neuen Kollegen. „In den Pausen stehen sie schonmal zusammen, trinken Kaffee oder rauchen“, freut sich Claßen.

Projekt seit 2019 in Planung

Doch wie kommt ein Betrieb wie Berners dazu, sich auf ein solches Experiment einzulassen? Da er mit der EuLog Service GmbH, dem NEW-Komplettdienstleister in Sachen Lagerwirtschaft und Transport, schon gut acht Jahre im Austausch stehe und man sich gegenseitig unterstütze, war der Weg kurz, erklärt Daniel Claßen. „Schon 2019 haben wir mit der Projektplanung gestartet, Corona hat dann alles verzögert.“

Was den Unternehmer besonders erfreut: Er hat mit Andreas Kattwinkel einen ständigen Ansprechpartner im Haus. „Darüber hinaus war die Umsetzung herrlich unbürokratisch. Die NEW kümmert sich um alles.“ Während etwa die Beantragung eines höhenverstellbaren Schreibtisches für einen Mitarbeiter schnell einen halben Aktenordner fülle, seien hierbei von seiner Seite zwei A4-Blätter auszufüllen gewesen.

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„Wir lassen niemanden allein“, verspricht NEW-Geschäftsführer Georg Richerzhagen, der sich wünscht, dass weitaus mehr Unternehmen in der Region den Schritt wagen und Menschen mit Behinderung Arbeitsplätze bieten. Die Bretter, die man bei der Suche bohren müsse, seien dick, aber „selbst jene, die große Bedenken hatten, sind positiv davon überrascht worden, wie viel Potenzial in diesen Menschen steckt.“

Und natürlich hat die Möglichkeit zur Teilhabe am allgemeinen Arbeitsleben enorme Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl der Menschen mit Behinderung, die sich als selbstwirksamen Teil der Gemeinschaft erleben und darüber hinaus auch noch mehr Geld in der Tasche haben. Das hat sich schnell herumgesprochen: „Die Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert, wir haben eine Warteliste an Interessenten aus den Werkstätten“, sagt Georg Richerzhagen. Jetzt braucht es nur noch mehr mutige Unternehmer wie Daniel Claßen.

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