VortragDemografie-Experte sieht grau als dominierende Haarfarbe im Kreis Euskirchen

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Wortgewandt und gestenreich schwor der Bergheimer Demografie-Experte Dr. Winfried Kösters die Zuhörer darauf ein, die Weichen für die Zukunft des Kreises Euskirchen zu stellen.

Wortgewandt und gestenreich schwor der Bergheimer Demografie-Experte Dr. Winfried Kösters die Zuhörer darauf ein, die Weichen für die Zukunft des Kreises Euskirchen zu stellen.

Eifelland – Mit den großen Fehleinschätzungen der Vergangenheit eröffnete Gastredner Dr. Winfried Kösters seinen Vortrag vor den Besuchern des Neujahrsempfangs im Kreishaus. Etwa der von Harry M. Waren, einem der Gründer der Filmfirma Warner Brothers. „Wer, zum Teufel, will Schauspieler sprechen hören?“, habe der 1927 zum Ende der Stummfilmzeit gefragt.

Oder die des IBM-Vorstandschefs Thomas J. Watson, der 1943 prognostizierte, dass es einen Weltmarkt für vielleicht fünf Computer gebe. Da habe Gottfried Daimler schon etwas besser gelegen, als er bei der Vorstellung seiner „Motorkutsche“ wegen des Mangels an Chauffeuren mit einem weltweiten Bedarf von lediglich einer Million Autos gerechnet habe.

Herausforderungen gilt es früh zu erkennen

Herausforderungen frühzeitig zu erkennen und dann richtig die Weichen zu stellen, so Kösters, erfordere „disruptives Denken“, also die Fähigkeit, sich von Standpunkten, Einstellungen oder Präferenzen kurzfristig zu lösen und urteilsfrei auf die andere Seite zu sehen.

Dass das nicht immer gelinge, zeige ganz aktuell das Beispiel der Insolvenz der Marmagener Eifelhöhen-Klinik: „Das Ding in einer Zeit, in der Reha-Einrichtungen und Kliniken Gelddruckmaschinen sind, an die Wand zu fahren, das bedeutet schon was.“

Dreh- und Angelpunkt ist die Digitalisierung

In der Zukunft, so mahnte Kösters, sei sowieso alles mit der demografischen Entwicklung verwoben: „Die dominierende Haarfarbe in der Gesellschaft wird Grau sein.“ Dreh- und Angelpunkt, um die Herausforderungen zu meistern, sei dabei die Digitalisierung.

Ob Klimawandel oder Globalisierung, Vernetzung, Pflegenotstand, Fachkräftemangel und Überalterung, Mobilität und Wohnen, Gesundheitswesen oder Pflegenotstand, Bildung und Integration – in all diesen Bereichen drehe es sich darum, disruptiv zu denken und die Weichen richtig zu stellen. Kösters: „Die Zukunft ist nicht mehr die Verlängerung der Vergangenheit. Ein ,Weiter so’ wird nicht funktionieren.“

Bahnanschluss ist in allen Kommunen auf der Agenda

Vielfach habe man genau das im Kreis bereits getan. Etwa beim ÖPNV. Kösters zitierte den Bergisch Gladbacher CDU-Politiker Wolfgang Bosbach: „Ich brauche das Flugtaxi nicht, mir reicht schon eine Bushaltestelle.“ Bereits 1994 habe Landrat Günter Rosenke den Bahnanschluss in allen Kommunen auf der Agenda gehabt und sich darum gekümmert. Mit der Reaktivierung der Bördebahn und der Oleftalbahn oder dem Busfahrerausbildungszentrum sei man im Kreis auf dem richtigen Weg.

Auch durch die Bildung der Pflegestützpunkte in Euskirchen und Schleiden oder des Runden Tischs zur Pflege habe man die Weichen richtig gestellt. Hier müsse man genauso die Verflechtungen, etwa bei der Digitalisierung, im Blick haben. Technische Unterstützung der Pflegekräfte oder robotische Assistenzsysteme im Bereich Wohnen im Alter seien ebenso wichtig wie ausländische Pflegekräfte. Es gelte, den Schulterschluss von Betroffenen, Beteiligten und Experten herbeizuführen.

Durch Natur, Umwelt und Sicherheit könne der ländliche Raum da zusätzlich punkten

Wohnen und Arbeiten seien gerade durch die Digitalisierung künftig nicht mehr voneinander zu trennen. Durch Natur, Umwelt und Sicherheit könne der ländliche Raum da zusätzlich punkten. Kösters fragte: „Wie können wir die Eifel zur Forscherregion machen?“

Die Zukunft, so der Experte weiter, werde durch das Miteinander der Generationen und Kulturen geprägt. Handlungsbedarf sehe er etwa bei der Schaffung familienähnlicher Solidar-Netzwerke. Und dass die Kreisverwaltung die Integration zur Chefsache gemacht habe, sei nicht nur im Hinblick auf das im März in Kraft tretende Fachkräftezuwanderungsgesetz bedeutsam: „Es kann doch nicht sein, dass sich heute 40 Prozent der Menschen nicht vorstellen kann, einem Zugewanderten eine Wohnung zu vermieten.“

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Auf dem Weg in die Zukunft sieht der Demografie-Experte aus dem Rhein-Erft-Kreis den Kreis Euskirchen schon gut aufgestellt. „Nutzen Sie die Wettbewerbsvorteile und die Kräfte, die Sie haben.“ Als Nachhaltigkeitsstrategie empfahl er dem Kreis, die drei T’s der Zukunft zu besetzen: „Machen Sie 2021 zum Jahr der Technik, 2022 zum Jahr des Talents und 2023 zum Jahr der Toleranz.“

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