Wiederaufbau im KreisNeuerungen für Private und Kommunen

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt (3)

Beim Wiederaufbau-Dialog wurden zahlreiche Themen angesprochen.

Kreis Euskirchen/Bad Münstereifel – 849 Millionen Euro Schaden an öffentlicher Infrastruktur, bewilligte 7,7 Millionen Euro für Privatpersonen aus dem Wiederaufbaufonds, 129 Tage nach der Flut, zahlreiche Bürgermeister, ein Landrat, eine Ministerin, ein Beauftragter für den Wiederaufbau – und vor allem ein Motto: Wir kommen besser und schöner zurück. Wenn denn der Spagat zwischen Schnelligkeit, Innovation und Nachhaltigkeit gelingt.

Dass er gelingen soll, wurde beim Wiederaufbau-Dialog, zu dem der Kreis Euskirchen nach Bad Münstereifel geladen hatte, deutlich. Das unterstrichen auch Fritz Jaeckel, Beauftragter für den Wiederaufbau in NRW, und NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach, die nach ihrem Besuch in Bad Münstereifel unter anderem noch in Nettersheim war, um sich vom Fortschritt des Wiederaufbaus zu überzeugen.

Gutachter

Ab einer Schadenshöhe von 50 000 Euro wird ein Gutachter benötigt. Gutachter sind aber Mangelware. Diejenigen, die es gibt, sind ausgelastet – gerade im Bereich der Unternehmen. „Wir stehen mit den Kollegen des Wirtschaftsministeriums im Austausch, dass wir eine Lösung wie bei den Privathaushalten hinbekommen“, so Scharrenbach. Privat Betroffene können Gutachten nachreichen, wenn sie den Schaden plausibel machen – beispielsweise mit Fotos. Das soll, so Scharrenbach, nun auch für Unternehmen möglich gemacht werden. Man nähere sich an, sagte sie.

Müll-Entsorgung

Laut der Ministerin wird die Frist für die Kommunen fürs Einreichen der Entsorgungskosten beim Land bis zum 30. Juni 2022 verlängert. Ursprünglich galt sie bis zum 31. Dezember. „Bis Ende Juni haben Sie dann aber bitte alle Rechnungen zusammen“, gab die Ministerin den Bürgermeistern mit auf den Weg.

Energiekosten

Beim Thema „Energiekosten im Zusammenhang mit Bautrocknung“ versicherte Scharrenbach, dass die angefallenen und weiterhin anfallenden Rechnungen für die Trocknung über den Wiederaufbaufonds geltend gemacht werden können.

Telekom

Die Telekom bekräftigte ihr Vorhaben, beim Wiederaufbau auf Kupferleitungen verzichten zu wollen. Stattdessen setze man auf Glasfaser. „Das ist kein Grund für Jubelstürme, weil Heizungen im Winter wichtiger sind, aber wir machen einen Schritt in eine moderne Zukunft“, so Dr. Frank Schmidt von der Telekom. Im gesamten Kreis sollen zudem die Technikstandorte überprüft werden. So sei klar, dass der Standort in Gemünd an der Urft nicht wieder aufgebaut werde.

Bahnverkehr

Dr. Norbert Reinkober, Geschäftsführer des Nahverkehr Rheinlands (NVR), nannte die neuesten Prognosen für die Wiederherstellung der Bahnstrecken. Die Strecke Rheinbach-Euskirchen soll bis Juni 2022 wieder am Netz sein, Euskirchen-Bad Münstereifel Ende 2023, Euskirchen-Mechernich im April 2022. Im Juni 2022 sollen die Züge von Mechernich nach Kall wieder fahren und von Kall bis zur Landesgrenze Ende 2023. „Wenn das alles so gelingen sollte, wäre das der Wahnsinn“, so Reinkober.

Fritz Jaeckel macht Schluss

Der Beauftragte für den Wiederaufbau in  NRW, Fritz Jaeckel, hört zum 30. November auf. Seine Arbeit in NRW sei abgeschlossen, und deshalb widme er sich wieder voll seinen Aufgaben als Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen, Münster.

Im Gespräch mit dieser Zeitung sagte  Jaeckel  zum Spagat zwischen schnellem Aufbau und Nachhaltigkeit: „Wir wollen mit einem gewissen Augenmaß den Wiederaufbau nach dem Stand der Technik ermöglichen – für Privatpersonen und Kommunen.“ Als Beispiel bracht Jaeckel die Gastherme an. Wenn die   7000 Euro gekostet habe, die nun gewünschte Wärmepumpe aber 12 000 Euro koste, könne die Differenz geltend gemacht werden. „Wenn ich nun aber eine Heizungsanlage für 45 000 Euro will, dann ist das kein Augenmaß mehr“, so Jaeckel.

 Härtefallregeln angekündigt

„Der Stand der Technik“ sei auch für Kommunen entscheidend, wenn sie etwas nachhaltiger und moderner aufbauen möchten, so der Experte. Das habe man mit dem Bund so ausgehandelt, darauf habe man sich  geeinigt. Zudem müsse die Bezirksregierung in Köln eine „Ermöglichungsbehörde“ werden. Dafür erhielt Jaeckel, der versicherte,  dass es viele Härtefallregelungen geben werde, großen Applaus.  Ein Härtefall sei beispielsweise das zwei Jahre alte Start-up, das logischerweise nicht die geforderten Lohnkosten der letzten fünf Jahre vorlegen könne. Da sei man in guten Gesprächen, so Jaeckel. (tom)

Kein Thema sei der zweigleisige Ausbau der Strecke Kall-Trier. „Dann fährt in den nächsten 30 Jahren dort kein Zug. „Wir wollen nicht möglichst viel bauen, sondern möglichst viel Angebote schaffen“, sagte er.

Hochwasserschutz

Dr. Bernd Bucher, Chef des Erftverbandes, verdeutlichte, dass, sollte der Erftverband die Steinbachtalsperre und den Mühlensee bei Kommern übernehmen, so der Hochwasserschutz verbessert werde.

Rudolf Westerburg, Bürgermeister von Hellenthal, sagte, dass auch im Südkreis das Hochwasser an den Gemeindegrenzen nicht haltmache. Entsprechend habe man interkommunale Maßnahmen für die Zukunft entwickelt. „Unser Bestreben ist eine möglichst hohe Förderung zu erhalten, weil unsere Arbeit Auswirkungen weit über unsere Grenzen hinaus hat“, so Westerburg.

Man sei in Sachen Förderung auf einem mühsamen Weg. Das liege aber nicht am Zusammenspiel der Gemeinden oder des Kreises, sondern an der Bezirksregierung. Die tue sich mit übergreifenden Förderungen schwer, so Westerburg.

Fünfjährige Verbleibefrist

Eine Hürde für Kommunen, die Manfred Poth, Leiter des Wiederaufbau-Teams in Kall, ansprach, ist die fünfjährige Verbleibefrist. „Als wir die Förderrichtlinie gestrickt haben, mussten wir immer Einfachheit gegen Sicherheit abwägen“, so Scharrenbach. Es dürfe nicht sein, dass jemand ein gefördertes Objekt sofort mit einem Überschuss verkaufe. Deswegen habe man die Verbleibefrist von fünf Jahren eingebaut.

Beim Ankauf von Objekten durch die Kommunen, beispielsweise für den Hochwasserschutz, sei man in Gesprächen mit der Landesregierung von Rheinland-Pfalz, um diesbezüglich gleich zu agieren. Mögliche Abrisskosten können Kommunen schon zeitnah über den Wiederaufbaufonds abrechnen, sagte die Ministerin.

Ausbildungsmarkt

„Die Flut hatte Auswirkungen auf den Arbeits- und Ausbildungsmarkt“, sagte Rainer Imkamp von der Agentur für Arbeit Brühl. Es sei wichtig, wieder in die Schulen zu kommen, um die Azubis von morgen direkt anzusprechen. Landrat Markus Ramers versicherte, dass man das Thema auf dem Schirm habe.

Kalls Bürgermeister Hermann-Josef Esser sagte: „Kommunen müssen vorangehen. Ich werde diese Woche ausloten, ob wir bei uns im Rathaus nicht einen dritten Azubi einstellen können.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Suche nach Experten

Am Montag startet das Land laut Scharrenbach einen Aufruf, um sogenannte Senior-Experts zu finden – also unlängst in den Ruhestand gegangene Städteplaner, Baurechtler oder Ordnungsrechtler. Diese können den Kommunen als Unterstützung zur Seite stehen. Wer zusätzliche Ingenieure oder Architekten einstellen möchte, könne die Kosten dafür über den Wiederaufbaufonds abrechnen.

Rundschau abonnieren