150 000 Euro StrafeHausarzt steht vor dem Ruin

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Ist es Galgenhumor? Eigentlich hat Dr. Jörg Blettenberg nichts zu lachen. Gegen den Lindlarer Arzt wurde ein Regress verhängt, der seine wirtschaftliche Existenz bedroht. (Foto: Schmitz)

Ist es Galgenhumor? Eigentlich hat Dr. Jörg Blettenberg nichts zu lachen. Gegen den Lindlarer Arzt wurde ein Regress verhängt, der seine wirtschaftliche Existenz bedroht. (Foto: Schmitz)

Lindlar – „Ich soll kaputt gemacht werden.“ Dr. Jörg Blettenberg ist verzweifelt. Weil er überdurchschnittlich viele  Heilmittel und Medikamente verschrieben hat, muss der Lindlarer Allgemeinmediziner seit August 2012 jeden Monat 4000 Euro an die Krankenkassen zurückzahlen. Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen, angesiedelt bei der Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein, hat gegen ihn einen Regress verhängt. Der beläuft sich allein für 2009 auf über 86 000 Euro, für 2010  sind es weitere 66 000 Euro.

Das Problem: Der Mediziner betreut  seit  Mitte 2008 die Bewohner von Haus Tannenberg in Gummersbach-Berghausen. Dort leben rund 120 psychisch kranke Menschen mit zum Teil schweren Krankheitsbildern. Ihre Versorgung ist besonders aufwendig – ein anderer Arzt war deshalb bislang nicht zu finden.

Die Kranken bekommen unter anderem   Ergotherapie, Logopädie und Krankengymnastik verschrieben. Das hilft auch, die Nebenwirkungen der notwendigen Psychopharmaka zu lindern. Bis Mitte 2008 wurden die Bewohner von Neurologen betreut. Kein Problem, denn Nervenärzte müssen bei Heilmitteln keine Höchstgrenzen einhalten. Doch Blettenberg ist Allgemeinmediziner, deshalb gilt für ihn ein striktes Heilmittel-Budget. Pro Patient und Quartal sind dies  5,03 Euro, pro Rentner 17,31 Euro (alle Zahlen für 2010). Summen, die bei Haus Tannenberg bei weitem nicht ausreichen.

Engagiert für psychisch kranke Patienten

Psychiatrisch werden die Bewohner von Haus Tannenberg vom Kreiskrankenhaus Gummersbach betreut. „Nur durch Kombination unserer wie auch der durch Herrn Blettenberg erbrachten Leistungen kann eine sozial verantwortliche und menschenwürdige Versorgung dieser Patienten erfolgen“, betonen die leitenden Ärzte der Psychiatrie am Kreiskrankenhaus.

Als Schmerztherapeut hat Dr. Blettenberg zudem viele Krebspatienten, deren Behandlung besonders teuer ist und die das Budget des Arztes weiter belasten. „Diese besondere Patientenstruktur ist von der Prüfungsstelle und dem Beschwerdeausschuss der Ärzte und Kassen  gar nicht  berücksichtigt worden“, beklagt Blettenberg.

Was dem Lindlarer Arzt besonders sauer aufstößt: Wenn ein Arzt sein Budget erstmals um mehr als 25 Prozent überschreitet, muss er von der Kassenärztlichen Vereinigung zunächst beraten werden, so sieht es ein neues Gesetz vor. Erst danach darf ein Regress verhängt werden.

„Diese Beratung aber hat es nie gegeben“, betont Rainer Kuhlen, der Blettenberg als Fachanwalt für Medizinrecht vertritt. Deshalb hat der Lindlarer Mediziner auch Klage am Sozialgericht Düsseldorf eingereicht. Doch diese Klage hat keine aufschiebende Wirkung.

Und so muss der Arzt weiterhin Monat für Monat 4000 Euro abstottern. Für den Vater von vier Kindern ein  Kraftakt, den er kaum bewältigen kann – von der nervlichen und zeitlichen Belastung, die das Verfahren mit sich bringt, ganz zu schweigen. Ein Protestbrief Blettenbergs an das NRW-Gesundheitsministerium wurde beantwortet – aber nur mit dem Vorschlag, die Entscheidung des Gerichts abzuwarten.

Vom harten Vorgehen  sind Blettenbergs Kollegen entsetzt. „Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigung betreiben ein übles Spiel mit engagierten Hausärzten und brechen Gesetzesnormen. Es ist absehbar, dass bei solchen Verhältnissen niemand mehr als Nachwuchs für hausärztliche Tätigkeiten gewonnen werden kann“, heißt es in einer Stellungnahme von Dr. Ralph Krolewski und Dr. Thomas Aßmann, Vorstand des Hausärzteverbandes Nordrhein/Kreisverband Oberberg.

„Wir arbeiten schon lange nach dem Grundsatz ,Beratung vor Regress’,“ erklärt Karin Hamacher, Sprecherin der KV Nordrhein. Doch die genaue Auslegung sei strittig, deshalb warte man die Entscheidung der  Gerichte ab.  Wegen des laufenden Verfahrens will sich die KV zum Fall Dr. Blettenberg nicht äußern.

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