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Zeitzeuge aus BergneustadtHeinz Jaeger erzählt Geschichten vom Jägerhof

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Der Hausherr als Zeitzeuge: Vor vollem Haus erzählte Heinz Jaeger von der Geschichte seines Jägerhofs in der Altstadt.

Der Hausherr als Zeitzeuge: Vor vollem Haus erzählte Heinz Jaeger von der Geschichte seines Jägerhofs in der Altstadt.

Bergneustadt – „Hier kannst du keine Katze mehr vor’n Arsch kloppen“, meinte ein Besucher angesichts der Enge im zum Bersten gefüllten Schankraum des Jägerhofs. Auch im Flur und selbst auf der Treppe ins Obergeschoss war kein freies Plätzchen mehr zu finden. Anlass für das Gedränge: Hausherr Heinz Jaeger erzählte im Rahmen der Themenreihe „Interessante Bergneustädter – „Geschichte(n) von Zeitzeugen“ von seiner eigenen und der Geschichte der Traditionsgaststätte am Rande der Altstadt. Walter Jordan, Leiter des Heimatmuseums, und die städtische Gleichstellungsbeauftragte Gitta Esch hatten den amüsanten Abend vom üblichen Veranstaltungsraum im Museum diesmal an den Ort des Geschehens verlegt.

Heinz Jaeger, seit 1982 in der dritten Generation Gastwirt im Jägerhof, erzählt kurzweilig die Geschichte des mehr als 250 Jahre alten, denkmalgeschützten Fachwerkgebäudes: Nach Angaben des Stadtarchivs wurde das Haus um 1760 gebaut. Typisch für diese Zeit seien die „Klönfenster“ neben der Eingangstür, durch die man schwatzen konnte, ohne im Winter die Kälte ins Haus zu lassen. Brezel, Fleischwurst, Bier- und Weinglas auf dem verschieferten Giebel symbolisieren die Nutzung des Gebäudes als Bäckerei, Metzgerei und Gaststätte.

Schänke und Metzgerei betrieben

1910 erwarb Jaegers Großvater Emil das Anwesen und betrieb neben der Schänke auch eine Metzgerei. Sein Vater Fritz führte den Betrieb ab 1938 fort und veranlasste umfangreiche An- und Umbauten. Im 2. Weltkrieg wurde der Saal als Munitionslager beschlagnahmt. In dieser Zeit diente die Gastwirtschaft auch als Schulraum. „In der kalten Jahreszeit musste jeder Schüler ein Brikett oder ein Scheit Holz mitbringen, um den großen Kanonenofen zu befeuern“, erinnert sich sein Vetter Horst Jaeger.

Nach der Nutzung als Lagerraum für Matratzen diente der große Saal wieder seinem eigentlichen Zweck, den Tanzveranstaltungen. Dabei seien besondere Lampen eingebaut worden, die die bügelfreien „Nyltest“-Hemden im Halbdunkel „so schön zum Leuchten“ brachten. Tanz im Jägerhof war auch immer an den Stadtgeburtstagen. Zuvor habe man in diesen Jahren den Losemundbrunnen präpariert, sodass der Wein aus einem von der Sparkasse gestifteten 50-Literfass aus den Hähnen des Brunnens gezapft werden konnte.

Fremdenzimmer als echtes Novum

Anfang der 60er Jahre wurden auch drei Fremdenzimmer eingerichtet. „Das war etwas ganz Besonderes“, schildert Jaeger, „jedes Zimmer hatte fließend Wasser – nur kalt natürlich!“ In dieser Zeit wurde auch der Spitzname „Glück-auf-Wirtschaft“ von den Gästen des Feuerwehrerholungsheims geprägt: „Wenn du Glück hast, hat der Jägerhof heute auf!“

Eine besondere Tradition bis heute hat das „Dobbeln“ an Silvester. Bei diesem Spiel wird in der Gastwirtschaft um einen Teller voller Würste gewürfelt. Jaeger erinnert sich an das erste „Dobbeln“ nach dem Krieg 1949: „Damals lag nur eine einzige Wurst auf dem Teller, und gewonnen hat die der Schneidermeister Budde. Meine Mutter hat sich fürchterlich aufgeregt, als er die an seinen Dackel verfüttert hat.“ Aber auch andere Tiere scheinen sich im Jägerhof ganz wohl zu fühlen. Einmal habe der berittene St. Martin sein Pferd mit an die Theke gebracht, und nach einer Wette der Stammtischbrüder habe plötzlich auch eine Kuh im Schankraum gestanden.

Walter Jordan gab zum Abschluss des Abends noch eine Anekdote aus der jüngeren Zeit zum Besten. Als er mit einigen Vertretern der Tourismusbranche im Jägerhof eingekehrt sei, habe einer seiner Gäste nach der Weinkarte gefragt. Darauf Jaeger ganz trocken: „Wenn Sie die Karte sehen, dann fangen Sie an zu weinen.“

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