Von Fußmarsch bis Auto-ReisewelleDie Geschichte des Reisens im Oberbergischen

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Heimatforscher Peter Ruland nahm seine Zuhörer mit auf eine anschauliche Reise in die Zeiten, als Reisen noch so richtig unbequem war.

Heimatforscher Peter Ruland nahm seine Zuhörer mit auf eine anschauliche Reise in die Zeiten, als Reisen noch so richtig unbequem war.

Engelskirchen – Peter Ruland ist leidenschaftlicher Heimatforscher. Im Alten Wolllager in Engelskirchen erzählte er anschaulich von der Geschichte des Reisens im Oberbergischen, vom Fußmarsch bis zur Auto-Reisewelle. Der Verein der Freunde und Förderer des Industriemuseums in Engelskirchen hatte eingeladen. Die Vorsitzende Maria Clever freute sich, rund 30 Gäste begrüßen zu können.

Das erste Bild zeigte die sogenannte Rummel-Karte von 1811, aus der „Vorphase“ des Reisens. Vergeblich sucht man die bekannten Verbindungsstraßen im Raum Engelskirchen. Es gab Pfade und Wege. Die hölzernen Karren der Fuhrleute hatten tiefe Rillen hineingegraben. Weicher Boden gibt nach. Es entstanden Hohlwege. Die Wegesränder reichten bis in Schulterhöhe.

Stehplatz im Güterwaggon

Das Reisen mit der Kutsche war eine kostspielige Tortur. Von Vergnügen war noch keine Rede. Es gab Zollschranken und Währungs-Durcheinander, karge Poststationen mit Strohsack-Lager – „aber man konnte viele Menschen kennenlernen“, sagte Ruland schmunzelnd. Selbst die Schnellpost brauchte drei Tage bis Berlin, drei Stunden bis Barmen. Friedrich Engels finanzierte die Straße nach Lindlar, um schneller voranzukommen.

Der Straßenbau in Preußen folgte den Aufmarschplänen, nicht den Reisewünschen. Wie kommt das Heer von West nach Ost? Seitdem ist der Unterhalt der großen Straßen Staatsangelegenheit. In Dörfern wie Lindlar wurden noch Hand- und Spanndienste angefragt. Am Rande der späteren B 55 lagen Steinhaufen, die zum Löcherstopfen benutzt wurden.

Ob Eisenbahn oder Fahrrad

Ab 1850 kam die Eisenbahn. Privatfirmen bauten sie aus, ohne Netz-Konzept. Nur die Industrieanbindung war wichtig. Arbeiterkolonnen wurden angeworben. Für den Tunnelbau kamen Italiener aus den Dolomiten. Die Bahn spiegelte mit ihren drei Wagenklassen die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Vom erstklassigen Plüschpolster bis zum Stehplatz im Güterwaggon – das war zeitweise die vierte Klasse.

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Das Fahrrad war eine Alternative: flexibel, individuell und anstrengend. Frauen hatten sich das Recht aufs Zweiradfahren gerade erkämpft. Die Straßen waren zumeist unbefestigt, staubig oder matschig, je nach Wetterlage. Die „Köln-Olper-Chaussee“ erhielt immerhin ein Holperpflaster.

Begrenzter Erfahrungsradius

Ab 1900 boomte die Tagesreise. Autos aus dem Kölner Raum brachten Touristen zu den „Perlen“ des Bergischen, nach Ründeroth oder Bielstein. Man fuhr ohne Verdeck und wirbelte enormen Staub auf. Oft wurden die Fahrer beworfen. In Wipperfürth wurde ein Bub erwischt, der mit einem Rollmops getroffen hatte.

Es wurde hektischer. In Hardt wurden an einem Wochenende 125 Autos und 50 Motorräder gezählt – pro Stunde! Aus der verpesteten Stadt kam man in die „Luftkurorte“, die man mit Lärm und Schmutz überzog. Engelskirchen beschaffte aus diesem Grund eigens einen Wasserwagen, um den Dreck zu binden. Die Orte putzten sich heraus, legten Wanderwege an, druckten Karten.

Und heute die „Flugscham“

Währen der Kriege wurde die Züge für Hamsterfahrten benutzt. Es kam zu Konflikten bis hin zu einem Kartoffelkrieg in Overath, bei dem zwei Tote zu beklagen waren. Ab 1953 war Oberberg Reiseland, punktete mit seinen Höhlen und der Aggertalsperre. Und die Eingeborenen bestiegen ihre Kleinwagen und eroberten die regionale Welt.

Um 1900 betrug der „Erfahrungsradius“ eines Landbewohners rund 50 Kilometer. Heute verbreitet sich die „Flugscham“. Für Peter Ruland steht fest, dass die Gegenwart nicht ohne ihre Geschichte zu verstehen ist.

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