Experte über Hitze in NRWWelche Gesundheitsgefahren bestehen an den heißen Tagen?

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Die enorm hohen Temperaturen stellen für jeden Menschen eine gesundheitliche Herausforderung dar. Wie bereitet man sich ideal vor?

  • Für Dr. Ralph Krolewski, Vorsitzender des oberbergischen Hausärzteverbandes, ist „Klimawandel und Gesundheit“ ein wichtiges Thema.
  • Mit Dr. Eckart von Hirschhausen hielt er dazu an der Uni Bonn einen Vortrag. Frank Klemmer sprach mit Krolewski über die Hitzewelle.
  • Welche besonderen Gesundheitsgefahren bestehen an den heißen Tagen? Wie kann man sich vorbereiten?

Was bedeuten Temperaturen wie in dieser Woche für den Körper?

Hitzewellen, bei denen es über mehrere Tage mehr als 30 Grad warm ist und wo es sich auch nachts nicht wirklich abkühlt, sind eine starke Belastung. Das Herz arbeitet schneller, weil der Körper mehr Blut braucht, um sich doch wieder abzukühlen und der Überhitzung entgegenzuwirken. Das kann gefährlich sein. Die Sterblichkeitsrate steigt deshalb bei solchen Hitzewellen insgesamt um bis zu zwölf Prozent des sonst üblichen und bei Risikogruppen um ein Mehrfaches.

Wer ist besonders gefährdet?

Zu den Risikogruppen gehören vor allem Senioren und Kleinkinder. Aber auch Menschen mit Herz-Kreislauf- oder Lungen-Erkrankungen, Diabetiker oder Demenzkranke sind gefährdet. Ihr Problem ist, dass ihr Körper die notwendigen Anpassungsleistungen nicht so schaffen, wie das bei einem gesunden Menschen möglich ist. Auch Medikamente sind ein Problem, weil sie oft zum Beispiel zu einem verringerten Durstgefühl führen oder das dringend notwendige Schwitzen hemmen. In meiner Gummersbacher Praxis gehören 50 Prozent der Patienten zu einer dieser Risikogruppen.

Was können Sie für Ihre Patienten tun?

Wir haben in der Praxis einen Hitzeaktionsplan entwickelt. Da geht es darum, Trinkwasser und Infusionslösungen bereitzustellen, aber auch um die Einrichtung von Kühlzonen. Meine Praxisräume liegen im Erdgeschoss, das heizt sich nicht so schnell auf. Aber nach einigen Hitzetagen ist auch da kein Entkommen mehr, wenn man nicht vorsorgt.

Wie können die Menschen sich selbst helfen?

Die klassischen Tipps sind viel zu trinken und Schatten zu suchen. Man sollte vermeiden, zwischen 11 und 17 Uhr in den Garten zu gehen oder zum Einkaufen – wie in den südlichen Ländern. Um den Körper herunterzukühlen, hilft es, sich mal zwei Stunden an einem kühlen Ort zum Beispiel im Keller aufzuhalten. Besonders gefährdet sind Alleinstehende: Wenn die zum Beispiel in ihrer aufgeheitzten Dachgeschoss-Wohnung kollabieren, bekommt das unter Umständen gar keiner mit. Hier sollte man über Hitzepatenschaften nachdenken – oder zumindest darüber, tagsüber häufiger Kontakt aufzunehmen, egal ob zu Angehörigen oder zu Nachbarn.

Sie sind nicht nur Hausarzt, sondern auch Mitglied im Klimaadaptationsnetzwerk des Bundesumweltamtes. Worum geht es da?

Das Netzwerk soll Klimavorsorgestrategien entwickeln – Maßnahmen, mit denen wir uns auf die Folgen des Klimawandels einstellen. Neben der Zunahme von Hitzewellen ist auch die von Starkregenereignissen bedeutsam und die Ausbreitung neuer Infektionen beispielsweise durch einwandernde Tigermücken. Ich bin seit März mit dabei und der einzige niedergelassene Arzt im Netzwerk.

Wie weit sind wir denn in Deutschland damit, uns auf die gesundheitlichen Folgen einzustellen?

Im internationalen Vergleich findet das in der deutschen Ärzteschaft und ihren Zeitschriften bisher nur wenig statt. Dort beschäftigt man sich mehr mit Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach SGB V und der Gesundheitsvorsorge. Im „British Medical Journal“ zum Beispiel ist das ganz anders. Auch deutsche Wissenschaftler sind Fachleute auf diesem Gebiet, aber ihre Ergebnisse publizieren sie in internationalen Fachzeitschriften in Großbritannien und den USA. Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Forschung habe ich mir selbst aus dem Englischen übersetzen müssen.

Was wäre zu tun?

Im Prinzip müssten alle Organisationen des Gesundheitswesens einen Hitzeaktionsplan erarbeiten. Das Gleiche gilt auf kommunaler Ebene für Behörden. Dazu gehört es zum Beispiel, öffentliche Räume als Kühlzonen und Zufluchtsräume zur Verfügung zu stellen – in Tiefgaragen, in gekühlten Bürogebäuden oder in Kirchen.

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