Faszinierendes Leben in OberbergWohngemeinschaft von Pilz und Alge

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OBERBERG – Was rennt da über die Wiesen, was blüht hier am Wegesrand, was schwirrt dort über den See? OVZ und Biologische Station stellen in einer Serie Arten und Phänomene vor, die uns in Oberberg aufgefallen sind.

Viele Flechten stehen auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Aber noch gibt es in Europa rund 2000 Varianten. Jeder hat schon einmal eine der farbenreichen Lebensformen gesehen, die von gelb über orange bis blau gefärbt sein können. Meist werden sie kaum beachtet, weil sie ein unscheinbares Dasein führen. Viele Menschen glauben sogar, dass es sich um eine Baumkrankheit handelt.

Doch Flechten sind keine Baumkrankheiten. Sie wachsen zwar häufig an Bäumen und Baumstümpfen, doch tun sie diesen nichts. Flechten benutzen die Bäume lediglich als Untergrund zum Wachsen und schützen sie im Gegenzug sogar vor dem Befall mit schädlichen Bakterien und Pilzen. Auch auf Steinen und seltener am Boden findet man diese Überlebenskünstler. Bei Flechten handelt es sich um eine Symbiose aus Pilzen und Algen oder Bakterien, die sich zu einem neuen Organismus zusammengetan haben, um sich gegenseitig zu helfen.

Pilzsporen, die eigentlich der Fortpflanzung von Pilzen dienen, treffen dabei auf eine Alge und bilden zusammen eine Flechte. Je nach Art verschmelzen sie manchmal ganz miteinander oder existieren nur dicht beieinander. Die Algen versorgen mit ihrer Fähigkeit zur Photosynthese den gesamten Organismus mit Nährstoffen. Die Pilze liefern im Gegenzug Wasser, das sie aus der Umgebungsluft aufnehmen, und schützen den Organismus durch ihre dunkle Färbung vor starker Sonneneinstrahlung und Austrocknung.

Dadurch können Flechten auch an extremen Standorten mit wenig Wasser und Nährstoffen und starker Sonneneinstrahlung überleben. Eine Besonderheit der Flechten ist, dass sie extrem schnell auf sich ändernde Luftverhältnisse wie Luftverschmutzung reagieren, weil sie ihr Wasser aus der Umgebungsluft ziehen.

Absterben der Flechten ist ein Alarmsignal

Das Absterben von Flechten kann uns Menschen also sehr schnell anzeigen, dass sich die Luftverhältnisse zum Negativen verändern. Da Flechten an extremen Standorten wachsen können, konkurrieren sie auch nicht mit Pflanzen. Sie wachsen im Gegensatz zu diesen extrem langsam und können sehr alt werden.

Ein Beispiel für eine Flechte, die im Oberbergischen sehr häufig vorkommt und auf den zweiten Blick beeindruckend aussieht, ist die Trompetenflechte (Cladonia fimbriata). Sie gehört zu den Strauch- und Blattflechten und wächst auf morschem Holz wie Baumstümpfen oder auf sandigen und lehmigen Böden mit hoher Lichteinstrahlung. Ihren Namen hat sie aufgrund ihrer Form: Ein etwa zwei Zentimeter langer Stiel mit einem becherförmig zulaufendem oberen Ende lässt die Flechte aussehen wie kleine Trompeten, die in die Luft ragen. (r)

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