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Foodsharing in WipperfürthGegen das Wegwerfen von Lebensmitteln

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Die Kisten mit Lebensmitteln packt Petra Steinbach in ihren Wagen. (Foto: Hunt)

Die Kisten mit Lebensmitteln packt Petra Steinbach in ihren Wagen. (Foto: Hunt)

Wipperfürth – Die Nacht hat die Wipperfürtherin Petra Steinbach durchgearbeitet, in einer Flüchtlingsunterkunft in Wiehl. Jetzt ist es Mittag und sie hat schon wieder eine Menge geschafft. Mit dem Hit-Supermarkt wurde telefoniert, nun geht es ans Kisten abholen und dann nach Meinerzhagen. „Seit ich Vollzeit in Wiehl arbeite, ist es schon ein bisschen komplizierter“, gibt die 52-jährige Wipperfürtherin zu. Das Foodsharing will sie aber nicht aufgeben.

20 Tonnen Lebensmittel werden weggeworfen

Das Prinzip Foodsharing ist simpel. Laut Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) werden bundesweit jährlich 20 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Genug, um alle Hungernden der Welt zweimal zu ernähren.

Dabei sind viele der Lebensmittel noch für den Verzehr geeignet, auch wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Die Foodsharer haben sich zusammengeschlossen, um Lebensmittel zu retten – und zwar auf ganz verschiedene Arten.

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Zum einen arbeiten sie mit Supermärkten zusammen und holen dort Essen ab, das nicht mehr verkauft werden kann. Zum Beispiel, weil die Packung beschädigt oder das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist. „Wenn die Nudelpackung kaputt ist, ändert das nichts am Inhalt“, sagt Steinbach.

Verschwendung vor allem im Privathaushalt

Noch mehr Essen kommt von Privatpersonen. „Wenn jemand in den Urlaub fährt und nicht weiß, was er mit den Lebensmitteln im Kühlschrank machen soll, kann er uns anrufen und wir holen sie ab“, erläuterte die Wipperfürtherin.

Das gesammelte Essen wird wiederum an alle verteilt, die mitmachen wollen. Erste Wahl haben die Foodsharer, die sich aktiv am Lebensmittelretten beteiligen. „Die investieren schließlich Zeit und auch Benzingeld“, so Steinbach, Foodsharing-Botschafterin für die Hansestadt. Danach kann jeder etwas abhaben, der Lust hat, mitzumachen. „Das hat nichts mit Bedürftigkeit zu tun“, sagt Steinbach „Es ist eine Sache der Wertschätzung. Die Generation meiner Eltern und Großeltern hat auch nichts weggeworfen.“ Dass Foodsharing kein Zeichen von Armut, sondern eine Lebenseinstellung sei, sei aber immer wieder schwer zu erklären.

Heute fährt Steinbach bis Meinerzhagen, um Lebensmittel aus dem Hit-Markt abzuholen. „Es ist schwierig, Supermärkte davon zu überzeugen, mitzumachen“, sagt sie. In Wipperfürth sei sie auf viel Widerstand gestoßen. Einzig Edeka Offermann habe sich bisher bereiterklärt, die Lebensmittel, die sonst im Müll landen würden, an die Foodsharer zu geben.

Von Joghurt bis hin zum Smoothie

An der Laderampe des Meinerzhagener Supermarkts erwartet sie Mitarbeiter Kai Maahsen. Steinbach gibt die Kisten, die sie vorher bei einem anderen Foodsharer abgeholt hat, bei ihm ab und Maahsen holt die gefüllten Kisten, die für die Foodsharer bereit stehen. „Besser, wir geben das Essen ab, als das es weggeworfen wird“, sagt Maahsen. Vier große Kisten, gefüllt mit Joghurt, Kräuterbutter, gefüllter Pasta, Grillkäse, Smoothies und vielem mehr, überreicht er. Nur Brot ist nicht dabei. Das wollen die Firmen zurückgeliefert haben. „Das ist natürlich schade“, sagt die 52-Jährige. Hindernisse gibt es überall. Allerdings ist Brot mittlerweile das einzige, was Steinbach noch kauft. Die Lebensmittel, die sie über das Foodsharing bekommt, reichen für alles andere. „Und man wird unglaublich kreativ, wenn es ums Kochen geht“, sagt Steinbach.

Die vier prall gefüllten Kisten seien eine eher magere Ausbeute. „Wir hatten schon mal 14 große Kartons“, erinnert sie sich. Und letztes Jahr ist sie nach Weihnachten mit rund 80 Kilo Schokolade nach Wipperfürth gekommen. „Da habe ich noch jede Menge an Flüchtlingsfamilien verteilen können“, erinnert sie sich.

Lebensmittel auch für Flüchtlinge

Vollgeladen mit Lebensmitteln wird das Auto – an der Seite klebt ein großer Foodsharing-Aufkleber – wieder nach Wipperfürth gebracht, zu Steinbachs Schwester Marietta Frielingsdorf.

Die gehört auch zum kleinen Wipperfürther Kreis der aktiven Foodsharer. Fünf Leute machen derzeit aktiv mit, Frielingsdorf ist heute mit dem Verteilen dran. Nachdem die Kisten ausgeladen sind, telefoniert sie herum, dann kommen die Foodsharer.

Ob berufstätig oder arbeitslos, alleinstehend oder Teil einer großen Familie ist egal. Jeder darf sich etwas aussuchen. Und auch wenn Steinbachs Stelle bei der Flüchtlingshilfe in Wiehl das Foodsharing derzeit anstrengender macht, hat es doch sein Gutes: Was übrig bleibt, wird an die Flüchtlinge verteilt, ganz nach Steinbachs Ziel. „Wenn auch das letzte Joghurt verbraucht wird, bin ich zufrieden“, sagt sie.

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