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ForschungsprojektWas ist noch übrig von den Dialekten im Oberbergischen?

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Oberberg – Die heiße Phase des Karnevals hat begonnen. Auch in Oberberg bricht damit wieder die Zeit an, in der die rheinische Mundart zur Umgangssprache wird. In Sälen und in Zelten wird op Kölsch gesprochen und gesungen. Dabei ist die „Kölsche Sproch“ vielerorts eigentlich eine Fremdsprache.

Das Oberbergische Land ist historisch gesehen ein multikulturelles Grenzgebiet. Das wirkt sich besonders auf die Mundart aus – besser gesagt: auf die Mundarten. Mehrere Sprachgrenzen führen durchs Kreisgebiet. Die wichtigste ist die so genannte „Benrather Linie“, die in Oberberg südlich von Wipperfürth und Gummersbach verläuft. Diese markiert eine so genannte Lautverschiebung. Südlich der Linie wechselte man vor 1000 Jahren zu „machen“, nördlich der Linie sagte man weiterhin „maken“. Dazu kommt die in Oberberg parallel verlaufende „Uerdinger Linie“, die den Wechsel von „ik“ zu „ich“ beschreibt, zudem die „Dorp-Dorf-Linie“, die den Morsbacher Osten abtrennt.

Drei größere Dialektregionen werden deshalb von den Experten unterschieden. In der Gegend zwischen Lindlar und Waldbröl wird ein „Ripuarisch“ gesprochen, das dem Kölschen sehr ähnlich ist. In Bergneustadt, Gummersbach und dem Nordkreis spricht man dagegen „Ostbergisch“, eine Spielart des Niederfränkischen. Der Osten der Gemeinde Morsbach wiederum gehört noch als Randzone zum Moselfränkischen. Dazu kommt noch der einstige Schulbezirk Bergneustadt-Belmicke, eine Enklave des Westfälischen.

Noch zu Mitte des vergangenen Jahrhunderts waren viel feinere Unterschiede verbreitet. Der Nümbrechter Heimatforscher Otto Kaufmann hat diese nach umfänglichen Feldforschungen 1965 dokumentiert. Etwa die landkölnische Prägung der Mundart im Gelpetal, das eigentlich zum Niederfränkisch-ostbergischen Sprachraum gehört.

Kaufmanns Forschungsergebnisse wurden 2002 zusammen mit Mundarttexten (und Hörproben auf einer beiliegenden CD) in dem Band „Mr willen us chätt verzeehlen“ (Gronenberg-Verlag) veröffentlicht. Der Titel des Buches ist Homburger Platt. Zum Vergleich: Der Kölner würde „Mer wolle us jet verzälle“ sagen.

Was hier „chott“ ist, gilt dort als „jutt“ oder „guet“

Der gutturale Reibelaut „ch“ für „g“ im Anlaut ist typisch für beide großen oberbergischen Mundarträume. Für „gut“ sagt man in Gummersbach und im Marienheider Westen „chott“, in Bergneustadt, Lieberhausen und im Marienheider Osten „chuet“, im Homburgischen und in Waldbröl „choot“ sowie im Reichshof „chutt“. Nur in der Gemeinde Engelskirchen heißt es „jutt“. Im Morsbacher Osten hört man „gout“, in Belmicke „guet“.

Dass auch im ripuarisch geprägten Südkreis nicht das kölsche „j“ regiert, ist laut Otto Kaufmann eine oberbergische Eigenart, weil es sich hier um ein sprachliches Rückzugsgebiet handelt: Das „ch“ist ein Relikt, das einst auch im Kölner Raum gegolten hat.

Doch die lokalen oberbergischen Dialekte drohen auszusterben. Als Ursache des Schwunds haben die Forscher schon damals unter anderem die Durchmischung der Bevölkerung – etwa durch den Zuzug von Ostvertriebenen nach dem Krieg – und den Einfluss der Massenmedien auf den Sprachgebrauch ausgemacht. Was vom oberbergischen Platt noch übrig ist, wollen Germanisten derzeit im Rahmen eines Forschungsprojekts herausfinden (siehe Text unten).

Schon zu Otto Kaufmanns Zeiten war die Mundart auf dem Rückzug. „Bei einigen Schwarzenberger Jungen“, bedauerte der Feldforscher in den 1960er Jahren, „kommt sie nur noch in der Erregung, bei Zank und Schlägereien zum Durchbruch.“ Er zitiert einen Derschlager Lehrer mit der Aussage über eine bekannte Lieberhausener Legende: „1930 verstand die Hälfte der Oberschüler noch die Sage vom ,Hick ut Libberhusen’, heute keiner mehr.“

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