Politik, Mitarbeiter und KundenKampf um Karstadt in Gummersbach geht weiter

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Stolze Mitarbeiter: Tausende  Kunden haben mit ihrer Unterschrift gegen die Schließung protestiert.

  • Auf einer Unterschriftenliste haben sich 5880 Kunden eingetragen, die Karstadt nicht verlieren wollen.
  • Derweil ist Gummersbachs Bürgermeister Frank Helmenstein von einem Treffen am Mittwoch in Düsseldorf zurückgekehrt.
  • Ergebnis: „Ein bisschen ernüchtert, aber dennoch dankbar, dass jetzt viel mehr Klarheit herrscht.“

Gummersbach – Jetzt erst recht: Mitarbeiter und Kunden haben das Gummersbacher Karstadt-Kaufhaus noch nicht aufgegeben. Seitdem am 19. Juni die Schließung bekannt wurde, brumme das Geschäft, versichert Betriebsratsvorsitzender Roland Brockhoff: „Wir sind die Filiale mit dem größten Umsatzzuwachs in ganz Deutschland.“

Auf einer Unterschriftenliste, die erst am vergangenen Freitagnachmittag eröffnet wurde, haben sich am Donnerstagnachmittag bereits 5880 Kunden eingetragen, die Karstadt nicht verlieren wollen.

„Schwarze Null reicht nicht“

Derweil ist Gummersbachs Bürgermeister Frank Helmenstein von einem Treffen am Mittwoch in Düsseldorf zurückgekehrt – „ein bisschen ernüchtert, aber dennoch dankbar, dass jetzt viel mehr Klarheit herrscht“. Ins Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes hatte Ministerin Ina Scharrenbach die Stadtoberhäupter der von Kaufhof- und Karstadt-Schließungen betroffenen Kommunen eingeladen und eine Telefonkonferenz mit dem Sachwalter im Schutzschirmverfahren von Galeria Karstadt Kaufhof, Dr. Frank Kebekus, organisiert.

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Helmenstein berichtet: „Es war ein sehr sachliches und konstruktives Gespräch.“ Kebekus habe den Bürgermeistern und Oberbürgermeistern deutlich gemacht, was für eine Fortführung der Warenhäuser in ihren Kommunen erforderlich sei. Helmenstein: „Die Perspektive soll sein, dass Gewinn gemacht wird. Eine schwarze Null reicht nicht aus.“

Sanierungsstau in Höhe von zwei Millionen Euro

Der Sachwalter sei die Standorte durchgegangen und habe konkrete Zahlen genannt. In Gummersbach etwa sei von einem Sanierungsstau in Höhe von zwei Millionen Euro die Rede gewesen. „Das ist aber erkennbar nicht der Fall“, sagt Helmenstein und erinnert an die zahlreichen Renovierungen der letzten Zeit. Diese will er Kebekus jetzt in einem weiteren Brief verdeutlichen: „Das Gebäude ist in einem funktional guten Zustand.“

Vom Konzern fordert der Bürgermeister, die Wirtschaftlichkeitslücke für Gummersbach konkreter zu benennen: „Es kann nicht sein, dass man immer nur sagt: ,Es reicht nicht.’ Wir wollen wissen, was wir tun müssen, damit es reicht.“

Konzern-Vertriebsvorstand kommt auf Einladung nach Gummersbach

Wie der Gummersbacher Betriebsratschef Roland Brockhoff berichtet, hat sich Konzern-Vertriebsvorstand Klaus Lipka auf seine Einladung für kommenden Dienstag in Gummersbach angesagt. Dieser sei das letzte Mal vor drei Jahren in Gummersbach gewesen und soll sich ein aktuelles Bild vom guten Zustand des Hauses machen.

Zur Vorbereitung dieses Gesprächs will sich der Bürgermeister am heutigen Freitag mit allen Beteiligten rund um Karstadt im Gummersbacher Rathaus treffen. Auch Landrat Jochen Hagt solle an dem Treffen teilnehmen. Die Zeit drängt, Helmenstein sagt: „Bis Ende nächster Woche brauchen wir eine Entscheidung.“

Entscheidung über Transfergesellschaft oder Kündigung

Denn bis dahin müssten die Gummersbacher Mitarbeiter entscheiden, wer in eine Transfergesellschaft wechselt oder eine Kündigung zum Zeitpunkt der Schließung am 31. Oktober in Kauf nimmt.

Noch wollen die wenigsten Mitarbeiter die Hoffnung aufgeben, sagt Betriebsratchef Brockhoff: „Von uns lässt sich keiner hängen, kaum einer hat sich seitdem krank gemeldet.“ Von Endzeitstimmung sei nichts zu spüren. Auch von einem Räumungsverkauf könne keine Rede sein, jeden Tag komme neue Ware rein. Wenn es mal Engpässe gebe, dann weil die Hersteller nicht liefern können.

Vermieter hat großes Entgegenkommen gezeigt

Brockhoff kann keinen vernünftigen Grund dafür erkennen, dass Gummersbach auf die Schließungsliste kam. Nach dem großen Entgegenkommen, das die Vermieter bereits gezeigt hätten, sei die Essener Konzernzentrale am Zug, meint der Mitarbeitervertreter: „Die Unternehmensleitung muss sich auf die Vermieter zubewegen.“

Die Papierziffern, die die Mitarbeiter am Vortag für den Pressetermin am Donnerstag gebastelt hatten, waren bald darauf nicht mehr aktuell: Nicht 5000, sondern  5880 Kundenunterschriften hatten die 80 Karstädter zu diesem Zeitpunkt schon gesammelt.  Was da in  weniger als  einer Woche zusammenkam, sei „eine unvorstellbare Zahl“, schwärmt Betriebstratsvorsitzender Roland Brockhoff (56), der selbst seit 39 Jahren für das Kaufhaus arbeitet. „Die Solidarität der Kunden ist riesengroß.“

Kunden wollen Unterschriftensammlung

Der Mitarbeitervertreter ist davon nicht überrascht, er wisse, dass es in Gummersbach einen außergewöhnlich hohen Anteil von Stammpublikum mit Kundenkarte gebe. Der Wunsch nach einer Unterschriftensammlung sei von den Kunden an ihn herangetragen wurden. Viele Menschen würden beim Unterschreiben das Gespräch suchen, um ihr Unverständnis auszudrücken: „Sie begreifen nicht, dass ein Haus, in dem so viel Betrieb herrscht, geschlossen werden soll.“

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So geht es auch  Heinz Kreiensiek, der das Haus von 1979 bis 2005 geleitet hat,  noch viele Mitarbeiter persönlich kennt und beim Pressetermin seine Solidarität zeigt:  „Wie sich der Konzern hier verhält, das ist nicht Karstadt-like.“

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