Abo

Sprachkurs für FlüchtlingskinderIntensivunterricht im LVR-Freilichtmuseum Lindlar

Lesezeit 4 Minuten
Beim Basteln mit Ute Honerkamp machten sich die Schüler mit den Ausdrücken der deutschen Sprache vertraut.

Beim Basteln mit Ute Honerkamp machten sich die Schüler mit den Ausdrücken der deutschen Sprache vertraut.

Lindlar/Gummersbach – Sie sind zwischen 10 und 16 Jahren alt, kommen aus Syrien, dem Kosovo, Rumänien und Kasachstan und haben eins gemeinsam: Sie tun sich schwer mit der deutschen Sprache, weil es nicht ihre Muttersprache ist. Sie sind aus Krisengebieten geflüchtet oder sind Kinder von Migranten aus dem EU-Ausland und besuchen die Gesamtschule in Gummersbach-Derschlag. Dort bekommen sie fünf Stunden in der Woche Extra-Deutschunterricht, ansonsten sitzen sie in ihren Klassen und verstehen wenig.

Um das zu ändern, kam Christa Joist auf die Idee, sich mit neun Schülern der 5 bis 9 in die Museumsherberge des LVR-Freilichtmuseums Lindlar zurückzuziehen und dort gemeinsam mit Lehrerin Gabi Birth und weiteren Betreuerinnen ein Fünf-Tage-Intensivtraining durchzuführen. „Diese Kinder erfahren von zu Hause oft keine Unterstützung, häufig ist ihr Aufenthaltsstatus nicht geklärt und zum Teil kommen sie auch aus schwierigen Wohnverhältnissen“, erklärt Joist, die sich einmal pro Woche ehrenamtlich um die Kinder kümmert.

Ruhe zum Lernen

Das Museum sei ein idealer Ort, um fünf Tage lang am Stück gemeinsam Deutsch zu lernen. Zum einen gebe es hier Abgeschiedenheit und Ruhe, die Kinder kämen heraus aus dem Alltagstrott. Zum anderen biete das Museum viele Möglichkeiten, Sprache im Wortsinn praktisch zu „begreifen“. „Man lernt einen Begriff viel schneller und leichter, wenn man den Gegenstand, den er benennt, in den Händen hält“, erklärt Lehrerin Gabi Birth. Wer selbst gebacken hat, vergisst den Begriff „Brot“ nicht so schnell.

Wichtig sei es, verschiedene Sinne anzusprechen. Und so ziehen die Kinder am Tag bei Führungen und Workshops durch das Museum und lernen durch Anfassen und und Selbermachen die deutsche Sprache zu erfassen. Am Abend wird versucht, das Begriffene in die Schriftsprache zu überführen. Das Alltagsleben wird zum Sprachunterricht. Es wird Gemüse geschält, gekocht und abgewaschen, und all diese Tätigkeiten werden dazu genutzt, Sprache erlebbar zu machen.

Experiment gelungen

Die Pädagoginnen um Kulturwissenschaftlerin Christa Joist wollen das gelungene Experiment, fremdsprachigen Schülern die deutsche Sprache in einem Intensivtraining zu vermitteln, gern fortsetzen.

Nach ihren Erfahrungen mit den Derschlager Schülern in Lindlar möchten sie andere Schulen zur Nachahmung animieren. „Es gibt ja noch andere LVR-Museen mit angeschlossener Herberge“, weiß Christa Joist. (ldi)

Dabei lernen die Lehrer und Betreuer auch durchaus etwas von ihren Schülern. „Man muss erstmal darauf kommen, warum ein Junge mit Arabisch als Muttersprache sagt: ,Gib mal Ball’ und nicht ,Gib mir mal den Ball’“, sagt Schulleiter Ingolf Weber. Das Arabische kenne nämlich keine Artikel. Das mache es für Menschen aus arabischen Ländern so schwer, „der“, „die“ und „das“ zu unterscheiden. Darum wurde die „DemeK-Methode“ (Deutsch in mehrsprachigen Klassen) entwickelt. Hier bekommt jedes grammatische Geschlecht eine eigene Farbe. An der Tafel steht dann „der Ball“ in blau, „die Heizung“ in rot und „das Brot“ in grün. Die Schüler können auf den ersten Blick erkennen, was männlich, weiblich und sächlich ist.

Redewendungen ein Rätsel

Auch Redewendungen sind für die Jungen und Mädchen ein Buch mit sieben Siegeln. Gabi Birth erklärt: „Wenn Sie denen sagen, am Morgen ist die Gruppe ausgeflogen, dann haben die keine Ahnung, was damit gemeint ist“. Solche sprachlichen Eigenheiten zu erlernen, daure sechs bis acht Jahre.

Auch Umweltpädagoge Stephan Hahn, der mit der wissenschaftlichen Volontärin Marie Kramm durch das Museum führt, hat jetzt einen ganz neuen Blick auf sein Angebot. „Viele Dinge, die wir für selbstverständlich halten, sind es für diese Kinder gar nicht. Die interessieren sich teils für ganz andere Dinge als unsere normalen Museumsgäste.“ So zeigen sie zum Beispiel ein viel ausgeprägteres Interesse an Tieren und allem Lebendigen. Deshalb war es für Hahn wichtig, seine Vorträge auf das Wesentliche zu reduzieren und auf Nachfragen eingehen zu können.

Das könnte Sie auch interessieren:

Schulleiter Ingolf Weber betont auch den emotionalen Aspekt der Freude. „Das Ganze ist für die Kinder ja ein Ausflug, ein Abenteuer, ein Spaß“. Und in einem so positiven Umfeld lerne es sich eben besser.

Rundschau abonnieren