Tätowierer in Oberberg„Es gibt Motive, die stechen wir nicht“

Lesezeit 4 Minuten
Tattoo_Cultistart_Dierke

Artur Wegelin (vorne) malt und zeichnet seit er 14 Jahre alt ist. Mit einem Mitarbeiter (hinten) betreibt er das Tattoostudio „Cultistart“ im Gummersbacher Stadtteil Niederseßmar.

  • Mit seinem Tattoostudio „Cultistart“ in Gummersbach hat Artur Wegelin die Kunst zum Beruf gemacht.
  • Davon, sich Tattoo-Trends wie Unendlichkeitszeichen oder Pusteblumen tätowieren zu lassen, raten die Profis ab.
  • Fast jeder seit heutzutage tätowiert, sagen Michaela Saal und ihr Mann Carsten. In Engelskirchen betreiben sie das „Dots and Lines“.

Oberberg – Die Umrisse des Waldes ranken sich um seine Unterarme. Nur wenn er den schwarzen Pulli ein Stück nach oben zieht, erkennt man den ganzen Umfang des Tattoos. Artur Wegelin aus Ründeroth ist 32 Jahre alt. Seit er vierzehn ist, malt und zeichnet er. Mal mit Kohle, mal mit Öl oder Acrylfarben. Er sagt: „Ich wollte immer schon mit Kunst Geld verdienen.“ Seit zwei Jahren bringt er seine Kunst sogar unter die Haut, in seinem Tattoostudio „Cultistart“ in Gummersbach.

„Hier gibt es kein Tattoo zweimal“

Als er den Laden eröffnete, versteckte er sein Gesicht noch hinter einer goldenen Maske, die jetzt noch zur Zierde im Tattoostudio steht. Warum die Verkleidung? Seine Oma nannte ihn „Goldjunge“. Und auffallen wollte er. Das funktionierte gut: „Die Leute sind neugierig geworden und kamen hier ins Studio, um sich das alles einmal anzusehen.“ Mittlerweile hat Wegelin nicht nur die Maske ausgezogen, seine Kunden kommen aus ganz Deutschland, um sich von ihm tätowieren zu lassen. Manchmal auch aus Großbritannien.

Tätowierungen

Der Beruf des Tätowierers ist nicht geschützt und bedarf demnach keine eigene Ausbildung. Häufig werden Tätowierer durch Bekannte aus der Szene an den Beruf heran geführt oder begabte Zeichner bewerben sich in Tattoostudios, die eine eigene Ausbildung anbieten. Tätowierungen gelten als eine Körperverletzung und dürfen daher nur mit dem vorherigen Einverständnis gestochen werden.

Die Einhaltung der Hygienestandards überprüft das Gesundheitsamt regelmäßig einmal im Jahr und ohne Voranmeldung. (ebu)

Was sein Studio besonders macht? „Hier gibt es kein Tattoo zweimal. Wir zeichnen jedes Motiv individuell. Danach wird die Vorlage vernichtet, oder ausgestellt.“ Viele Vorlagen solcher Motive hängen eingerahmt in seinem Laden, den er gemeinsam mit einem Mitarbeiter betreibt. Doch es gäbe auch Wünsche, die immer wiederkehren.

Von Mode-Tattoos rät Wegelin ab

Wegelin seufzt: Vor allem Unendlichkeitszeichen oder Pulsschläge seien sehr gefragt. „Ich rate den Leuten davon ab.“ Denn oft kämen die dann Jahre später wieder, um sich genau diese Symbole „covern“ zu lassen. „Cover-Up“ nennt man Tattoos, die alte unbeliebte Bilder auf der Haut überdecken sollen. Wegelin sagt: „Die Tattoos, die ich steche, sollen eine Geschichte erzählen.“

Dass es immer wieder Trends bei Tattoo-Motiven gibt, sagt auch Klaus Vollmann vom Tattoostudio „No Return“ in Waldbröl. Meist dauert eine solche Mode drei bis vier Jahre an. „In den Neunzigern ging es los mit den Tribals auf dem Steißbein, dem sogenannten Arschgeweih“.

Dann kamen chinesische Schriftzeichen. Danach die Endlosschleifen und dann Pusteblumen, die zu Federn werden. „Einen Trend gibt es immer.“ Wie er sich das erklärt? „Irgendein Promi fängt damit an und dann machen die Leute das nach.“

Carsten Saal arbeitet mit der Maschine, seine Frau mit „Handpoking“

Doch Trends seien nicht der einzige Grund, warum Menschen sich tätowieren ließen. Die Motivation sei so unterschiedlich wie seine Kunden, sagt Vollmann. „Vom Staatsanwalt bis zum Schwerkriminellen, von Winnie Pooh bis zum Totenschädel ist alles dabei. Meine älteste Kundin war 69 Jahre alt. Da sieht man, dass das mittlerweile in der Gesellschaft angekommen ist.“

Das bestätigen auch Carsten und Michaela Saal von „Dots and Lines“ in Engelskirchen. „Man kann sagen, dass heutzutage fast jeder tätowiert ist.“ Wie ein Tattoo am Ende aussieht, hänge aber auch vom Stil der Tätowierer ab. Carsten Saal sticht etwa klassische schwarz-graue Tattoos mit der Maschine unter die Haut.

Seine Frau Michaela hingegen tätowiert im Stil des sogenannten „Handpoking“. Das heißt, sie bringt jeden Punkt des Tattoos mit einer einzigen Nadel einzeln unter die Haut. Das dauere natürlich länger, aber: „Die Motive sind viel filigraner, halten länger und tun weniger weh“. Auf diese Art und Weise haben sich die Menschen schon vor Jahrhunderten Bilder unter die Haut gestochen.

Politische und extreme Symbole verweigern die Tätowierer

Die 52-Jährige wurde über Umwege Tätowiererin. Bevor sie ihren Mann kennenlernte, hatte sie als Heilpraktikerin eine eigene Praxis. Dann verliebte sie sich und zog nach Engelskirchen. Durch den Beruf ihres Mannes wurde sie neugierig. „Für traditionelle Kunst habe ich mich schon immer interessiert, da lag es nahe, das Tätowieren mal auszuprobieren.“ Aus ganz Nordrhein-Westfalen kommen Menschen zu den Saals, um sich tätowieren zu lassen.

Das könnte Sie auch interessieren:

In einem Punkt sind sich die Tätowierer einig: „Es gibt Motive, die stechen wir nicht.“ Wegelin: „Nichts Politisches, nichts Anzügliches und keine Minderjährigen.“ Auch für Carsten und Michaela Saal sind politische und extreme Symbole tabu. „Aber auch alles, was gegen Moral und Ethik verstößt. Da ist uns das Geld egal.“

Rundschau abonnieren