Todkrankes KindKinderhospiz Olpe gibt Anita Gerber Kraft und Unterstützung

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Im Kinderhospiz Balthasar findet Anita Gerber immer ein offenes Ohr und erfährt viel Unterstützung, wenn sie mit ihrem schwerstkranken Sohn Benjamin zu Besuch ist.

Im Kinderhospiz Balthasar findet Anita Gerber immer ein offenes Ohr und erfährt viel Unterstützung, wenn sie mit ihrem schwerstkranken Sohn Benjamin zu Besuch ist.

Gummersbach/Olpe – „Du bist mein großer Held.“ Liebevoll umfasst Anita Gerber die verkrampften Hände ihres Sohnes. Tränen schimmern in ihren Augen. „Wir schaffen das!“, fügt sie hinzu und versucht zu lächeln. Und der Elfjährige verzieht das Gesicht, als bemühe er sich, die tapfere Zuversicht seiner  Mutter  zu teilen. Benjamin ist krank. Todkrank. Und es ist ungewiss, wie lange er noch zu leben hat.

Dass es so entspannte Momente mit ihrem Kind geben kann, verdanke sie dem Kinder- und Jugendhospiz in Olpe, sagt die Gummersbacherin. Dort tankt sie immer wieder Kraft. Viermal im Jahr fährt sie mit ihrem Sohn für eine Woche in den Nachbarkreis. Hier hat sie gelernt, jede verbleibende  Minute mit Benjamin zu genießen, und dabei finden sie und ihr Junge Unterstützung, für die sie zutiefst dankbar ist.

Nur einmal „Mama“ gesagt

Gerade sind die beiden wieder eingetroffen. Im lichtdurchfluteten Aufenthaltsraum des Hospizes erzählt sie von ihrem Baby, das zu früh und mit schweren Behinderungen auf die Welt kam, deren Ausmaß erst deutlich wurde, als der Kleine drei Jahre alt war und eine Lungenentzündung bekam. „Er hat nur ein einziges Mal ,Mama’ gesagt, das war vor der Erkrankung. Den Tag werde ich nie vergessen!“

Anita Gerber schluckt schwer bei der Erinnerung. „Danach konnte er nicht mehr sprechen. Als ich ihn nach sieben Monaten stationären Aufenthalts nach Hause holte, gaben mir die Ärzte mit auf den Weg, dass jeder Krampfanfall der letzte sein könne.“

Ehe zebrach

Bis dahin lief alles ganz „normal“: Beruf, Ehe, Schwangerschaft. Danach stand in ihrem Leben kein Stein mehr auf dem andern. Die Ehe zerbrach, Freunde zogen sich zurück, die Fachkraft für Ver- und Entsorgen  konnte nicht mehr arbeiten, als alleinerziehende Mutter musste sie sich neu orientieren, um für Benjamin da zu sein.

Das war vor acht Jahren. Damals kam sie mit ihrem Sohn  zum ersten Mal ins Kinderhospiz. Wie alle Kinder, die hier betreut werden, hinterließ er damals seinen Fußabdruck an einer langen, bunten Wand voller Hände und Füße anderer Kinder. „Damals hätte ich nicht geglaubt, dass wir heute immer noch zusammen sind“, gesteht die 42-jährige.

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Hospiz bot Sicherheit

Vom Tag der Diagnose an können Familien die Unterstützung des Hospizes in Anspruch nehmen: Entspannungsmöglichkeiten,  Beratung, Therapien und Ausflüge, um auf andere Gedanken zu kommen, Spaziergänge und  Betreuung für das Kind, sodass die Angehörigen zur Ruhe kommen, eine Auszeit nehmen können, Sicherheit, sich aufgehoben fühlen.

Auch der ungezwungene Kontakt zu anderen betroffenen Familien tue gut, so Gerber. „Ich war heute im Drogeriemarkt“, schwärmt sie so begeistert, als habe sie gerade eine Kreuzfahrt unternommen. Eine kleine Freude? „Das Hospiz ist besser als jede Reise nach Mallorca!“

Eines Tages wird Gehirn versagen

Zu Hause in Gummersbach erhält sie Unterstützung durch einen Pflegedienst und einen ambulanten Kinderhospizdienst. Aber viele Stunden am Tag ist sie mit ihrem Sohn allein. Die Mutter weiß, dass Benjamins Krankheit fortschreitet, dass eines Tages sein Gehirn versagen wird. „Ich hoffe, dass wir nicht allein zu Hause sind, wenn es zu Ende geht. Aber ich weiß, dass ich dann jederzeit hierher ins Kinderhospiz  kommen kann.“

In Olpe möchte sie von ihrem Sohn Abschied nehmen, hier weiß sie, dass sie Begleitung und Unterstützung findet. Auch später noch. Draußen, im Garten, drehen sich gerade leuchtend rote Windräder. Auf jedem Flügel steht der Name eines verstorbenen Kindes, das hier betreut wurde und unvergessen ist. Hier wird auch einmal Benjamins Name stehen. „Aber ich hoffe, dass wir bis dahin noch viele schöne Tage haben!“, sagt Anita Gerber und zaust ihrem Sohn die Haare.

Kinder- und Jugendhospiz

Balthasar – Das Kinder- und Jugendhospiz in Olpe wurde vor 20 Jahren als erstes Kinderhospiz in Deutschland gegründet. Mehr als 800 Familien wurden seitdem hier betreut, darunter auch  viele aus dem Oberbergischen Kreis. Es gibt acht Plätze für Kinder, vier Plätze für Jugendliche, jeweils mit ihren Familien.  Ziel ist es, sie bei der Trauerarbeit zu begleiten, nicht erst in der letzten Lebensphase.

Dazu gehören auch schon die Zeit unmittelbar nach der Diagnose, die Begleitung während der  Zeit, wenn das Kind nach und nach alle Fähigkeiten verliert und sich schrittweise dem Tod nähert, und schließlich die Begleitung beim Sterben. Auch danach können Angehörige Unterstützung erfahren. Es geht auch darum, mit vielfältigen  Angeboten  so viel Lebensfreude wie möglich zu ermöglichen, damit die verbleibende Zeit für die Familien erfüllt ist.

Pflegesatz reicht nur für Hälfte der Kosten

Das Hospiz bekommt pro Tag und Kind einen Pflegesatz, aber der reiche, so Öffentlichkeitsreferentin Nicole Binnewitt, nur für die Hälfte der Kosten. Trauerarbeit, schmerztherapeutische Beratung oder Musiktherapie seien damit nicht abgedeckt. „Eine Million Euro wird  jährlich  durch Spenden aufgebracht. Ohne die große Unterstützung aus der Region, und dazu gehört auch das Oberbergische, gäbe es uns nicht.“

Am 8. Juli gibt es zum 20-jährigen Bestehen ein großes Sommerfest.  Außer dem Haus, das „eine Herberge auf dem Weg“ sein soll, gibt es weitere Angebote: Thalita, das Trauerzentrum für Kinder im Alter von sieben bis zwölf Jahren, die ein Elternteil oder ein Geschwisterkind verloren haben, einen Chatroom (kontakt@klartext-trauer.de) und ein Sorgentelefon, (0800) 5 89 21 25 für Jugendliche, und einen Koffer mit Materialien für die Grundschule zum Thema „Abschied, Tod und Trauer“. Ein Kontakt ist per E-Mail möglich. Weitere Informationen finden Sie unter www.kinderhospiz-balthasar.de.

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