Lkw-Fahrer in der Corona-KriseStundenlanges Warten und geschlossene Rasthof-Toiletten

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Improvisieren müssen Lkw-Fahrer wie der Rumäne Trajan, der sich auf dem Rastplatz selbst bekocht.

Improvisieren müssen Lkw-Fahrer wie der Rumäne Trajan, der sich auf dem Rastplatz selbst bekocht.

  • Lkw-Fahrer sind in der Corona-Krise wichtiger denn je. Sie sorgen dafür, dass Regale gut gefüllt.
  • Doch gleichzeitig hat sich für sie einiges verändert. Toiletten und Raststätten sind oft geschlossen, an den Grenzen warten sie oft stundenlang.
  • Deshlab helfen sich die Lkw-Fahrer am Rastplatz Aggertal gerade selbst. Wir haben mit ihnen gesprochen.

Oberberg – Sie sorgen dafür, dass in den Geschäften die Regale wieder aufgefüllt werden, dass es trotz Hamsterkäufen wieder Mehl und Toilettenpapier gibt und dass die Industriebetriebe, die noch arbeiten, Material, Maschinen und Ersatzteile bekommen: Auf den Autobahnen gehörten die Lkw-Fahrer in den vergangenen Wochen zu den Wenigen, die noch ständig unterwegs waren. Aber auch ihr Alltag sieht zurzeit ganz anders aus als sonst.

„Jetzt bin ich Küchenmeister. Dann heißt es wieder: fahren, fahren, fahren, fahren!“ sagt Trajan. Der Fahrer aus Rumänien hat auf dem Parkplatz des Rasthofes Aggertal vor seinem 40-Tonner eine provisorische Küche aufgebaut. Eine Kiste hält den Wind vom Gaskocher ab, im Topf brodelt eine Suppe. Lebensmittel hat er für eine ganze Woche eingekauft. Nebenan hat der Kollege aus Polen seine Vorräte im Bauch des Lkw gebunkert, ein Stück weiter haben zwei Fahrer einen Campingtisch aufgebaut. Die Gastronomie im Rasthof ist wie die in allen anderen Rasthöfen immer noch geschlossen.

Corona-Krise: Stundenlang an den Grenzen warten

Die Fahrer der rund 40 Lastwagen, die hier stehen, versorgen sich selbst. Trajan hält hier zwei Tage lang seine vorgeschriebene Ruhezeit ein. Noch vor dem Lockdown ist er aus Rumänien gekommen. Drei Monate lang ist er nun ständig unterwegs zwischen Deutschland, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz. Dort hat er neulich einen ganzen Tag lang an der Grenze gestanden, ehe er passieren durfte. „Am Freitag waren es zum Glück nur fünf Stunden“, erzählt er.

Nach Hause nach Rumänien will er vorerst nicht, weil er fürchtet, dass er dann nicht mehr nach Deutschland zurückkehren kann. Eine Sorge, die nicht unbegründet ist. „Wir haben einen polnischen Fahrer, der wurde in Polen sofort 14 Tage in Quarantäne geschickt, weil er aus Deutschland gekommen ist“, berichtet der Waldbröler Spediteur Peter Peisker.

Oberberg: Spediteur hofft auf neue Kunden

Von seinen 35 Lastwagen steht zurzeit ein Drittel auf dem Hof, das bedeutet Kurzarbeit für die 40 Fahrer. Diejenigen, die unterwegs sind, beliefern nicht wie sonst die Automobilindustrie, weil dort die Produktion fast vollständig ruht. Stattdessen sei die Nachfrage von Baumärkten riesengroß, so der Spediteur. „Wir fahren zurzeit auch viele Lebensmittel, was wir sonst nicht tun. Da fallen viele Speditionen und Fahrer aus Osteuropa komplett aus und wir springen in die Bresche.“

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Er hofft, dass sich das normale Geschäft belebt, wenn in diesen Tagen die Automobilindustrie und damit auch ihre oberbergischen Zulieferer wieder ihre Produktion hochfahren. Seitenlange ausführliche Anweisungen zum neuen Fahrer-Alltag unter verschärften Hygiene- und Abstandsregeln hat er schon bekommen.

Aber auch potenzielle neue Kunden aus dem Bereich Medizin und Medizintechnik unter anderem aus Oberberg haben schon angefragt: „Die sind jetzt offenbar im Aufwind.“

Das sagen die Lkw-Fahrer aus Oberberg zur Corona-Krise

Arnd Ising (50), Reichshof: „Ich fahre für eine Logistikfirma, die ihren Hauptsitz in Norditalien hat. Dort ist zurzeit alles geschlossen. Kein Lkw darf auf dem Hof stehen, alles muss von den Filialen aus geregelt werden. Wir dürfen dort das Büro mit den Papieren nicht mehr betreten.

Die Kommunikation findet so gut es geht per E-Mail statt. Ich bin froh, dass ich mit meinem Lkw komplett Selbstversorger bin. So muss ich mich nicht der oft prekären Situation an Rasthöfen aussetzen. Allerdings hat die Firma jetzt Kurzarbeit angemeldet. Ich transportiere vor allem große Maschinen, gerade habe ich einen drei Meter breiten Roboter gefahren, dann eine Lebkuchenmaschine in Nürnberg ausgeliefert. Toll ist, dass ich gerade überall freie Fahrt habe – jedenfalls fast! Vergangene Woche musste ich nach England, da gab es in Calais zwölf Kilometer Stau wegen der Gesundheitskontrollen.“

Torsten Genz (46), Bergneustadt: „Vor Corona verging kein Tag ohne Stau. Manchmal verliere ich da drei, vier, fünf Stunden, dann gibt es ein Problem mit den Lenk- und Ruhezeiten. Jetzt komme ich überall gut durch, selbst zu den Hauptverkehrszeiten wie am Freitagnachmittag.

Nur an der Grenze nach Österreich gibt es große Kontrollen. Da stehen 25 Zollbeamte und halten jedem Fahrer ein Fieberthermometer an den Kopf, ehe es weitergeht. Weil die Raststätten geschlossen sind, nehme ich mein Essen mit, manche Tankstellen bieten jetzt vermehrt Würstchen an – aber wer möchte schon wochenlang Currywurst essen? Ich vermisse die Begegnung und den Austausch mit anderen Fahrern, das ist jetzt alles verboten. Jeder bleibt für sich, an einen Fernfahrerstammtisch ist gar nicht zu denken.“

Ralf Heiko Krämer (52), Wiehl: „Viele Firmen, die wir beliefern, lassen uns Fahrer nicht mehr ins Gebäude und nicht mal zur Toilette. Vor kurzem wurde ich nach meiner entsprechenden Bitte sogar massiv beleidigt und aggressiv angegangen. Man müsse die eigene Belegschaft schützen, ich solle doch draußen auf dem Hof oder im Busch meine Notdurft verrichten.

Ich habe schließlich die Polizei gerufen, die hat eine Ordnungsstrafe verhängt. Ich fahre jetzt viele Lebensmittel. Da kommt es manchmal bei der Warenannahme von Zentrallagern zu einem ziemlichen Gedränge. Obwohl überall Schilder stehen, steht da eine Traube von Fahrern. Können die alle nicht lesen? Wenn man dann auf Abstand geht, wird man komisch angeguckt. Da mache ich mir dann schon Sorgen wegen der Ansteckungsgefahr.“

Willi Faust (62), Nümbrecht: „Manche Firmen stellen jetzt für uns Fahrer ein Dixi-Klo auf den Hof. Aber das kommt für mich nicht in Frage. Die werden ja nicht desinfiziert, und fließendes Wasser zum Waschen gibt es da auch nicht. Das ist doch ein richtiger Infektionsherd! Zum Glück können wir an manchen Tankstellen die Duschen benutzen, und auch die Toiletten können kostenlos benutzt werden, ohne dass man sich einen Gutschein für die Raststätten ziehen muss.

Ich fahre immer die gleiche Tour: nach Dortmund, ins Saarland und von da nach Frankreich. Den Grenzübergang von Kehl nach Colmar vermeide ich, da gibt es große Staus. Lieber nehme ich einen kleinen Übergang, da kennen sie mich schon und winken mich mit meinem Lkw gleich durch. Scharf kontrolliert und auch zurückgeschickt werden vor allem die Pkw.“

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