Grenzen vom Turm aus ziehenMit der Neugliederung 1969 verlor Unnenberg seinen Kopf

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Grenzfindung vom Turm: Der spätere Gemeindedirektor Werner Knabe (vorne l.), der damalige Gemeindedirektor von Lieberhausen, Heinz Krämer (r.), und Regierungspräsident Günter Heidecke (2.v.r.) blicken auf die Ortschaft Unnenberg.

Grenzfindung vom Turm: Der spätere Gemeindedirektor Werner Knabe (vorne l.), der damalige Gemeindedirektor von Lieberhausen, Heinz Krämer (r.), und Regierungspräsident Günter Heidecke (2.v.r.) blicken auf die Ortschaft Unnenberg.

  • Anfang Juli 1969 trat das Gesetz zur Neugliederung des Oberbergischen Kreises in Kraft.
  • Damals traten viele Fragen bei den Bewohnern von Marienheide und Unnenberg auf.
  • Doch die Gebietsreform war nicht für alle weltbewegend.

Marienheide/Unnenberg – Wem gehört der Unnenberg? Der Marienheider Gemeinderat wehrte sich im Jahr 1967 vehement gegen Pläne, ihre Ortschaft im Rahmen der anstehenden kommunalen Gebietsreform an die Nachbarstadt Gummersbach abzutreten. Geradezu abwegig soll der Marienheider Politik das Konzept des Regierungspräsidenten erschienen sein, sogar den Unnenberger Kopf mit dem Aussichtsturm herzugeben.

Die Zeitung berichtete damals aus dem Rat, dass die im benachbarten Dannenberg wohnenden Bürger für den Verlust des Unnenberger Kopfs kein Verständnis aufbringen würden. Zwei Jahre später – als Anfang Juli 1969 das Gesetz zur Neugliederung des Oberbergischen Kreises in Kraft trat – war ein Kompromiss gefunden. Der touristisch wertvolle Unnenberg-Gipfel mit Aussichtsturm und Restaurant blieb auf Marienheider Territorium, der Ort Unnenberg war fortan ein Gummersbacher Stadtteil. Damit war die wichtigste Frage der Gebietsreform für Marienheide geregelt.

Neugliederung war nicht für jeden weltbewegend

Als Unnenberg von Gummersbach eingemeindet wurde, lebten Elke und Kurt Wienand noch unter einem Dach mit Elkes Eltern. Zwei Jahre zuvor hatte sich das junge Paar auf dem Marienheider Standesamt das Ja-Wort gegeben, erst später zogen sie auf dem Unnenberg in ein eigenes Haus. Elke Wienand war in Unnenberg aufgewachsen. Ihr Mann Kurt recherchiert die Ortshistorie seit vielen Jahren.

Grenzfindung

Um die Kommunale Neugliederung auf den Weg zu bringen, wurde Ende der 1960er Jahre auch die Ovag in Anspruch genommen: Die Unnenbergerin Elke Wienand berichtet, dass ihr Vater Helmut Bergmann zu jener Zeit als Busfahrer der Ovag einige Honoratioren von Bezirksregierung, Kreis und Gemeinden an diejenigen Stellen Oberbergs kutschierte, wo Grenzsachen diskutiert wurden. Unter anderem steuerte der Bus auch den Unnenberger Kopf an. Einige Politiker stiegen auf den Aussichtsturm, um die Örtlichkeiten mit Unnenberger Kopf und Ortschaft Unnenberg aus der Vogelperspektive in Augenschein zu nehmen. In Unnenberg wird sich erzählt, dass auf dem Turm entschieden wurde, dass der Ort Unnenberg zu Gummersbach kommen sollte, der Gipfel aber bei Marienheide bleibt.

Beide berichten, dass der Wechsel von Marienheide nach Gummersbach damals in dem 170-Seelen-Ort nur wenige bewegte. Kurt Wienand: „Viel wichtiger war den Unnenbergern die Flurbereinigung Börlinghausen, da ging’s ja um ihre Wälder und Wiesen.“ Ein Zeitungsbericht aus dieser Zeit unterstreicht, dass die Unnenberger recht locker mit der Gebietsreform umgingen: An einer Bürgerversammlung zum Thema sollen gerade mal 29 Einwohner teilgenommen haben – und von ihnen sprachen sich 21 für einen Wechsel nach Gummersbach aus. Der Marienheider Rat berücksichtigte den Bürgerwillen, bei einer Gegenstimme stimmte die Politik dem Gebietsänderungsvertrag mit der Stadt Gummersbach schließlich zu.

Seit jeher war Unnenberg hin- und hergerissen zwischen Marienheide und Gummersbach, erklärt Kurt Wienand. „Die Bindungen nach Marienheide bestehen noch heute vor allem durch die Zugehörigkeit zum Kirchspiel Müllenbach. Konfirmandenunterricht, Kirchgang, Beerdigung – für die Protestanten findet alles das bis heute in Müllenbach statt. Zudem war noch bis in die 80er Jahre fast jeder Mann in Unnenberg Mitglied des dortigen Schützenvereins.“

Administrative Vorteile

Auf der anderen Seite bestanden aber auch traditionell enge Verbindungen mit Gummersbach. Bereits im Jahr 1903 bildeten die Lantenbacher, die damals noch zur Gemeinde Lieberhausen gehörten, mit den Nachbarn vom Unnenberg eine gemeinsame Feuerwehr. Und: Die Kinder vom Unnenberg gingen in Lantenbach zur Volksschule. Wienand: „Der gemeinsame, gemeindeübergreifende Schulbezirk war zu Anfang der 1900er Jahre eine seltene Ausnahme.“

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Elke Wienand berichtet, dass die Unnenberger in den 1960er Jahren zum Einkaufen ohnehin nach Gummersbach fuhren – mit dem Bus war man dort einfach schneller. „Und nur wenige hatten damals ein Auto.“ Weil der Bus nach Marienheide sowieso über Gummersbach fuhr, sahen die meisten Unnenberger im kommunalen Wechsel offenbar auch einen zeitlichen Vorteil: Amtssachen konnten sie in Gummersbach nun auf schnellerem Wege erledigen.

Als die Gemeinde Marienheide dem Gebietsänderungsvertrag zustimmte, machte sie ein paar Auflagen: Unter anderem musste sich die Stadt Gummersbach verpflichten, für die Freiwillige Feuerwehr einen Geräteraum zu errichten. Im Jahre 1975 wurde das Feuerwehrgerätehaus dann gebaut – das seit 2011 aber keine Löschgruppe mehr beherbergt. Die Unnenberger Kameraden gingen mit Lantenbach schließlich wieder in einer gemeinsamen Einheit auf. So wie schon Jahrzehnte zuvor.

Unsichtbare Grenze

Kurt Wienand berichtet, dass sich nach der Neugliederung einiges in Unnenberg tat. Nicht nur das Feuerwehrhaus entstand, auch ein Kanal wurde verlegt und die Straße ausgebaut. „Einen Nachteil hat durch den Wechsel niemand erfahren“, vermutet Wienand: „Elektrizität bezog unser Dorf ohnehin bereits seit 1911 von Gummersbacher Seite, aus Lantenbach.“

Allein die Turm-Frage beschäftigte einige Unnenberger dann doch, erinnert sich Elke Wienand: „Dass die neue Grenze zwischen unserem Ort und den Unnenberger Kopf verläuft, wurde skeptisch gesehen.“ Doch auch mit dieser neuen Situation arrangierten sich die Ortsbewohner schließlich – die Grenze zwischen Marienheide und Gummersbach war und ist ja ohnehin unsichtbar. (ag)

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