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InternetstarDieser Oberberger ist in Shanghai bekannter als Lothar Matthäus

Lesezeit 4 Minuten
Thomas Derksen

Thomas Derksen mit Lothar Matthäus

  • In China ist Thomas Derksen ein Internet-Star. Knapp eine Million Chinesen schauen sich seine Videos an.
  • Wie es den 30-Jährigen, der in Marienheide aufwuchs, nach China verschlagen hat und wie er so bekannt wurde, erfahren Sie bei uns.

Marienheide/Shanghai – Ein paar Tage in der oberbergischen Heimat können für Thomas Derksen durchaus entspannend sein. Denn niemand dreht sich um, als der 30-Jährige in der vergangenen Woche durch die Gummersbacher City läuft. In Ruhe kann Derksen seinen Kaffee genießen, anstatt um Selfies und Autogramme gebeten zu werden. „In Köln oder im Ruhrgebiet wäre das schon anders. Da gibt es viele chinesische Touristen“, sagt Derksen nüchtern.

Und in China erst recht: Dort ist der in Marienheide aufgewachsene Derksen ein Internet-Star. Auf insgesamt 15 Plattformen zeigt er seine Videos, die er zusammen mit seiner Frau Liping Zhu, mit der er in Shanghai lebt, zweimal pro Woche produziert und ins Netz stellt. „Allein auf der Plattform Weibo, einer Art chinesischem Facebook, sehen fast eine Million Menschen jedes Video“, berichtet Derksen.

Alles begann vor drei Jahren mit kleinen Sketchen, in denen der Deutsche seine chinesische Familie auf die Schippe nahm. Mit Parodien auf den Schwiegervater, die Schwiegermutter und die eigene Frau – und das in bestem Shanghaier Dialekt. Vor allem der Vater seiner Frau, den Derksen nur den „Tigervater“ nennt, bekam sein Fett weg. „Anfangs hielt er das für Kinderkram“, sagt Derksen über die Reaktion des „Alten Zhu“. „Aber als er merkte, wie erfolgreich das ist, war er schon ein bisschen stolz.“

Einfach so durch die City zu laufen, das geht für Derksen in Shanghai schon lange nicht mehr. In der Metropole ist er inzwischen bekannter als manch anderer deutscher Promi. Das merkte er im letzten Sommer: „Ich hatte die Ehre, ein Video mit Lothar Matthäus zu drehen. Als wir dann zusammen durch die Stadt liefen, drehten sich die Leute um – aber nach mir, nicht nach Matthäus.“ Derksen schmunzelt: „Ich hatte schon den Eindruck, dass Lothar Matthäus ein bisschen pikiert war.“

Ein bisschen kneifen angesichts seines Erfolges musste sich Derksen im Dezember: Nachdem der Marienheider zuvor schon mit der deutschen Botschaft zusammengearbeitet hatte, begleitete er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf dessen Reise durch China. „Da saß ich plötzlich in Peking in der Großen Halle des Volkes und aß mein Steak einen Tisch neben dem Bundespräsidenten und dem chinesischen Staatspräsidenten. Und abends war ich in den chinesischen TV-Nachrichten zu sehen. Unglaublich!“

Ein Buch geschrieben

Wie es zu all dem gekommen ist, hat Derksen jetzt in einem Buch aufgeschrieben: Ein Chinesisch-Student verliebt sich bei einem Aufenthalt in Shanghai auf einer Party, zu der er eigentlich gar nicht gehen wollte, in eine Chinesin. Seinen eigenen Eltern in Marienheide stellt er ihre künftige Schwiegertochter via Video-Chat vor. Wie er dann die Eltern seiner Frau kennenlernt, in China heiratet und schließlich sogar das Herz des „Tigervaters“ gewinnen kann, das führt noch zu einer Menge von lustigen Verwicklungen. Obwohl die eigentlich völlig unnötig waren, wie Derksen heute findet: „Im Nachhinein denke ich mir oft: Warum hast du dir überhaupt Sorgen gemacht?“ So verschieden seien seine deutsche und seine chinesische Familie gar nicht. Und auch das Buch habe er eigentlich gar nicht schreiben wollen, gesteht Derksen.

Die erste Anfrage habe er gar nicht beantwortet – bis seine Frau die entdeckte. „Liping hat gesagt: ,Das musst Du machen. Du liest doch selber gerne.’ Und damit war es beschlossene Sache“, sagt Derksen grinsend. Schreiben gelernt hatte er ja mal – genauer gesagt vor zehn Jahren, als er zu Beginn seines Studiums eine Zeit lang als freier Mitarbeiter für diese Zeitung unterwegs war.

Jetzt hofft Derksen, dass auch seine Landsleute Spaß an seiner Geschichte auf dem Weg in eine chinesisch-deutsche Familie haben. Von seinem Job als Video-Blogger (Vlogger) und Influencer, als der er in China nur „Afu“ (der Glückliche) heißt, kann er in China jedenfalls gut leben. Dass er nach drei Jahren noch so erfolgreich ist, sei nicht selbstverständlich. „Ich glaube, als Deutscher, der in China lebt und über sich selbst lachen kann, habe ich eine echte Marktlücke entdeckt.“ Zudem hätten die Chinesen eine hohe Meinung von den Deutschen.

Seine chinesische Familie hat Derksen derweil schon darauf vorbereitet, dass sie auch im Buch ihr Fett wegkriegen. „Der Alte Zhu hat gesagt: ,Das ist mir egal, das ist auf Deutsch.’ Wenn es übersetzt wird, werde ich also wohl noch mal mit ihm reden müssen“, sagt Derksen lachend.

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