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„No Violence against Woman“Kostenlose Selbstverteidigung für Mädchen und Frauen

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Nümbrecht – „Tritt! Gib alles, was du hast!“ Die 16-jährige Laura gibt sich redlich Mühe, den gestreckten Fuß mit Wucht in den Unterleib ihrer Mutter Carmen zu rammen und damit die Kommandos von Kampfsporttrainer Dirk Schwarz zu befolgen. Zum Glück schützt die sich mit dicken Polstern, denn schon wieder heißt es: „Nicht so zärtlich titschi, tischti. Tritt!“

Mutter und Tochter Bubenzer aus Morsbach kommen jeden Samstag nach Nümbrecht, um zu lernen, wie sie sich im Notfall verteidigen können. Seit einem halben Jahr bietet Dirk Schwarz mit seinem Programm „No Violence against Woman“ ein kostenloses Selbstverteidigungstraining für Frauen und Mädchen an.

„Es fehlt an Respekt und Erziehung. Werte gehen verloren, und viele Mädchen und Frauen werden nicht so behandelt, wie es sein sollte“, hat der Präsident der Deutschen Kampfkunst-Organisation, Antiaggressions- und ProfiKampfsporttrainer beobachtet. Und das nicht erst seit den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht. Den Ausschlag gab, dass seine Mutter, die er immer als sehr selbstbewusst erlebte, sich aus Angst vor Pöbeleien zurückgezogen habe, erzählt er. „Ich möchte was tun, was bewegen, und ich habe da tolle Möglichkeiten.“

Seit Silvester ist Nachfrage nach Selbstverteidigung gestiegen

Dass es großen Bedarf gibt, können einige der 18 Frauen bestätigen, die an diesem Samstag in der Kampfsporthalle in Nümbrecht trainieren. Carmen Bubenzer, die Karneval mit Freundinnen unterwegs war, berichtet von schlimmen Erfahrungen. Eine andere junge Frau hat neuerdings Angst, abends allein auszugehen, ihre Trainingspartnerin arbeitet in Köln fühlt sich unwohl, wenn sie sich auf den Heimweg machen muss.

Seit Silvester ist die Nachfrage gestiegen, 42 Frauen haben bisher am Kurs teilgenommen, aber „es ist nicht nur wegen der Flüchtlinge, dass ich mit meinen beiden Töchtern hier bin“, begründet Michaela Tratz aus Wiehl, „Idioten gibt es schließlich überall!“ Rita Kirschey, mit 55 Jahre eine der älteren Teilnehmerinnen, kann das nur bestätigen. „Ich hab mehr als einmal schlechte Erfahrungen im Leben gemacht. Man muss sich wehren.“

Auch wenn es vielen schwerfällt, das zu lernen. Zu groß sind die anerzogenen Hemmungen, zu schlagen und zu treten, dahin, wo es weh tut. Genau das wird wieder und wieder trainiert. 30 Mal, oder zumindest so lange, wie die Kondition reicht. „Ihr sollt nicht nett sein!“, mahnt der Kampfsporttrainer immer wieder. Denn der Gegner sei es auch nicht. Die elfjährige Janina hat das kürzlich erlebt, als sie mit einer Freundin unterwegs war und von einer Männergruppe „blöd angegangen“ wurde.

Das „Gefühl, kein Opfer zu sein, sondern ein guter Gegner“

Jetzt gehört sie zu den jüngsten Teilnehmerinnen des Trainings und lernt, selbstbewusster aufzutreten. Das sei das Wichtigste, das „Gefühl, kein Opfer zu sein, sondern ein guter Gegner“, und dafür reiche es nicht, „Stopp!“ zu sagen oder ein Feuerzeug in der Faust zu halten, wie es manchmal in Filmen gezeigt werde, sagt Dirk Schwarz – und feuert seine Schützlinger wieder an: „Die Deckung nicht aufgeben. Jetzt das Knie rein! Bumm!“

Auf unerwartete Angriffe reagieren, sich aus einem Würgegriff befreien, die eigene Panik überwinden: Schon nach dem ersten Mal habe sie sich – wenn auch mit Muskelkater - sicherer gefühlt, sagt Carmen Bubenzer. Trainiert wird, solange die Kraft reicht, aber eine Stunde mindestens, darauf besteht der Trainer.

Wie oft sie teilnehme, entscheide jede Frau für sich, „so lange, bis sie sich stark genug fühlt.“ So lange will der Kampfsportlehrer sein Angebot aufrecht erhalten.

Nur seine Mutter hat er bisher nicht überzeugen können: „Sie kann es nicht mal ertragen, wenn ich boxe.“

Trainiert wird jeden Samstag ab 14.30 Uhr in der Sportschule Schwarz, Friedhofstr. 6, in Nümbrecht. Anmeldung telefonisch unter V 0151/41 42 90 13 oder per Email: d.schwarz@dkko.de

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