Hoffnung und Nervosität in NümbrechtPflegekind Kebbeh wird in Münster operiert

Lesezeit 4 Minuten
Auf Pferd Berti reiten: Davon träumt die elfjährige Kebbeh. Heute findet ihre Beinoperation statt. Unterstützt wird sie von Pflegevater und Orthopäde Dr. Stephan Schwabe.

Auf Pferd Berti reiten: Davon träumt die elfjährige Kebbeh. Heute findet ihre Beinoperation statt. Unterstützt wird sie von Pflegevater und Orthopäde Dr. Stephan Schwabe.

Nümbrecht – Die pinkfarbene Tasche ist gepackt für die Fahrt zur Uniklinik in Münster. Auch die beiden Puppen, die Kebbeh begleiten zu der komplizierten Operation, die ihr Leben retten soll, sind reisefertig. Aber noch mag sich die Elfjährige nicht trennen von ihren neuen Freunden, den Eseln und Hunden auf dem Pferdehof ihrer Tagesmutter Silke Soest. Dabei hatte sie bis vor zwei Monaten noch nie ein Pferd gesehen, das winterliche Oberberg war für das Mädchen aus Liberia (Westafrika) eine völlig fremde, kalte Welt.

Mitte Januar hatte der Orthopäde Dr. Stephan Schwabe sie nach Deutschland geholt – als letzte Rettung, weil in ihrem Heimatland die medizinischen Möglichkeiten fehlen, ihr zu helfen (wir berichteten). Eine jahrelang unbehandelte schwere Infektion hat sich in Kebbehs Bein bis auf den Knochen gefressen, hat diesen zerstört, schwärt weiter. Der Verein Teamwork Afrika, dessen Vorsitzender Schwabe ist, hatte Geld gesammelt. Und auch Leser dieser Zeitung haben gespendet, damit Kebbeh jetzt behandelt werden kann.

Seit zwei Monaten in Nümbrecht

Seit zwei Monaten nennt sie die Nümbrechter Wohnung des Arztes ihr zu Hause, genießt tagsüber ihr neu entdecktes Paradies auf dem Pferdehof, während er in Wiehl und Waldbröl seine Patienten behandelt. Dabei sei der Start gar nicht so einfach gewesen, erzählt Schwabe. Allein ein geregelter Tagesablauf mit drei Mahlzeiten war ihr völlig fremd, erst recht das Essen selbst. Brötchen? Eklig! Lieber Fisch mit Reis zum Frühstück, Nudel mit Mayonnaise, Mandarinen mit Salz.

„Sie war unterernährt, versuchte Lebensmittel zu verstecken“, erinnert sich der Arzt und deutet vorsichtig an, wie schwer es Kebbeh in ihrem afrikanischen Alltag hatte: ein unnützes Kind, das wegen seiner Behinderung nicht mithelfen konnte, etwas zum Lebensunterhalt beizutragen, nicht zur Schule ging.

Auf Pferd Berti reiten: Davon träumt die elfjährige Kebbeh. Heute findet ihre Beinoperation statt. Unterstützt wird sie von Pflegevater und Orthopäde Dr. Stephan Schwabe.

Auf Pferd Berti reiten: Davon träumt die elfjährige Kebbeh. Heute findet ihre Beinoperation statt. Unterstützt wird sie von Pflegevater und Orthopäde Dr. Stephan Schwabe.

Jetzt genießt sie die Fürsorge von Stephan Schwabe und seiner Frau Katharina, deren eigene Kinder erwachsen sind. „Aber sie vermisst die vielen Kinder aus ihrem Dorf“, weiß der Arzt. „Sie ist überglücklich, wenn sie ein kleines Geschenk bekommen hat, will es per Handy unbedingt ihren Eltern zeigen. Aber nach einem solchen Telefonat verfällt sie oft in ein tiefes Loch von Einsamkeit und Heimweh.“ Zwei Monate zwischen Euphorie und Schmerzen, die mit starken Medikamenten in Schach gehalten werden. „Ich hoffe, dass wir das Richtige tun“, sagt Schwabe nachdenklich.

Auf dem Reitplatz jubelt Kebbeh über die Reitstiefel, die ihre Tagesmutter ihr zum Abschied geschenkt hat. Währenddessen lässt Schwabe im Haus seine Nervosität, seine Sorge heraus. 30 Kliniken habe er angeschrieben, fünf davon waren bereit, sich Kebbeh anzuschauen. Übrig geblieben ist die Uni in Münster, Professor Dr. Norbert Roeder gilt als Spezialist für Fälle wie den von Kebbeh. „In Europa fehlt die Erfahrung, niemand lässt es so weit kommen“, weiß Schwabe: Das Bein ist verdreht und verkürzt, der Knochen mehrfach gebrochen und abgestorben.

Eine schwierige Operation

In der schwierigen OP, die fast den ganzen Tag dauern wird, muss alles Abgestorbene und Infizierte ausgeräumt werden, dann sollen Antibiotikastrecken die Entzündung bekämpfen. 30 700 Euro musste der Verein anzahlen. Wenn alles gut geht, bleibt die Elfjährige zwei Wochen im Krankenhaus, dann will der Nümbrechter Orthopäde sie weiter behandeln. Zwei Jahre kann es dauern, bis alles so weit verheilt ist, dass in einer zweiten OP versucht wird, das verdrehte Bein gerade zu stellen – wenn es gelingt, es zu erhalten. In der Zwischenzeit soll Kebbeh zum ersten Mal zur Schule gehen. Angemeldet ist sie. „Jetzt bemühen wir uns um den Aufenthaltstitel, damit sie bleiben darf.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Kebbeh kommt herein, fragt – diesmal auf Englisch – ob es wieder Hühnerfüße zum Abendessen gibt. Die hatte sie bei einem Einkauf im afrikanischen Laden in Gummersbach entdeckt. „Igitt!“, wehrt Schwabe ab. „Dann musst du aber Sauerkraut essen!“ Das findet Kebbeh besonders eklig. Am nächsten Tag soll es nach Münster gehen. Ob sich eines Tages Kebbehs Traum erfüllt, selbst auf Berti zu reiten? Heute wird sie operiert.

Rundschau abonnieren