Erinnerungen an das FilzlandOberbergerin aus Kirgisistan erzählt von ihrer Kunst

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Die traditionellen Muster der Filzarbeiten haben eine besondere Bedeutung, die der Künstlerin noch vertraut sind.

Die traditionellen Muster der Filzarbeiten haben eine besondere Bedeutung, die der Künstlerin noch vertraut sind.

Eckenhagen – Die weiten Steppen, die schneebedeckten, mehr als 7000 Meter hohen Gipfel, das klare Wasser des Bergsees Issyl-Kul und ihr Dorf Barskoon – das alles erschien Cholpon Demuth-Osmonalieva allzu vertraut. „Es war mir zu viel Tradition, es war das Alte, das Gewohnte.“

Deshalb suchte die Tochter eines Jurtenbauers den Aufbruch ins Unbekannte. Diese Reise führte sie nach dem Studium der Interkulturellen Kommunikation in der kirgisischen Hauptstadt Bischek und einigen Umwegen schließlich nach Reichshof-Eckenhagen.

Als Kind in der Werkstatt des Vaters aufgewachsen

Von der Sonnenterrasse des Einfamilienhauses geht der Blick über die oberbergischen Hügel. Drinnen leuchtet ein Läufer aus Filz im satten Rot, laden Kissen mit traditionellen Mustern zum Sitzen ein. Kirgisistan sei Filzland, erklärt die Hausherrin, und sie beschreibt, wie sie als Kind praktisch in der Werkstatt ihres Vaters aufwuchs, der die alte Familientradition im Dorf bis heute fortführt.

Tochter Cholpon kam zum Deutsch-Studium nach Freudenstadt, wo sie ihren Mann kennenlernte. In Deutschland versöhnte sie sich mit dem zuvor verschmähten Kunsthandwerk des Filzens, weil sie die künstlerischen Möglichkeiten des Materials entdeckte.

Traditionelle Muster mit besonderer Bedeutung

Sie absolvierte eine Ausbildung zur Filzerin und fand, beflügelt durch das Interesse von textilbegeisterten deutschen Frauen, auch in ihrer Wahlheimat Oberberg einen neuen Zugang zur alten Kunst, indem sie Kurse veranstaltet. Gern zeigt sie auch Kindern in Schulen und Kitas, wie die Wolle von vierbeinigen Rasenmähern zu schönen Dingen verarbeitet werden kann.

Über Kirgisien

Jurte im Museum

Werden in Kirgisien denn heute noch viele Jurten gebaut ? „Oh ja!“ versichert Cholpon Demuth-Osmonalieva. Die traditionellen Zelte dienen aber inzwischen weniger als Behausung für die Halbnomaden, die mit ihren Schafen den Sommer auf den Weiden verbringen. Sondern es sei Trend, sich eine Jurte als Gartenhaus hinters Haus zu stellen. Auch als Hotelanlagen und auf Campingplätzen seien die Nomadenbehausungen aus Holz und Filz bei den Touristen äußerst beliebt. „Heute spielt Tourismus in Kirgisistan eine große Rolle. Es gibt zahlreiche Werkstätten von Künstlern und Designern, die mit der traditionellen Technik neue Wege gehen.“ Aber das sei nicht immer so gewesen.

Ihr Vater, der zu Sowjetzeiten als Kunsthandwerker in einem Kollektiv arbeitete, sei Vorreiter gewesen, als er nach 1990 zehn Jahre lang mühsam versuchte, Kunst, Handwerk und Tourismus zu verbinden. In dieser Zeit arbeitet er zusammen mit Cholpons Mutter und ihrer Oma sechs Jahre lang an einer besonders kunstvollen Jurte. Damit gewann er unter 1000 vorgestellten Jurten den ersten Preis bei einem Wettbewerb anlässlich des 1000-jährigen Jubiläums des Nationalepos über den kirgisischen Volkshelden Manas. Dieser Erfolg brachte ihn und seine Frau zum ersten Mal ins Ausland, nach Amerika, wo die Jurte heute im Museum von San Diego zu sehen ist. (ms)

Die traditionellen Muster haben eine besondere Bedeutung, sind Symbole für Flüsse und Berge, für Frauen, Männer und Familie, für Aufbruch und Heimkehr und erzählen so ganze Geschichten. So wie ihre eigene, die eine Freundin als Hochzeitsgeschenk auf einem großen Wandteppich in Wolle erzählt.

Organisation von zwei Gruppenreisen

„Heute ist für mich alles glücklich vereint, die Tradition und das Neue, die Begegnung der Kulturen, meine zwei beruflichen Wege“, sagt Cholpon und lächelt. Mit Mann und Kindern lebte sie zwischenzeitlich einige Jahre in der alten Heimat am Ufer des Issyk-Kul und arbeitete mit ihrem Vater zusammen.

Ein Höhepunkt ihres kulturverbindenden Schaffens war für sie die Organisation von zwei Gruppenreisen. Eine führte nach Kirgisistan, wo sich Filzkünstlerinnen aus beiden Ländern austauschten und eine gemeinsame Ausstellung gestalteten. Die andere diente 2019 der Entdeckung verschiedener Textiltechniken und verlief entlang der alten Seidenstraße über Kirgistan nach Usbekistan und Tadschikistan. Die Künstlerin hofft, dass im nächsten Jahr wieder eine solche Reise stattfinden kann.

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Das nächste Projekt von Cholpon Demuth-Osmonalieva ist eine Ausstellung mit dem Titel „Vogel Himmel Neu“ zusammen mit den Künstlerinnen Brigitta Backhaus, Ute Campo und Sigrid Schwarzenberger im Kunstraum Markt 1 in Gummersbach. Die Vernissage ist am Sonntag, 3. April, 12 Uhr.

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