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ReichspogromnachtSS-Männer schändeten den jüdischen Friedhof in Nümbrecht

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Nur der Friedhof zeugt noch vom jüdischen Leben in Nümbrecht. 14 sind Grabsteine erhalten geblieben. Sechs der Grabsteine tragen keine Inschriften mehr, die Marmorplatten wurden abgeschlagen.

Nur der Friedhof zeugt noch vom jüdischen Leben in Nümbrecht. 14 sind Grabsteine erhalten geblieben. Sechs der Grabsteine tragen keine Inschriften mehr, die Marmorplatten wurden abgeschlagen.

Oberberg – Dass die Nümbrechter Synagoge in der Nacht des 9. November nicht angezündet wurde, ist kein Wunder: Sie war auf Druck des Bürgermeisters verkauft und bereits im Sommer abgerissen worden, um Platz für den Straßenbau zu schaffen.

So mussten der Gummersbacher SS-Obersturmführer Mathias Schlauderer und seine Schergen sich ein anderes Objekt ihrer Zerstörungswut suchen. Nachdem sie am Morgen des 10. November die Synagoge in Ruppichteroth angesteckt hatten, machten sie auf dem Rückweg am Nümbrechter Friedhof halt und demolierten die Grabsteine. Den Rest besorgte danach ein Nümbrechter Volksschullehrer mit seiner Klasse.

So berichtet es Gerhard Pomykaj im dritten Band der „Oberbergischen Geschichte“. Dort ist auch nachzulesen, dass 1935 weniger als 100 Juden im Oberbergischen lebten, was sie in den Novembertagen aber nicht vor Hass und Gewalt schützte. Pomykay berichtet von der Plünderung jüdischer Häuser in Nümbrecht durch SA-Männer aus Drabenderhöhe und Bielstein. In Waldbröl zerstörte der organisierte Mob das Schaufenster des Modegeschäfts Bettelheiser und misshandelte den Besitzer auf offener Straße. Die Bettelheisers suchten wie die Gummersbacher Familie Löwenstein daraufhin Schutz in der Großstadt Köln. Die Waldbröler Metzgerfamilie Elias war schon im Jahr zuvor an den Rhein geflüchtet. Pomykaj stellt fest: „Das von einigen Zeitzeugen nach dem Krieg gezeichnete Bild, die Judenverfolgung sei wegen der engen sozialen Kontakte in den oberbergischen Gemeinden nicht so radikal verlaufen, ist reine Schönfärberei.“

Dem Nümbrechter Leo Baer gelang es bereits 1937, in die USA auszuwandern. Die Bürgermeister von Lindlar und Marienheide meldeten schon 1933 voller Stolz, dass ihre Gemeinden „judenfrei“ seien.

Für die 1938 noch in Oberberg lebenden Juden war die Pogromnacht Auftakt für immer bedrohlicher werdende Schikanen. Der Gummersbacher Arzt Dr. Alfred Simon berichtete später aus Australien: „Im Lauf der Verfolgung im November 1938 wurde ich in ,Schutzhaft’ genommen und verbrachte einen Tag im Gefängnis der Stadt Gummersbach. Nach meiner Entlassung wurde mir nahegelegt, bis spätestens 31.12.1938 aus Deutschland zu verschwinden, da sonst sehr unangenehme Folgen für mich erwachsen würde“. Im April 1939 konnte Simons mit Frau und Sohn von Rotterdam aus nach Australien ausreisen. Freunde hatten ihm geholfen, die erforderlichen Devisen zu beschaffen. Seiner Mutter Hulda wollte er die Reise nicht mehr zumuten und ließ sie in Gummersbach zurück. Wahrscheinlich ist sie in Theresienstadt umgekommen, wie man in der „Dokumentation zur Judenverfolgung in Gummersbach“ (1995) nachlesen kann.

Unweit der Nümbrechter Synagoge stand in der Schustergasse das Haus der Familie Herz. Anne Voglmayr hat in ihrem Buch „Mein Name ist Meta Herz“ (Galunder-Verlag) einer jungen Frau eine Stimme gegeben, die 1944 in Auschwitz ermordet wurde. In Vogelmayrs Erzählung werden Meta Herz und ihr Bruder am Morgen des 10. November von zerberstenden Fensterscheiben geweckt: „Ich hörte Schläge gegen die Tür, hörte Paul schreien: ,Was wollt ihr?’ Dann polterten die Stiefel die Treppe herauf. Unfähig mich zu rühren sah ich diesen Stiefeln entgegen. ,Na du Judenflittchen, jetzt wollen wir euch mal zeigen, was wir mit Blutsaugern machen.’“ Danach verwüsten die SA-Männer die Wohnung. „Und mit jedem Gegenstand, der zerbarst, zerbrach auch ein Stück unseres Lebens.“

Heute erinnern Gedenksteine in Gummersbach, Wildbergerhütte, Waldbröl und Nümbrecht an jüdische Oberberger wie die Familien Simons, Löwenstein und Heinrich, Bettelheiser, Elias, Salomon, Goldbach, Herz und Baer. Ein öffentliches jüdisches Leben gibt es praktisch nicht im ganze Kreis. Die hier lebenden Juden üben ihren Glauben in den Kölner Gemeinden aus.

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