Sachverständiger unter BeschussSchützen kritisieren Schießstand-Abnahmen

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Ein Königsvogel steigt zum Himmel, wie hier in Müllenbach: Dort kann das Schießen an diesem Sonntag wie gewohnt stattfinden. Allein die Adlerfüße müssen fürs Schießen weichen, damit die Maße eingehalten werden. Andernorts gab es aber Probleme.

Ein Königsvogel steigt zum Himmel, wie hier in Müllenbach: Dort kann das Schießen an diesem Sonntag wie gewohnt stattfinden. Allein die Adlerfüße müssen fürs Schießen weichen, damit die Maße eingehalten werden. Andernorts gab es aber Probleme.

Oberberg – Eine solche Schießstand-Abnahme hatte Thomas Ufer nie zuvor erlebt. Im April empfing der Vorsitzende des Schützenvereins Windhagen den Sachverständigen, der den Stand begutachten sollte. Das passiert alle paar Jahre. Doch dieser Experte prüfte die Beschaffenheit des Schießstands mit – nach Ufers Erfahrung – eher ungewöhnlichen Mitteln. Der Sachverständige Erwin Ramachers schoss mit der Luftpistole nicht nur geradeaus über die Schießbahn, sondern feuerte auch Kugeln in Wand, Lüftungsschacht und Decke. Weil einige Kugeln abprallten, dürfen die Windhagener ihren Luftdruckstand seitdem und bis auf weiteres nicht mehr nutzen. „Nachdem hier 20 Jahre lang alles als sicher galt“, empört sich Vereinschef Ufer.

Treffen

Die Richtlinien für Schießstände sind Thema, wenn sich die Vorstände und Schießwarte der oberbergischen Schützenvereine am Donnerstag, 2. August, um 18 Uhr in der Schützenhalle von Mühle-Niederseßmar treffen. Der Oberbergische Schützenbund hat dazu eingeladen. OSB-Präsident Klaus Büser möchte die Vereinsvertreter an diesem Abend auf den neuesten Wissensstand bringen, um anschließend Landrat Jochen Hagt anzuschreiben und um ein Gespräch zu bitten. Büser möchte bei den Abnahmen „auf ein gesundes Maß zurück“: „Ein ordentlicher Umgang miteinander und ein zeitnaher Bescheid, was bei Mängeln zu tun ist, sind unsere größten Anliegen.“ (ag)

Die Windhagener Schützen sind nicht die einzigen in Oberberg, die sauer sind, nachdem sie den vereidigten Sachverständigen Ramachers zu Gast hatten. Im Auftrag der Kreispolizeibehörde ist der Fachmann erst seit diesem Jahr in Oberberg unterwegs, um die Einhaltung der Schießstandrichtlinien zu überprüfen.

Diese Richtlinien sind nicht neu, bereits vor fünf Jahren hat das Bundesministerium des Innern sie zuletzt aktualisiert. Doch erst jetzt bereitet das rund 120 Seiten starke Regelwerk den Schützen verstärkt Probleme. Mehrere Vereine mussten verdutzt feststellen, dass sie offenbar über viele Jahre gegen geltende Regeln verstoßen haben. Klaus Büser, Präsident des Oberbergischen Schützenbunds, nennt Beispiele: Plötzlich war die Wandfarbe im Schießstandgebäude nicht mehr die richtige, eine Verbretterung entsprach nicht den Vorschriften, Hochstände (an denen Holzvögel emporgezogen werden) galten als unsicher, und Königsvögel waren auf einmal zu dick.

Seit Jahresbeginn habe der neu eingesetzte Sachverständige 15 Schießstände in Oberberg überprüft, so Büser, ganze zehn galten danach als mangelhaft. Eine auffallend hohe Quote, meint der Schützenpräsident, der das Handeln des Experten kritisch sieht. Büser sagt, dass andere, in Nachbarkreisen tätige Sachverständige weitaus sachter mit den Schützen umgehen würden.

Büser rätselt, warum die Kreispolizei ausgerechnet Ramachers als Sachverständigen beauftragt hat – muss der doch für jede Begutachtung aus dem fast zwei Autostunden entfernte Brüggen am Niederrhein anreisen. Büser: „Dabei gibt es etwa auch in Wuppertal und Bergisch Gladbach adäquate Sachverständige.“ Jedoch gilt Ramachers als ausgewiesener Experte. Der seit Jahresbeginn pensionierte Polizist arbeitete viele Jahre lang beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste in NRW, war dort unter anderem für die Entwicklung und Erprobung von Waffen und Munition zuständig und erarbeitete Richtlinien.

Die Kreispolizei bestätigt die Beobachtung der Vereine, dass die Zahl der festgestellten Mängel angestiegen ist. Aber warum der Vorgänger des Sachverständigen nicht so viele Mängel festgestellt hat, beantwortet die Polizei nicht. Büser sagt: „Der frühere Experte hat keinesfalls schlampig gearbeitet. Aber er hat gemeinsam mit den Vereinen pragmatische Lösungen gefunden – ohne dass die Sicherheit davon beeinflusst war.“ Die Frage sei ja immer, so Büser, wie man mit Mängeln im Sinne einer vernünftigen Sachabwägung umgehe. Genau dieses Augenmaß vermisst Büser nun: Für viel Geld würden Maßnahmen verlangt, die kaum mehr Sicherheit brächten. Auch Übergangsmaßnahmen, die die Sicherheit gewährleisten würden, seien nun nicht mehr zugelassen, wie zum Beispiel eine Erweiterung des Sicherheitsabstands bei den Vogelschießen.

Mit den Kosten könnten die meisten Vereine noch leben – wenn sie denn wenigstens die Zeit hätten, die Mängel zu beheben. Der OSB-Präsident beklagt, dass die Begutachtungen überwiegend erst wenige Wochen vor den Schützenfesten stattfänden: „Dann werden plötzlich mündlich Verbote ausgesprochen, und die Vereine haben keine Möglichkeit, dagegen rechtlich vorzugehen. Denn der schriftliche Bescheid kommt erst, wenn die Feste schon gelaufen sind.“

Dass der Sachverständige Ramachers bei der Begutachtung im Windhagener Schießstand scharf schoss, bestreiten weder die Kreispolizeibehörde noch er selbst (siehe Interview). Dieses Beschießen sei „ein übliches Vorgehen, um mögliche Gefährdungen zu erkennen oder auch den Verantwortlichen plastisch vor Augen zu führen“, so die Polizei.

Vor Augen führt die Polizei den Schützenvereinen auch, dass sie sich mit dem von ihr beauftragten Sachverständigen nicht abfinden müssen: „Alternativ hat jeder Betreiber einer Schießstätte selbstverständlich die Möglichkeit, auf eigene Kosten einen anderen vereidigten Sachverständigen zu beauftragen und das Ergebnis der Begutachtung der Waffenbehörde vorzulegen.“ Mit ihrem Sachverständigen will die Kreispolizei auch weiterhin zusammenarbeiten.

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