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Schönster Tag ist abgesagtFestgastgeber kämpfen sich durch die Corona-Krise

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Lisa und Jan Geisler

Auf Feste vorbereitet sind Lisa und Jan Geisler. Obwohl sie alle Auflagen einhalten, leiden sie unter den Einschränkungen.

Engelskirchen-Bickenbach – Jan Geisler hat mit seinem Handy ein Video aufgenommen. Man sieht die festlich gedeckten Tische einer Hochzeitsfeier vor einigen Wochen. Alles war für 80 Gäste vorbereitet. Einen Tag vor dem großen Fest stieg der Corona-Inzidenz-Wert in Oberberg dann auf 35. Fast die Hälfte der Gäste hätte ausgeladen werden müssen, da sagte das Paar gleich die ganze Hochzeit ab.

Auf den Kosten blieb Geisler sitzen. Zusammen mit Ehefrau Lisa hat der Gastronom vor zehn Jahren den historischen Industriekomplex am Ortseingang von Engelskirchen-Bickenbach übernommen und aufwendig saniert. In dem einstigen Schmiedehammerbetrieb richteten die Lindlarer zuerst eine Großküche ein, dann den „Hammerwerk“-Veranstaltungssaal und schließlich das „Werkstatt“-Restaurant.

Restaurant als Veranstaltungsraum

Letzteres ist nun wieder Geschichte. Der Corona-Lockdown war für die Geislers Anlass, ihr Geschäftsmodell auf den Prüfstand zu stellen. Das täglich geöffnete Lokal erwies sich dabei als nicht rentabel, wochentags war zu wenig los, um vier Angestellte in Küche und Service kostendeckend zu beschäftigen. Die Geislers verstehen sich als Unternehmer im Wortsinne und nahmen die Herausforderung an statt zu jammern.

Lisa Geisler sagt: „Wir haben immer einen Plan B in der Schublade.“ Sie gestalteten das Restaurant als weiteren Veranstaltungsraum um. Nun laden sie mehrmals im Monat zu kulinarischen Events ein. Mit Erfolg: Die „Burger & Beef Night“ neulich war ausgebucht. Dennoch ist die Corona-Krise für das Hammerwerk eine Katastrophe. Auf 130 000 Euro beziffert Geisler den bisherigen Verlust durch die Pandemie. 

Von 19 Mitarbeitern noch fünf übrig

Von 19 Mitarbeitern sind nur noch fünf übrig. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Bis zu 14 große Weihnachtsfeiern sorgen normalerweise in der Adventszeit für einen beträchtlichen Anteil des Jahresumsatzes – alle abgesagt. Wann wieder eine große Hochzeit stattfinden kann, steht in den Sternen. Demgegenüber schlagen hohe Investitionen in den Infektionsschutz zu Buche.

Die Geislers würden dennoch mehr investieren, etwa in eine Lüftungsanlage, um einen sicheren Veranstaltungsbetrieb zu gewährleisten – wenn sie ein kleines bisschen Planungssicherheit hätten. Die immer neuen Beschränkungen ließen alle Bemühungen des Gastgewerbes bald überholt und schließlich sinnlos erscheinen, ärgern sich die Geislers. Wenn die Gäste bald auch noch am Tisch eine Maske aufsetzen müssen, kaum dass sie den letzten Bissen verspeist haben, sei ein Restaurantbesuch witzlos.

Forderung nach hygienischer Geselligkeit

Offenbar gehe es der Politik inzwischen darum, den Bürgern das Ausgehen grundsätzlich zu verleiden statt ihnen eine hygienische Geselligkeit zu ermöglichen. Damit aber würde einer ganzen Branche der Nährboden entzogen. „Die Politik macht es sich zu einfach, wenn mit großer Selbstverständlichkeit und bastamäßig immer neue Einschränkungen angeordnet werden“, meint Jan Geisler. „Mit der Verschärfung der Maßnahmen trifft man gerade die Leute, die sich ohnehin daran halten.“ 

Geisler schätzt die Haltung des Bonner Virologen Hendrik Streeck. „Der denkt lieber darüber nach, was möglich ist und möchte, dass die Gesellschaft lernt, noch lange mit dem Virus auszukommen, statt nur auf den Impfstoff zu hoffen.“ Lisa und Jan Geisler betreiben in Engelskirchen und Lindlar auch zwei Seniorenheime und einen mobilen Pflegedienst. Ohne dieses wirtschaftliche Standbein hätten sie die Gastronomie wohl aufgeben müssen. Schon weil ihre Hausbank nicht mehr mitgespielt hätte. 

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Als Altenheimgeschäftsführerin und gelernte Pflegekraft weiß Lisa Geisler, dass die anfangs übermäßig strengen Schutzkonzepte für die Seniorenzentren deutlich gelockert wurden. Im Gastgewerbe hätten Politik und Behörden umgekehrt einen immer größeren Regelungsehrgeiz entwickelt. „Ein roter Faden ist da nicht erkennbar.“

Jan Geisler hält es für irreführend, dass nur Berufe wie die Altenpflege als „systemrelevant“ gelten. „Als wäre ein Sanitärinstallateur weniger wichtig für die Gesellschaft.“ Und auch die Gastronomie und Geselligkeit haben ihre gesellschaftliche Relevanz, sagt der Unternehmer. Ohne Restaurants wäre das Leben doch weniger lebenswert. „Und gilt die Hochzeit nicht als ,schönster Tag im Leben’ vieler Menschen?“ Lisa und Jan Geisler möchten, dass es so bleibt – trotz Corona.

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