Trotz Corona-AusbrüchenOberbergs Industrie sorgt für bessere Stimmung

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Weil es der Industrie besser geht, sieht Oberbergs Wirtschaft optimistischer in die Zukunft als die Unternehmer anderswo.

Weil es der Industrie besser geht, sieht Oberbergs Wirtschaft optimistischer in die Zukunft als die Unternehmer anderswo.

Oberberg – Die Antwort erstaunt: Im Oberbergischen könnte die Zahl der Corona-Fälle auch deshalb noch so hoch sein, weil es anders als anderswo so viele Industriearbeitsplätze gibt, hieß es zuletzt vom Kreis. Arbeitsplätze, wo Homeoffice kaum möglich sei. Gibt es da wirklich so viele Fälle? Was tun die Arbeitgeber dagegen? Und wie geht es der Wirtschaft in Oberberg? Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie betroffen sind Firmen im Oberbergischen zurzeit von Corona-Ausbrüchen?

Aktuell gibt es keine Allgemeinverfügungen des Oberbergischen Kreises, die Quarantänemaßnahmen in Betrieben regeln. Das heißt aber nicht, dass es keine Fälle in Firmen gibt. „Zurzeit sind sechs Unternehmen von Ausbrüchen betroffen“, erklärt Kreissprecherin Jessica Schöler auf Nachfrage. Es handele sich um kleinere und größere Ausbrüche – von zwei Fällen bis zu zehn. Kommunale Schwerpunkte gebe es nicht: „Die Firmen liegen über das ganze Kreisgebiet verteilt.“

Wie ist die Situation zum Beispiel beim größten Arbeitgeber Oberbergs, der Firma Montaplast?

„Die Lage hat sich auch entspannt“, sagt Unternehmenssprecherin Laura Saßmannshausen. Ja, in den vergangenen Wochen habe es beim Morsbacher Automobilzulieferer immer wieder Fälle gegeben, wie in ganz Oberberg. In dieser Woche wurden es aber weniger: „Am Montag waren es noch zwei, am Dienstag schon keiner mehr.“ Anders als im März, als ein bestimmter Bereich so betroffen war, dass man von einer Ansteckung in der Firma ausgehen musste, seien die Fälle jetzt über das gesamte Unternehmen hinweg und auch an den unterschiedlichen Standorten aufgetreten. Saßmannshausen: „Deshalb gehen wir davon aus, dass die Ansteckung da auch größtenteils außerhalb stattgefunden hat.“ Lob bekommen habe Montaplast für seine Vorarbeiten zur Kontaktnachverfolgung. Ein Faktor ist das Schnelltestzentrum, das das Unternehmen eingerichtet und inzwischen auch für andere Morsbacher geöffnet hat. „Dadurch können wir auch Mitarbeiter, die nicht direkt als Kontaktpersonen eingestuft wurden, nach einem Fall in ihrem Umfeld an den folgenden acht Tagen noch zweimal täglich testen.“

Wie schützen Firmen überhaupt ihre Mitarbeiter?

„Diese Frage bestimmt im Moment alles“, sagt Sven Gebhard. Der Waldbröler Unternehmer, geschäftsführender Gesellschafter von GC heat, ist nicht nur IHK-Vizepräsident, sondern auch Vorsitzender der Beratenden Versammlung. Das Regionalgremium mit 42 Unternehmerinnen und Unternehmern aus der Region habe erst jüngst getagt: „Und alle dort beschäftigen sich damit.“

Und der Schutz, so Gebhard, bestehe eben nicht nur daraus, der gesetzlichen Pflicht zu genügen und Tests anzubieten. „Die Maßnahmen sind vielfältig: Da gibt es nicht nur voneinander getrennte Sektoren und Pausenräume, die gesperrt sind.“ Da finde auch der Schichtbeginn zeitversetzt statt, damit sich die Kollegen nicht auf dem Parkplatz begegnen. Auch die Übergaben von einer Schicht zur anderen werden so weit wie möglich verkürzt, um Kontakte nicht zu lange dauern zu lassen. Und mancherorts seien sogar Unisex-Toiletten eingeführt werden, weil sonst die Damen- oder Herrentoilette in der anderen Produktionshalle zu eigentlich nicht geplanten Begegnung führe.

Wie geht es der oberbergischen Wirtschaft?

Besser als der im Rest der Region. Das sagt zumindest die Frühjahrsumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln. Deren oberbergische Zahlen, die sich aus den Antworten von 109 Unternehmen aus dem Kreis zu ihrer Lage und zu ihren Erwartungen zusammensetzen, hat der Leiter der IHK-Geschäftsstelle Michael Sallmann am Mittwoch in einer Videokonferenz vorgestellt. „Hoffentlich zum letzten Mal in dieser Form“, wie Sallmann betont.

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Die Stimmung in Oberbergs Wirtschaft jedenfalls könnte – hoffentlich – ein Gradmesser für das Ende der Pandemie sein: Mit 114,1 hat der Oberbergische Kreis mit Abstand den besten Wert – deutlich vor Rhein-Berg (104,9) und Leverkusen (104,0) sowie ganz weit vor dem Rhein-Erft-Kreis (98,8) und Köln (98,6). „Zum Glück liegen wir endlich wieder durchgehend über der Null“, sagt Sallmann und meint den Wert von über 100, der den Durchbruch vom negativen in den positiven Trend bedeuten soll.

Diese Grenze wird in der neuen Umfrage nun nicht mehr nur in den Erwartungen auf den Aufschwung nach der Pandemie übertroffen. Die waren bei den Firmen zeitweise schon im vergangenen Herbst hoch. Im positiven Bereich liegen jetzt aber erstmals auch die Antworten auf die Frage, wie die Firmen ihre tatsächliche Lage einschätzen: Bewerteten diese im Herbst nur 17,5 Prozent in Oberberg als gut oder besser, waren es Anfang des Jahres schon 29,8 Prozent. Jetzt sind es 42,6 Prozent. Schlecht sehen ihre Lage hingegen nur noch 21,3 Prozent (Herbst: 38,9)

Warum kommt Oberberg besser weg?

Tatsächlich ist jetzt die Industrie wieder von Vorteil: Gerade weil Oberberg so stark von ihr geprägt ist, gerade weil dort durchgearbeitet werden kann und auch die Auftragseingänge jetzt wieder zunehmen, führen sie die Wirtschaft ins Wachstum. „Das gilt für den gesamten IHK-Bezirk“, sagt Sallmann. Es bleibe aber bei der Zweiteilung: Während die, die arbeiten können, profitieren, sind die Zahlen da im Keller, wo kein Geschäft stattfinden kann, zum Beispiel also im Einzelhandel oder in der Gastronomie.

Ausgeblieben, so Sallmann, sei bisher zumindest die Insolvenzwelle. Mit ihr war gerechnet worden, nachdem Ende April die Frist zur Aussetzung der Pflicht zur Insolvenzanmeldung ausgelaufen war. Bisher spüre man da aber nichts von einer Welle, so der Leiter der IHK-Geschäftsstelle Oberberg.

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