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Unstillbare Sehnsucht nach GesangOberbergs Chöre sind kreativ in der Pandemie

Lesezeit 3 Minuten
Unter der Leitung von Romy Bürger probt der Gospelchor „Sister Act“ das Stück „Hope“. Das Material zum Üben wurde per WhatsApp zugestellt.

Unter der Leitung von Romy Bürger probt der Gospelchor „Sister Act“ das Stück „Hope“. Das Material zum Üben wurde per WhatsApp zugestellt.

Oberberg – Chorprobenverbot und kein Ende in Sicht. „Das ist ein echter Härtetest für unsere Kirchenchöre“, bedauert Dr. Annemarie Sirrenberg, Kantorin des Kirchenkreises An der Agger. Wie erreicht man in diesen Zeiten so etwas wie einen gemeinsamen Chorklang? Oberbergs Kantorinnen und Kantoren lassen sich allerhand einfallen.

Zum Beispiel der Gospelchor „Sister Act“: Leiterin Romy Bürger hat ihre rund 40 Sängerinnen und Sänger schon viel zu lange nicht mehr gemeinsam gehört. „Wir leiden alle sehr“, sagt sie – und hält dagegen. Der Chor wollte unbedingt den Song „Hope“ im Rahmen eines Gospel-Church-Gottesdienstes singen. Die Motivation war so groß, dass die Leiterin für alle Teilnehmer die jeweilige Gesangsstimme und die Klavierbegleitung vorspielte, vorsang und aufnahm. Über WhatsApp bekam jeder sein Probenmaterial, konnte sich einhören und mitsingen – natürlich allein.

Starker Computer nötig

Um daraus einen Chor zu machen, braucht es viel Technik. Jeder Sänger setzte zu Hause die kleinen Kopfhörer ein und sang zur Begleitung aus dem Handy. Dabei ließ er oder sie sich von Partner oder Kind filmen: „Das war für alle eine besondere Erfahrung!“, schwärmt Bürger. Sie bekam dann alle Videos zurück – als Einzelstimmen: „Ich hatte den Chor mit diesem Song noch nie gehört.“

Ein starker Computer und Software waren nötig, um daraus etwas Harmonisches zu erstellen. Tochter Lynn Bürger half – sie kommt aus der Filmbranche und hatte zum Programm „Shotcut“ bereits ein Tutorial gemacht. Trotzdem war es eine Menge Arbeit für die Mutter. Am Computer erschienen die Bilder der Solo-Sänger. Und dann, nach vielen Versuchen, entstand der gemeinsame Rhythmus, entstand Chormusik: „Da flossen dann ein paar Tränen.“ Den Teilnehmern ging es ähnlich. Und die Tränen waren sicher Freudentränen. „Wir hatten extra den Song ,Hope’ ausgesucht, weil er gut in unsere Zeit passt.“ Für Ostern ist schon ein neues Stück in Arbeit: „This Is The Day“. „Ich glaube, das kriege ich jetzt schneller hin.“

Für Annette Giebeler, Kantorin der Evangelischen Kirchengemeinde in Gummersbach, ist es wichtig, „dass die Musik weitergeht“. Seit langem werden die Gottesdienste live auf Youtube gestreamt. Immer musizieren dabei kleine Ensembles, die sich vorbereiten und proben müssen. Die Rückmeldungen aus der Gemeinde seien sehr positiv. Speziell für Eltern und Kinder hat Annette Giebeler ein Mitsing-Projekt vor: Nach einem Gottesdienst-Stream bleibt die Projektgruppe Kindermusical online. Es werden schöne und auch lustige Lieder gesungen und Bewegungen dazu gemacht. Die Zuschauer können hemmungslos zu Hause mitmachen: „Es hört ja keiner, ob ich falsch oder richtig singe. Es soll ein lustvolles Singen und Tanzen werden.“ Singen, sagt die Kantorin, sei gerade jetzt sehr wichtig und helfe gegen Depression und Verzagtheit. Einige Sänger der Kantorei hätten auch beim „Online-Couch-Singen“ des WDR-Rundfunkchores mitgemacht . „Es ist nicht dasselbe wie ein Live-Chor, aber es ist besser als gar kein Gesang.“

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Kreiskantorin Sirrenberg aus Bergneustadt verschickt selbst aufgenommene Stimmdateien zum Üben an ihren Chor und lädt sie zu Einzelstimmbildung ein, wie auch Kantor Pascal Salzmann in Waldbröl. „Das wird gerne angenommen.“ Viele Chormitglieder nutzten zwar auch die im Internet verfügbaren Stimmbildungsvideos. Annemarie Sirrenberg: „Bei stimmlichen Problemen hilft eine Live-Rückmeldung der Kantorin oder des Kantors aber oft am besten weiter.“ Die Sehnsucht danach, wieder normal proben und auch größere Werke angehen zu können, teilen wohl alle.

Das Stück „This Is The Day“ist nachzuhören im Internet – „Gospel Church“ erklingt ab Minute 17: ev-kirche-waldbroel.de

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