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Amtsgericht WaldbrölAnklage fordert Freispruch von Körperverletzung

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Symbolbild.

Waldbröl – „Ich bin leicht schockiert, Urinieren rechtfertigt doch kein Zusammenschlagen“, sagte der Anwalt der Nebenklage am Donnerstag im Waldbröler Amtsgericht nach dem Schlussvortrag des Staatsanwalts. „Der Angeklagte erzählt hier eine Räubergeschichte, die sich der Staatsanwalt zu eigen macht.“

Trotzdem glaubte Richter René Dabers dem 46-jährigen Reichshofer auf der Anklagebank und sprach ihn vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung frei. Er war angeklagt, im Dezember 2019 in Morsbach dem Besucher einer Weihnachtsfeier ins Gesicht geschlagen und getreten zu haben.

Ein Streit geriet außer Kontrolle

Der Angeklagte schilderte, er sei mit einer Arbeitskollegin nach draußen gegangen, um frische Luft zu schnappen. Kurz darauf sei auch der Geschädigte herausgekommen und habe an seiner Hose genestelt. „Drinnen gibt’s Toiletten“, habe er ihm zugerufen. Daraufhin sei dieser beleidigend geworden und habe gegen die Wand uriniert. Er sei dem gleichaltrigen Mann gefolgt, berichtete der Angeklagte, worauf dieser wütend auf ihn losgegangen sei. Er habe dann mit der Faust in das Gesicht des Angeklagten geschlagen – und sich selbst die Hand gebrochen. Getreten habe der Angeklagte den anderen Mann aber nicht.

Der Geschädigte leugnete nicht, dass er urinieren wollte. Plötzlich habe er einen Schlag zwischen die Schultern bekommen und sei am Boden ins Gesicht getreten worden. Dann habe ihn der Angeklagte hochgehoben und mehrfach ins Gesicht geschlagen, bis er das Bewusstsein verloren habe. Nach dem Vorfall sei er zwei Wochen stationär behandelt und ein halbes Jahr krankgeschrieben worden.

Zeugin entlastet Angeklagten

Der Beschuldigte habe den stark alkoholisierten Geschädigten an der Treppe vor dem Haus gestützt, sagte die Arbeitskollegin. „Weil er die Hand am Hosenstall hatte, habe ich dann aber weggeschaut.“ Als sie aber zwei Schläge gehört habe, sei sie ins Haus gerannt und habe Hilfe gerufen. Der Angeklagte sei ein friedlicher Mensch, auch wenn er etwas getrunken habe. Bei dem Geschädigten sei das ganz anders. Ein Abteilungsleiter, der als erster vor Ort gewesen war, berichtete: „Als ich etwa zehn Sekunden später ankam, war schon alles vorbei.“ Die beiden hätten sich unflätig beschimpft. Weitere Zeugen konnten nichts Wesentliches zur Aufklärung beitragen.

Der Staatsanwalt wertete den unzweifelhaft erfolgten Fausthieb des schmächtigeren Angeklagten als Notwehrhandlung und forderte einen Freispruch. „Mit einem Schlag kann man nicht gleichzeitig Nasenbein und Jochbein brechen“, sagte der Anwalt der Nebenklage und verlangte ein Gutachten. Er beantragte eine Strafe von neun Monaten auf Bewährung.

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Vor dem Urteil sagte der Angeklagte: „Ich hatte keine Chance, aber die Verletzungen tun mir leid.“ Dabers folgte dem Antrag des Staatsanwalts und erläuterte in seiner Urteilsbegründung, dass er die Darstellung des Beschuldigten für glaubwürdig hält. Zwar sei der Tathergang hinter der Mauerecke nicht eindeutig aufzuklären, doch sei die Körperverletzung in der raschen Eskalation von Notwehr gedeckt gewesen.

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