Flüchtling in WaldbrölSeit Jahren von Frau und Sohn getrennt

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Waldbröl – In einer roten, prall gefüllten Kladde steckt ein ganzes Leben. Masoud Sulaiman hütet seine Dokumente sorgsam. Die Papiere sind auf Arabisch, Englisch, Deutsch. Und sie tragen Stempel, viele Stempel. Darunter ist auch jenes, auf dem festgehalten ist, dass der bald 35-Jährige für sieben Jahre hinter Gitter muss, sollte er jemals wieder einen Fuß in sein Heimatland setzen. „Ich bin in Syrien auf die Straße gegangen, habe dort schon früh für die Demokratie demonstriert“, sagt Sulaiman.

Seit November 2015 lebt er in Waldbröl – allein, ohne seine Ehefrau Engely (32), ohne den gemeinsamen Sohn Youssef (9). „Nachdem ich mich entschieden habe, zu fliehen und nach Deutschland zu reisen, ist meine Frau mit unserem Sohn in ihre eigene Heimat, auf die Philippinen, zurückgekehrt.“ Vor etwa drei Jahren habe er die beiden zuletzt gesehen.

Ehe mit Christin war unerwünscht

Masoud Sulaiman spricht fließend Deutsch, doch seine Geschichte erzählt er lieber auf Englisch. „Ich habe in Syrien eine juristische Ausbildung gemacht und zuletzt in Dubai als Vertriebsleiter gearbeitet“, berichtet er. Dort habe er Engely 2006 kennen – und lieben – gelernt. Und gegen alle Widerstände hätten sie einander das Ja-Wort geben: Sulaiman ist Muslim, Ehefrau Engely Christin. „Solche Ehen sind in Syrien absolut unerwünscht“, schildert der Asylbewerber. Jüngst wurde sein Aufenthaltsrecht in Deutschland verlängert: Sulaiman ist geduldet, auf die endgültige Anerkennung und damit auf das Bleiberecht hofft er in diesem Jahr. Denn endlich will er seine Familie wiedersehen. „Natürlich hoffe ich, dass Engely und Youssef zu mir nach Waldbröl ziehen dürfen.“ Diese Entscheidung stehe aber immer noch aus, jetzt will Sulaiman einen Anwalt einschalten. Eine Reise auf die Philippinen ist ihm nicht erlaubt: Weil der Syrer derzeit keinen gültigen Reisepass besitzt, kann er die Bundesrepublik nicht verlassen. „Auch sind wir Syrer auf den Philippinen ebenso wenig willkommen wie heute in Dubai“, erklärt Sulaiman, warum die junge Familie das Emirat verlassen hat und seither gezwungen ist, getrennt zu leben. „Hinzukam, dass meine Frau schwer erkrankte und auf eine Nierentransplantation angewiesen war.“ Diese Operation sei erfolgt, eine Schwester habe das Organ gespendet. „Meiner Frau geht es wieder gut.“ Sie befinde sich in der Heimatstadt Dawan und dort in der Obhut der Familie.

Ziel: Ein ganz normales Leben

Masoud Sulaiman stammt aus Qamischli, einer Stadt im Nordosten Syriens. Nachdem er sich den Protesten gegen das Regime Baschar al-Assads angeschlossen habe, sei ihm umgehend ein Einberufungsbefehl der Armee zugestellt worden. „Ich sollte kämpfen“, erinnert sich Sulaiman. „Doch das wollte ich auf keinen Fall, also ging ich – auch, um einer Verhaftung zu entgehen.“ Über den Irak, die Türkei und eben Dubai sei er schließlich geflohen. „Mein Ziel war immer Deutschland. Dieses Land ist für mich die Mutter der Demokratie.“ Und seitdem er eine Wohnung in der Nähe des Waldbröler Kreiskrankenhauses hat, engagiert er sich für die Tafel Oberberg-Süd. Theresia Mittler aus dem Leitungsteam bescheinigt ihm außerordentliches Engagement: „Er ist unverzichtbar geworden.“

Sein Ziel sei es, verrät Sulaiman, ein ganz normales Leben zu führen – mit der Familie und einer Arbeitsstelle. Zurzeit absolviert er an der CVJM-Hochschule in Kassel eine Ausbildung zum Interkulturellen Berater – zum Integrationscoach, wie die Tätigkeit offiziell heißt. Er ist bundesweit einer von sechs Ehrenamtlern, die diese Qualifikation über den Dachverband der deutschen Tafel erhalten, wie die Hochschule auf Nachfrage bestätigt. Bisher ist Sulaiman über den Bundesfreiwilligendienst bei der Waldbröler Tafel beschäftigt.

„Hier in Waldbröl haben mir die Menschen ihre Herzen und ihr Heim geöffnet“, begründet der Syrer den Einsatz. „Ich wollte etwas von der Unterstützung, die ich selbst erfahren habe, als Dank zurückgeben.“ Zudem habe ihn bewegt, dass sogar in Deutschland so viele ältere Menschen in Not gerieten. Und auch als Musiker mit der Laute, unter anderem an der Seite des Klangkünstlers Jochen Faßbender, kennt man den Helfer in Waldbröl längst.

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