Interview mit Gesundheitsminister Spahn„Lösungen müssen Sie im Oberbergischen finden“

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Jens_Spahn

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

  • Im Gespräch mit dieser Zeitung lobt Gesundheitsminister Jens Spahn die Landarztquote in NRW.
  • Spahn betont aber, dass für eine kurzfristige Lösung des Ärztemangels im Oberbergischen sich auch der Landkreis selbst etwas einfallen lassen müsse.
  • Krankenhäuser in ländlichen Regionen müssten für die Notfallversorgung in erreichbarer Nähe sein, so Spahn.

Waldbröl – Ärztemangel, Krankenhausdiskussion – im oberbergischen Gesundheitssystem sind zurzeit viele Fragen offen. Ein nach wie vor ein drängendes Thema im Oberbergischen ist die Zahl der fehlenden Hausärzte hier und ein zunehmender Kinderarzt-Mangel. Was kann die Bundespolitik noch tun, um da zu helfen? Und vor allem: Wie lange dauert es, bis Sie mit einer spürbaren Entlastung rechnen?

Einen Haus- und Kinderarzt in der Nähe seiner Heimat zu wissen, gehört zur Grundversorgung genauso wie zum Lebensgefühl dazu. Deshalb versuchen wir alles, um Ärzte in ländliche Regionen zu bringen. Ich komme aus einem Dorf im Münsterland. In meiner Kindheit gab es dort einen Arzt, und der war im Grunde immer im Einsatz. Das war damals selbstverständlich. Vor allem jüngere Ärzte wollen aber heute nur als Arzt arbeiten, wenn sie nicht 60, 70 Stunden in der Woche in der Praxis stehen müssen. Deswegen geben wir Ärzten die Möglichkeit, auch angestellt tätig zu sein. Ein weiterer Schlüssel liegt im Medizinstudium. Bei der Auswahl der Studierenden brauchen wir andere Kriterien als die Abi-Note. Daher freue ich mich, dass Nordrhein-Westfalen die Landarzt-Quote eingeführt hat. So ist ein Teil der Studienplätze für die Medizinstudenten reserviert, die sich verpflichten, für eine Zeit aufs Land zu gehen. Auch die geplante neue medizinische Fakultät in Bielefeld ist ein wichtiges Signal.

Bis die ersten Studenten fertig sind, werden auch im Oberbergischen eine Reihe weiterer Ärzte in den Ruhestand gegangen sein. Haben Sie eine Idee, wie sich kurzfristig Lösungen finden lassen?

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Die konkreten Lösungen müssen Sie schon hier im Oberbergischen finden. Als Bundesminister würde ich mir nie anmaßen, hier Ratschläge zu erteilen. Wahr ist: Ärzte können wir nicht aus dem Hut zaubern. Deswegen müssen wir an zahlreichen Stellschrauben gleichzeitig drehen. Sowohl auf Bundes- wie auf lokaler Ebene. Die finanziellen Anreize für Ärzte, aufs Land zu gehen, haben wir deutlich erhöht. Außerdem haben wir die Residenzpflicht aufgehoben. Ärzte müssen nicht mehr da wohnen, wo sie sich niederlassen. Wo es zu wenige Ärzte gibt, haben wir die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, Arztpraxen zu betreiben. Und auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens treiben wir voran. So kann etwa die Videosprechstunde in einigen Fällen dabei helfen, lange Anfahrtswege zu vermeiden. Schließlich sind es aber auch die Landkreise und Kommunen, die sich etwas einfallen lassen müssen, um attraktiv für junge Menschen zu sein. Die Frage, ob es eine gute Verkehrsanbindung und genügend Kitaplätze gibt, ist für junge Ärztinnen und Ärzte oft entscheidend, sich in einer Gegend niederzulassen.

Jetzt sorgt zudem die Bertelsmann-Studie zur besseren Versorgung mit weniger Krankenhäusern für Verunsicherung – gerade in ländlichen Regionen. Wie sehen Sie das: Ist ein Rückzug aus der Fläche politisch überhaupt denkbar? Und macht er überhaupt Sinn – auch, wenn gerade die Mediziner an den Krankenhäusern beim Ärztemangel vielleicht noch für Abhilfe sorgen könnten?

Wir brauchen in Deutschland einen guten Mix aus wohnortnaher Versorgung und Spezialisierung. Gerade in Notfällen brauchen Sie Ärzte in der Nähe, die Ihnen helfen. Daher unterstützen wir Krankenhäuser in ländlichen Regionen, zu denen es in erreichbarer Nähe keine Alternative gibt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass nicht jedes Krankenhaus alles machen muss. Gerade bei planbaren Operationen sollten wir die Kräfte deshalb besser bündeln. Kompliziertere Fälle gehören in ein Krankenhaus, das genug Routine hat. Denn davon hängt auch die Qualität einer Behandlung ab. Ich bin fest davon überzeugt: Wenn das Risiko von Komplikationen dann sinkt, nehmen Patienten für planbare Eingriffe auch gerne längere Wege in Kauf.

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