Wiederaufbau nach FlutOberberger fahren seit Juli regelmäßig zum Helfen ins Ahrtal

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Von unvorstellbaren Zerstörungen im Ahrtal berichten die Helfer.

Von unvorstellbaren Zerstörungen im Ahrtal berichten die Helfer.

Dieringhausen – Rauf aufs Sofa, Füße hoch, Flimmerkiste an, bei kalter Cola und Chips konsumieren, was anderen Menschen seit dem Hochwasser am 14. Juli widerfahren ist? „Niemals“ käme das für Dorina Weller und Markus Beck in Frage. Das Paar aus Gummersbach-Dieringhausen konnte nicht zusehen, wollte helfen.

Und das tut es seit Wochen: Gerade sind die beiden von einem weiteren, kräftezehrenden Einsatz in Kreuzberg an der Ahr zurückgekehrt. „Seit dem 24. Juli sind wir dabei, gestartet sind wir damals in Ahrbrück“, blickt der 51-jährige Beck zurück. Als Beschaffungslogistiker arbeitet er in Wiehl.

Über die sozialen Medien zusammengefunden

Was er mit wenigen Worten beschreibt, das ist eine Hilfsaktion, die längst ein Selbstläufer geworden ist. Denn Beck und die 38 Jahre alte Dorina Weller, die in der pharmazeutischen Industrie beschäftigt ist, gehören zu einer Gruppe von fast 40 Menschen aus Oberberg und dort vor allem aus Gummersbach sowie aus der Nachbarschaft des Kreises. Über die sozialen Medien und Nachrichtendienste wie WhatsApp haben sie zusammengefunden.

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Christian Fleischer (36) hat alles ins Rollen gebracht:„Bei einem Treffen des Gummersbacher Schützenvereins habe ich zum ersten Mal gesagt, dass ich etwas tun möchte – egal, ob allein oder mit zehn Leuten.“ Seinem Aufruf bei Facebook folgen bereits 35 Helfer, über WhatsApp verbreitet sich die Aktion – der Aufruf zieht in Schützengruppen seine Runden, erreicht Fangemeinschaften von Borussia Dortmund, landet bei Nachbarschaften und Freundeskreisen. Unterstützung gibt es zudem vom Bauhof der Stadt Gummersbach, der Feuerwehr in der Kreisstadt, auch Spenden von Sponsoren aus der Region gibt es reichlich.

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„Und seither fahren wir immer mit großer Mannschaft ins Ahrtal“, freut sich der Fachlagerist Fleischer. Nahezu immer an Bord sind Markus Beck und Dorina Weller. „Nur zweimal musste ich passen – einmal, weil mich die Corona-Impfung umgehauen hat, und das andere Mal, weil ich eine Pause brauchte“, berichtet Beck und ergänzt sofort: „Man braucht Pausen – sonst geht es nicht.“ Denn was er und seine Lebensgefährtin bisher erlebt haben, treibt ihm oft die Tränen in die Augen, immer wieder ringen beide um die Fassung, wenn sie von ihren Einsätzen im Ahrtal erzählen, Fotos zeugen von zerstörten Häusern, verstreutem Hab und Gut, von Kreuzen und Kerzen. Diese erinnern an Menschen, die im Wasser ums Leben gekommen sind – oder aus Verzweiflung nach der Katastrophe den Freitod gewählt haben.

„Man muss lernen, das alles psychisch und physisch wegzustecken“, betont Markus Beck. Er hat sein Erspartes genommen und Arbeitskleidung, Stiefel, Handschuhe und Werkzeug gekauft. „Unser erster Einsatz sollte in Kreuzberg sein, doch war der Ort zu der Zeit noch nicht mal zugänglich, also ging’s nach Ahrbrück.“ Dort sind er und Weller zumeist gewesen, aber auch in Bad Neuenahr. „Dort haben wir eine Tanzbar ausgeräumt und 2500 Eimer voll Schutt entsorgt“, sagt der Dieringhauser. „Wenn die wieder eröffnet, soll ein Fest steigen.“ Längst sind Freundschaften entstanden zwischen den Helfern und den Menschen, die Hilfe brauchen.

Manche schämen sich, Hilfe anzunehmen

„Aber einige schämen sich, Hilfe anzunehmen“, schildert Dorina Weller und erzählt davon, wie sie und andere Frauen über einen Kühlschrank mit einem Paar ins Gespräch gekommen sind: Die Frauen legen Hand an, das kaputte Gerät landet endlich auf der Straße. „Die beiden haben fast alles verloren, aber das Wenige, das sie noch besaßen, wollten sie mit anderen teilen.“ Gastwirte und Nachbarschaften aus anderen Orten schauten immer wieder vorbei und kochten Essen, lieferten Frühstück, spendierten Getränke. „Was dort geschieht, ist unbegreiflich.“ Und Shuttle-Fahrzeuge bringen die Helfer dorthin, wo sie gefragt sind.

Dass ihr Tun nicht ungefährlich ist, wissen die Dieringhauser natürlich. Oft bewegen sie sich auf unsicherem, verseuchtem Boden. Heute ist auch der Staub, der beim Abbruch entsteht, eine Gefahr. „Jeder leistet das, was er kann und womit er sich auskennt“, stellt Markus Beck klar. „Platz für Heldentaten gibt es da nicht.“ So erzählt er auch von einem Fachwerkhaus, unter dem die Öltanks der Heizung geplatzt waren. „Mit viel Vorsicht haben wir das Gebäude geräumt – allein hätten die Besitzer Tage gebraucht.“ Schweres Gerät, zudem Fahrzeuge wie Bagger und Radlader, haben die Oberberger ebenso dabei, wenn sie ins Ahrtal aufbrechen.

Wie oft das noch der Fall sein wird, das wissen Dorina Weller und Markus Beck nicht. „So lange es eben notwendig ist“, sagt Beck. „Denn vorbei ist das noch lange nicht.“ Seine größte Sorge ist, dass die Opfer der Katastrophe vergessen werden. „Und das darf nicht geschehen.“

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