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Wiehler Verein LebensfarbenPaten kümmern sich um Kinder psychisch Kranker

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Farbe ins Leben bringen (v.r.) Katja Arnold, Silke Romünder-Brandau, Gabi Gerber-Trömpert, Uschi Poschner.

Farbe ins Leben bringen (v.r.) Katja Arnold, Silke Romünder-Brandau, Gabi Gerber-Trömpert, Uschi Poschner.

Wiehl – „Du bist meine allerbeste Patentante!“ Beim Abschied nach ihrem jüngsten Besuch hat die fünfjährige Mia (Name von der Redaktion geändert) ihre Patin Silke Romünder-Brandau ganz fest gedrückt und dabei gestrahlt – und der ist, so sagt sie „das Herz aufgegangen“. Die 53-Jährige ist eine von zurzeit 20 aktiven Paten, die sich im Verein „Lebensfarben“ ehrenamtlich um Kinder von psychisch erkrankten oder suchtkranken Eltern kümmern und dabei hautnah erlebt, wie ihr Patenkind auflebt, seit sie sich um schöne Momente in dessen Leben bemüht. Und das auch in Zukunft:

„Die Finanzierung ist für die nächsten drei Jahre gesichert!“ Geschäftsführerin Sandra Karsten freut sich über die Zusage von zwei Stiftungen, das Projekt, das sonst im Mai auslaufen würde, weiterhin zu fördern. Patin Romünder-Brandau war eine der Ersten, die sich vor fast zwei Jahren in einem viertägigen Kurs von Fachleuten ausbilden ließ. Und sie war, wie sie heute sagt, „emotional erschüttert, wie Betroffene leiden und was das für die Kinder bedeutet“. Da wollte die IT-Managerin helfen, ein Stück von ihrem eigenen Glück abgeben.

Inzwischen kommt Mia alle 14 Tage zu Besuch in ihre eigene Familie, reitet auf dem 17-jährigen Sohn durch das ganze Haus und genießt es, verwöhnt zu werden. Denn der Alltag betroffener Kinder ist oft ganz anders – das wissen alle Paten des Vereins, und das erlebte Vereinsgründerin und Geschäftsführerin Sandra Karsten, die 18 Jahre lang als Krankenschwester in verschiedenen Bereichen der Psychiatrie gearbeitet hat: „Die erkrankten Eltern sind oft gut versorgt. Um die Kinder wird sich aber erst gekümmert, wenn sie selbst auffällig werden.“

Die Finanzierung ist weiterhin gesichert

Die Arbeit kann weiter gehen: Ab Mai teilen sich zwei Stiftungen für die kommenden drei Jahre die Finanzierung des Projekts „Lebensfarben“: Die Hälfte übernimmt mit der Hans Hermann Voss -Stiftung aus Wipperfürth erstmals eine Stiftung aus Oberberg, die andere Hälfte kommt von der Karl-Bröcker-Stiftung aus Lippstadt. Wie bisher wird die Wiehlstiftung die Ausbildung ehrenamtlicher Paten aus Wiehl tragen. Eine zweckgebundene Spende der Sozialstiftung der Kreissparkasse Köln in Höhe von 1500 Euro ist für den Kauf von Kindersitzen und die Ausbildung von Ehrenamtlern gedacht. (ms)

www.lebensfarben-oberberg.de

So verbringen die Paten Zeit mit ihnen, machen Ausflüge, spielen mit ihnen, sind für sie da. Auszeiten für die Kinder, die oft in ihrer Familie weit über das für ihr Alter Übliche hinaus Verantwortung übernehmen müssen oder zum Beispiel unter den depressiven Phasen ihrer erkrankten Mutter leiden.

„Es ist wichtig, dass sie mal unbeschwert sein können und aus der gedrückten Atmosphäre herauskommen“, sagt Ursula Poschner, die seit fast einem Jahr einen heute zweijährigen Jungen betreut. Oft sind es gar nicht tolle Ausflüge und Freizeitaktivitäten, die den Kindern fehlen, sondern die festen Strukturen eines, ganz normalen Familienalltags geben ein Stück Verlässlichkeit und Geborgenheit.

Dabei wird vom Verein sorgfältig darauf geachtet, dass Kind und Pate zueinander passen. Regelmäßig gibt es auch Supervisionen und Praxisreflexionen, um das Erlebte und Erfahrene aufzuarbeiten. Denn Pate oder Patin sollten keinesfalls in Konkurrenz treten zu den leiblichen Eltern, ohne deren Zustimmung keine Patenschaft möglich ist.

Aggressionen darf man nicht persönlich nehmen

„Die Eltern sind meist sehr froh und dankbar für die Unterstützung“, weiß Sandra Karsten. Ein guter Kontakt sei wichtig. Aber auch eine gute Vorbereitung auf die Aufgabe. „Da darf man Aggressionen nicht persönlich nehmen“, sagt Poschner, und Karsten ergänzt: „Bei einer Persönlichkeitsstörung muss man mit allem rechnen.“

Natürlich gibt es immer wieder Klippen, einen Balanceakt zwischen Nähe und Distanz: „Man verschenkt ja sein Herz“, gesteht Romünder-Brandau. Denn am Ende des gemeinsamen Nachmittags kehrt das Kind in seine eigene Familie zurück. „Da muss man auch loslassen können“, sagt Gabi Gerber-Trömpert, die sich seit Juni um eine Neunjährige kümmert.

Sieht ein Pate, dass weitergehende Hilfen nötig sind, ist der Verein vernetzt mit Kliniken, Ämtern, psychosozialen Einrichtungen im Kreis. „Wir können bedarfsorientiert vermitteln und zum Beispiel auch Eltern die Angst vor dem Jugendamt nehmen“, so Karsten. Schwierig ist es manchmal, abzuwägen, denn die Kinder vertrauen sich auch ihren Paten an. Was tun, wenn ein Pate im vertraulichen Gespräch erfährt, dass der Bruder gemobbt wird? Oder dass die Schwester eifersüchtig ist auf die Aufmerksamkeit, die das Patenkind bekommt? „Wir versuchen, möglichst auch Geschwistern auf der Warteliste einen Paten zu vermitteln“, sagt die Geschäftsführerin.

Die Chancen stehen gut: 30 neue Interessenten haben sich gerade zur Ausbildung als Pate beim Verein Lebensfarben angemeldet. Der Bedarf ist groß: 3,8 Millionen Kinder in Deutschland seien betroffen, weiß Katja Arnold. Sie ist seit kurzem Patin einer Dreijährigen. Als Grundschullehrerin hat sie„täglich mit Kindern zu tun, von denen ich weiß, dass es zu Hause drunter und drüber geht“. Seitens der Eltern sei die Hemmschwelle hoch, sich Hilfe zu holen: „Weil psychische Erkrankung ein Tabuthema ist.“ Dagegen will Katja Arnold mit ihrem Engagement auch ein Zeichen setzen. Wie lange eine Patenschaft besteht, ist ganz unterschiedlich, Eltern, Kinder, Paten können sie jederzeit beenden.

Für die fünfjährige Mia ist daran kein Gedanke: „Du bist meine Patentante – für immer!“, hat sie gerade noch zu Silke Romünder-Brandau gesagt.

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