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800 Jahre WipperfürthWipperfürth unterm Hakenkreuz

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Wipperfürth – Schon 1923 konstituierte sich in Ohl eine Ortsgruppe der NSDAP, die es sich nach eigener Aussage in erster Linie zur Aufgabe machte, „an der Aufklärung über das Wesen des Judentums und an der wirksamen Bekämpfung desselben mitzuwirken“. In Wipperfürth selbst gab es vor 1933 nur wenige Nationalsozialisten; sie gründeten im Frühjahr 1931 eine eigene Ortsgruppe. Ende 1931 zählte man fünfzehn, Ende 1932 knapp zehn „Parteigenossen“. Ihren Hauptgegner sahen sie in Pfarrer Eduard Wasiak, dem Vorsitzenden der Zentrumspartei. Als der Nazi-Funktionär Robert Ley 1931 auf dem Marktplatz eine Rede hielt, brachte der Geistliche seinen Protest zum Ausdruck, indem er die Glocken von St. Nikolaus läuten ließ.

Glockengeläut gegen Nazi-Rede

Auch nach Hitlers Machtergreifung hielten viele Wipperfürther aufgrund ihrer kirchlichen Bindung Distanz zum neuen Regime, wenn auch Einschüchterung, Anpassungsdruck und Propaganda nicht ohne Wirkung blieben. Schon Anfang April 1933 musste Bürgermeister Dr. Carl Graf sein Amt niederlegen; im September wurde Dr. Ernst Lotz als Direktor des Gymnasiums abgesetzt; er war nach dem Krieg Kultusminister von Rheinland-Pfalz. Gegen Pfarrer Wasiak wurde im März 1936 ein Strafverfahren „wegen Missbrauchs der Kanzel zu parteilicher Hetze“ eingeleitet. 1937 entfernte man die Geistlichen aus den Schulen. Im selben Jahr störten NS-Motorradfahrer die Maiprozession. Straßen und Plätze wurden umbenannt: Die Lüdenscheider Straße hieß jetzt „Straße der SA“, der Marktplatz „Adolf-Hitler-Platz“.

Ansonsten wählte man Namen von Verstorbenen, die von der NS-Propaganda als Vorkämpfer bzw. „Märtyrer“ der „Bewegung“ gefeiert wurden: Horst Wessel (Kölner-Tor-Platz), Schlageter (Hochstraße), Dietrich Eckart (Marktstraße) und Hans Schemm (Untere Straße). Im Oktober 1935 wurde am Bahndamm das Reichsarbeitsdienstlager „Admiral Reichsgraf von Spee“ eröffnet. 1936 richtete man in der ehemaligen Landratsvilla an der Gaulstraße ein Landjahrlager für Mädchen ein, später auch im Jugendheim auf dem Düster-ohl.

Prestigeprojekte sollten dazu beitragen, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen. So wurde 1937 der Marktplatz zur Parkanlage umgestaltet; im Zuge dieser Maßnahme entfernte man das 1897 errichtete Kriegerdenkmal. Ein neues „Ehrenmal“ entstand auf dem „Wilhelm-Gustloff-Platz“, der im selben Jahr als Aufmarschfläche und Park angelegt wurde, nachdem man den alten Poststall abgebrochen hatte; heute stehen dort die Polizeiwache und ein Teil des Feuerwehrgebäudes. Die muskulöse Heldenfigur benannte der Volksmund despektierlich als „nackten Mann“ oder auch „das nackte Hermännchen“.

Die nächste Folge beschäftigt sich mit „Zeit der Verfolgung – Erinnerung an die Opfer der Gewaltherrschaft“.

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