Auto-RallyeTour der 1000 Kurven lockt Oldtimer-Fans nach Oberberg

Lesezeit 4 Minuten
In einem Porsche 912 fahren hier gerade Roland Krahl und Werner Klemp aus Wipperfürth durch eine der 1000 Kurven nahe Berghausen.

In einem Porsche 912 fahren hier gerade Roland Krahl und Werner Klemp aus Wipperfürth durch eine der 1000 Kurven nahe Berghausen.

Lindlar – Fuß vom Gaspedal, wir warten auf die volle Minute. Wenn es um das Reglement geht, ist mit Hanspeter Decker nicht zu spaßen. Gleich neben seinem Klappstuhl beginnt am Samstagmittag die erste Sonderprüfung der 25. „Tour der 1000 Kurven“, dem Highlight im Jahreskalender der oberbergischen Oldtimer-Freunde.

Seit Wochen sind die 100 Startplätze restlos ausgebucht. Für die Jubiläumsrunde hat die Renngemeinschaft Oberberg (RGO) Mann und Maus mobilisiert. Rund 70 Vereinsmitglieder kontrollieren die Routen der Rallyefahrer, stempeln ihre Karten ab, besetzen Posten und bewerten Sonderprüfungen.

Die Kunst ist, eine konstante Geschwindigkeit zu fahren. Die Streckenposten Hanspeter und Marianne Decker starten hier gerade die erste Gleichmäßigkeitsprüfung auf der Gerberstraße in Lindlar-Klause.

Die Kunst ist, eine konstante Geschwindigkeit zu fahren. Die Streckenposten Hanspeter und Marianne Decker starten hier gerade die erste Gleichmäßigkeitsprüfung auf der Gerberstraße in Lindlar-Klause.

Der nostalgische Rennzirkus hat am Morgen begonnen. Während die Lindlarer Brötchen kaufen, parken auf dem Marktplatz mehrere Jahrhunderte Automobilgeschichte: Opel Manta, Triumph, Simca und Porsche der 1960er-Jahre rollen vorbei. Schnell kommen die Besatzungen miteinander ins Gespräch – über Ersatzteilhändler, Wartungstipps und typische Schwachstellen der Altertümchen. Sonnenmilch wird herumgereicht, vor allem für die, die ohne Dach unterwegs sein werden.

Vor der schneeweißen BMW-Isetta von Dirk und Barbara Diederichs aus Bergisch Gladbach werden besonders viele Fotos geschossen. Baujahr 1962, transportierte das rollende Überraschungs-Ei einst ganze Familien über die Alpen in den Italien-Urlaub. Der Ausstieg ist vorne, das Lenkrad klappt gleich mit weg, wenn die Fahrt unterbrochen wird.

Rainer Siebenhaar und Wolfgang Kirch haben einen Mercedes 180 D Ponton von 1960 mitgebracht. Seit 45 Jahren besitzt Siebenhaar das Vehikel, das für genau zwei Zielgruppen gebaut wurde, wie der Wermelskirchener mit einem Schmunzeln erklärt: Für Handwerker, weil der Wagen so geräumig war. Und für Landwirte, weil die auf den Diesel Subventionen erhielten und deshalb zu geizig für einen Benziner waren. Mit seinem Exemplar, so hat es Siebenhaar recherchiert, lieferte einst ein Bäckermeister im Süddeutschen Brot aus.

Dieter Voß und Dieter Jokisch stehen inmitten der aufgestellten Oldtimer und freuen sich sichtlich. „Schöneres Wetter kann es für eine Oldtimer-Rallye nicht geben. Die Resonanz ist beeindruckend“, strahlen die beiden Fahrtleiter, die die Route ausgetüftelt haben. Knapp 150 Kilometer werden die Autos zurücklegen und dabei durch Lindlar, Marienheide, Gummersbach und Engelskirchen düsen, vorbei am Schloss Gimborn und durch die unzähligen Kurven, die der Tour ihren Namen geben.

Köpfchen statt Gasfuß ist bei der Rallye Trumpf. Frank Terbrüggen (rechts) und Thomas Bongers rechnen vor dem Start die einzuhaltende Geschwindigkeit aus.

Köpfchen statt Gasfuß ist bei der Rallye Trumpf. Frank Terbrüggen (rechts) und Thomas Bongers rechnen vor dem Start die einzuhaltende Geschwindigkeit aus.

Dabei können die Besatzungen aus drei Wertungen wählen: Sport, Tourensport oder Touristik. Je sportlicher die Variante, desto dünner ist das Kartenmaterial, das sie am Start an die Hand bekommen. Für alle Klassen stehen unterwegs zudem umfangreiche Sonderprüfungen an, bei denen schnell Strafen drohen, die im Klassement Plätze kosten.

Ortswechsel: Auf der Gerberstraße erklärt Hanspeter Decker gerade wieder die Aufgabe. Seelenruhig und freundlich wiederholt er seine Sätze immer wieder, wenn der nächste Beifahrer seinen Kopf aus dem Auto streckt. 650 Meter lang ist die Passage, die in genau 90 Sekunden durchfahren werden muss. Die Co-Piloten errechnen durchschnittliche 26 Stundenkilometer und greifen zur Stoppuhr. 25,9 Sekunden würden bereits Strafpunkte bedeuten.

In dieser BMW-Isetta aus dem Jahr 1962 waren ihrer Barbara und Dirk Diederichs aus Bergisch Gladbach unterwegs.

In dieser BMW-Isetta aus dem Jahr 1962 waren ihrer Barbara und Dirk Diederichs aus Bergisch Gladbach unterwegs.

Wer diese Prüfung absolviert hat, nimmt Kurs auf Gummersbach-Berghausen. Vor dem ehemaligen Würdener Schwimmbad wartet Michael Seinsche mit zwei Dachlatten, einem Zollstock und einer Aufgabe, die wesentlich einfacher klingt, als sie ist. Exakt einen Meter vor der Dachlatte soll der Vorderreifen zum Stehen kommen. Und Seinsche misst sehr genau.

Während die einen noch über die beste Einparkstrategie diskutieren, muss der Gummersbacher Tomas Hammer die Motorhaube öffnen. Brandgeruch zieht durch den Citroën von 1973. Für den 21-PS-Motor bedeutete der Anstieg nach Berghausen Hochgebirge. Der Auspuff glüht. Hammer nimmt es gelassen und bald tuckert der Franzose weiter.

Wertungen in Sport,Tourensport und Touristik

Mit einer speziellen Herausforderung wartet die RGO bis zum Ende der Tour. Vor dem Rathaus in Lindlar müssen die Oldtimer ein Dreieck unbekannter Länge abfahren. Dafür bleiben ihnen 45 Sekunden. Stehenbleiben verboten. Die Zeit wird mit einer hochmodernen Lichtschranken-Anlage gemessen.

Die historische Technik unter den Hauben der Oldtimer ist in der Regel robuster als bei modernen Autos. Mit technischen Probleme hat hier dennoch der Citroën von Tomas Hammer aus Gummersbach zu kämpfen, der routinierte Fahrer nimmt es gelassen.

Die historische Technik unter den Hauben der Oldtimer ist in der Regel robuster als bei modernen Autos. Mit technischen Probleme hat hier dennoch der Citroën von Tomas Hammer aus Gummersbach zu kämpfen, der routinierte Fahrer nimmt es gelassen.

Beim Zieleinlauf auf dem Lindlarer Marktplatz haben die Teams eine ganze Reihe von Strafpunkten im Gepäck – vor allem aber viel Lob für die Veranstalter. Frank Terbrüggen aus Dinslaken, Fahrer eines feuerroten Triumph bringt die Meinung in den Cockpits auf den Punkt: „Diese Rallye wird mit unglaublich viel Liebe auf die Beine gestellt. Sie ist konkurrenzlos schön. Und ich bin schon verdammt viele Rundfahrten gefahren.“

Die Gewinner

Den Sieg in der Wertung „Sport“ und damit zugleich den Gesamtsieg holten Peter Birth aus Solingen und sein Remscheider Beifahrer Reinhold Wiesniewski im BMW 1802 von 1972.

Bei den Tourensportlern fuhren die Doktoren Rolf Tiggemann (Bochum) und Michael Leyhe (Sprockhövel) den Sieg im auffälligen Mercedes 170 S-D, Baujahr 1953, ein.

Erfolgreichste Touristiker waren Thomas Fuchs und Carola Piepenstock im Audi Coupé GT von 1983. (sfl)

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