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Der Mann mit den MäntelnDenkmal für ein Wipperfürther Original

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Der Bildhauer und Steinmetz Hans-Joachim Bergmann schuf das Denkmal für Fritz Hamel, genannt "Putscher".

Der im Jahre 1900 in Wipperfürth geborene Gelegenheitsarbeiter und Musikant (Friedrich)/Fritz Hamel hat sich sicher in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können, dass man ihm zu Ehren – als erstem und einzigem Wipperfürther – im Herzen der Stadt ein Denkmal errichtet.  Aber genau das ist 26 Jahre nach seinem Tod passiert. Geschaffen wurde die ausdrucksstarke, lebensgroße Figur (160 cm) aus Anröchter Grünsandstein von dem Steinmetz- und Bildhauermeister Hans-Joachim Bergmann, von dem auch die Brunnenfrau vor dem Alten Stadthaus und die Michael-Statue in der Neye-Kirche stammt.

Ein bewegtes Leben

Unter einer auffälligen Schirmmütze blickt Fritz Hamel die Betrachterinnen mit großen Augen und leicht griemelnd auf dem Hausmannsplatz an und erzählt ihnen – rundherum in den Sandstein graviert – auch viele Geschichten aus seinem bewegten Leben als Drehorgelmann. Wer alles lesen will, was auf dem Denkmal steht, muss in die Hocke gehen. Wenn es nach Jonny Johnen, den ehemaligen Gastwirt der „Penne“, gegangen wäre, würde das Wipperfürther Original heute als Eisenplastik mit drei Mänteln am Leib und zwei Koffern in der Hand an der Gartenstraße stehen, wo er viele Jahre seines Lebens unter armseligen Umständen in einem Keller gewohnt hat. Denn so – mit seinen wenigen Habseligkeiten bepackt – hat sich Fritz Hamel fast ein Vierteljahrhundert durch seine Heimatstadt bewegt.

Der Großvater hieß "Portscher"

Ein ehemaliges Nachbarkind, Heribert Ommer, hat mit Hilfe von Kirchenarchivar Willibald Klein in der Ahnenreihe von Fritz Hamel einen Georg Heinrich Portscher entdeckt, der 1834 steckbrieflich wegen Diebstahls gesucht wurde. Das könnte eine nahe liegende Erklärung dafür sein, warum sich Fritz Hamel so maßlos aufregte, wenn man in „Putscher“ nannte. Johnen hatte Anfang der 2000er-Jahre die Idee, dem Lebenskünstler ein realistisches Denkmal zu setzen. Schon als Grundschüler lernte er ihn kennen und schätzen. Und er hat ihn, wie er sagt, sehr „inspiriert“. Unterstützt vom Heimat- und Geschichtsverein wandte sich Johnen mit seiner Denkmalsidee an die Öffentlichkeit, um Spenden dafür zu sammeln.

Die Denkmalidee war anfangs umstritten

Doch seine Initiative stieß auf größeren Widerstand. Mit dieser Figur würde ein bedauernswerter, behinderter Mensch öffentlich bloßgestellt und verspottet, lautete der Vorwurf. Zunächst sah so aus, als ob das das Ende für die geplante Plastik sei. Aber zwischen 2005 und 2009 entwickelte der Wipperfürther Bildhauer Hans-Joachim Bergmann dann die Konzeption der Figur, indem er sie auf das Wesentliche begrenzte und dadurch an den vier Seiten der 500 Kilogramm schweren Sandsteinplastik Platz für all die Geschichten und Anekdoten schaffte, die ihm die Wipperfürther  über „ihren Fritz“ zutrugen. 

Er hat sie gesammelt, eigenhändig in die glatt geschliffenen Denkmalseiten geschrieben und mit zwei Zitaten des Schriftstellers Ödön von Horváth („Eigentlich bin ich ganz anders, ich komme nur so selten dazu“)  und des österreichischen Künstlers André Heller („Die wahren Abenteuer sind im Kopf, und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo“) kommentiert. Dadurch entstand ein Denkmal aus einem „einfachen Stein für einen einfachen Menschen“, das ganz bewusst nur auf einem ganz flachen Sockel steht. Ebenso begrenzt wie der Stein ist auch das Wissen um Fritz Hamel, der schon als Kind ein Vollwaise und mit 73 Jahren obdachlos wurde. Obwohl sehr viele Bürger und Bürgerinnen Wipperfürth sich Zeit seines Lebens um den kleinen Mann mit den Mänteln gekümmert haben, wusste man nicht so genau, was ihn eigentlich umtrieb. Das von Hans-Joachim Bergmann neu gestaltete, „etwas andere Denkmal für einen etwas anderen Menschen“ (so Erich Kahl vom HGV) stieß im September 2009 bei einer Werkstattkonferenz in Kleineichhölzchen auf ungeteilte Zustimmung der Stadt, der Kirchen und des Heimat- und Geschichtsvereins. Es wurde zunächst in den Räumen der Kreissparkasse und der Volksbank, den beiden Hauptgeldgebern, der Öffentlichkeit vorgestellt, bevor man es im September 2010 vor dem Turbinenhaus  mit einem Prost auf den „alten Fritz“ offiziell einweihte.

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