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Einst beliebtes Gift für EhemännerFreilichtmuseum Lindlar zeigt Werbetafel für E 605

Lesezeit 3 Minuten
Das Exponat hängt derzeit im Eingangsbereich des Museums, hier gezeigt von Vivienne Richter.

Das Exponat hängt derzeit im Eingangsbereich des Museums, hier gezeigt von Vivienne Richter.

Lindlar – Dass Heroin ursprünglich als Medikament gegen Schmerzen und Husten von der Firma Bayer entwickelt wurde, wissen heute nur noch die Wenigsten. Aktuell ist der Konzern – zum Glück nur noch sprichwörtlich – in aller Munde mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat, dessen umstrittene Nebenwirkungen Bayer gerade vor allem in den USA teuer zu spüren bekommt.

Zeitlich ungefähr in der Mitte liegt Parathion, besser bekannt als E 605, ein ebenfalls bei der Bayer AG vom deutschen Chemiker Gerhard Schrader im Jahr 1944 entwickeltes Pflanzenschutzmittel. Und weil man auch damals schon etwas von Marketing verstand, wurde für E 605 Werbung gemacht.

Trügerische Werbung: „Mit E 605 zu gesunden Ernten“

Eines dieser Werbemittel ist im Eingangsbereich des LVR-Freilichtmuseums Lindlar zu sehen. Und es ist aus heutiger Sicht, mit dem Wissen um die Gefährlichkeit von E 605, an Kuriosität kaum zu überbieten. Es handelt sich um ein Thermometer, eingelassen in ein 40 cm hohes Glasschild, von dem den Betrachter eine hübsche Gärtnerin in blauweißem Kleid mit weißer Schürze anlächelt. In den Händen hält sie einen großen Erntekorb voll mit frischem Gemüse.

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Der Blick ins Museumsdepot

Hinter den Kulissen des Freilichtmuseums in Lindlar schlummern unzählige Alltagsgegenstände aus vergangener Zeit, die heute fast vergessen sind. Wir stellen sie jeden Monat gemeinsam mit dem Museum in der Rubrik „Bergisches Zeitzeichen“ vor. Heute: Ein Thermometer mit Werbung der Firma Bayer für E 605, ein mittlerweile verbotenes Pflanzenschutzmittel.

Darunter die Inschrift: „Mit E 605 zu gesunden vollen Ernten. Bayer Pflanzenschutz Leverkusen“. Dabei war schon früh bekannt, dass der Stoff hochgefährlich ist. Bereits im Jahr 1949 warnte das hessische Staatsministerium vor „schwersten Gesundheitsschäden“ bereits beim Einatmen geringer Mengen. Tatsächlich haben schon 100 bis 200 Milligramm für einen Erwachsenen eine tödliche Wirkung.

E 605 war bekannt als „Schwiegermuttergift“

In den 50er Jahren kam es in Mode, wahlweise sich selbst oder seine Ehemänner mittels E 605 unter die Erde zu befördern, der im Volksmund „Schwiegermuttergift“ genannte Stoff war nämlich farb- und geruchlos. Christa Lehmann brachte es als „Hexe von Worms“ zu Berühmtheit, weil sie 1952 ihren Mann und ein Jahr später ihren Schwiegervater mit E 605 im Essen ermordete.

Als die Mutter einer Freundin Verdacht schöpfte, wollte Lehmann sie mit einer mit E 605 gefüllten Praline aus dem Weg räumen, tragischer weise war die Freundin eine Naschkatze und kam ihrer Mutter zuvor. Die Giftmörderin wurde am 22. September 1954 zu dreimal lebenslänglich verurteilt.

Parathion wird als Pflanzenschutzmittel 2001 von EU verboten

Um derlei zu verhindern, wurde E 605 in späteren Jahren braun eingefärbt und mit einem stechenden Geruch versehen. Trotz seiner Gefährlichkeit dauerte es aber über ein halbes Jahrhundert, bis das Gift vom Markt genommen wurde.

Am 9. Juli 2001 wurde die Verwendung und Zulassung von Parathion in Pflanzenschutzmitteln von der Europäischen Kommission verboten. Inwieweit die schöne Gärtnerin zum Langzeiterfolg von E 605 beigetragen hat, bleibt natürlich Spekulation.

Den Slogan mit den gesunden, vollen Ernten dank E 605 druckte Bayer auch auf Miniatur-VW-Busse, Spielkarten und Maßbänder.

Praktikantin vom LVR-Freilichtmuseum hat Geschichte zu E 605 recherchiert

Die Geschichte recherchiert hat Vivienne Richter. Die 26-Jährige absolviert derzeit ein Praktikum beim LVR-Freilichtmuseum in Lindlar, begleitend zu ihrem Studium der „Public History“ an der Universität zu Köln. Das Museum kennt und liebt die Gummersbacherin schon ihr Leben lang. Zu sehen ist das Objekt des Monats als Teil der Dauerausstellung „Ein Tal wird Museum“ im Eingangsgebäude des Freilichtmuseums.

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Hier gewährt man einen Blick hinter die Kulissen und zeigt im steten Wechsel auch Stücke, die sonst nur im Depot schlummern würden. Auch das Thermometer mit der Reklame für E 605 hätte ohne die Ausstellung wohl kaum das Licht der Öffentlichkeit erblickt, was schade gewesen wäre. Bei aller Absurdität ist das sehr gut erhaltene Stück nämlich wunderschön.

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