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Friedens-AktionEine Etappe mit dem „Stoning Roll“ auf seinem Weg nach Berlin

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Gruppenfoto der Wanderer, die den Stoning Roll nach Wipperfürth bewegt haben, am Etappenziel bei Mirza Atug vor seinem Mahnmal aus Lavasteinen. Es soll an den Völkermord an den Aramäern erinnern.

Gruppenfoto der Wanderer, die den Stoning Roll nach Wipperfürth bewegt haben, am Etappenziel bei Mirza Atug vor seinem Mahnmal aus Lavasteinen. Es soll an den Völkermord an den Aramäern erinnern.

Wipperfürth – Eine Hand ruht auf dem Mühlstein, die Andere liegt auf seinem linken Knie. So erzählt Künstler Michael Flossbach die Geschichte des „Stoning Roll“ – so nennt er sein Projekt eines Friedens-steins. Regentropfen fließen über den Mühlstein auf das Pflaster vor der Kirche St. Anna in Thier.

Stephanie Hillebrand steht mit anderen Freiwilligen im schützenden Eingang der Kirche. Sie wartet gespannt darauf, dass es losgeht. Sie will den Friedensstein mitziehen, zumindest ein Stück weit. Am Donnerstag soll der Mühlstein von Thier bis nach Wipperfürth bewegt werden und dazu braucht es motivierte Helfer.

Um 10 Uhr in der Früh stehen rund 20 Menschen auf dem Kirchplatz in der Mitte von Thier. Anlass ist der Weg des Stoning Roll – ein 128 Kilogramm schwerer Stein aus Mayener Basalt-Lava. Auf dem Stein ist neben religiösen Symbolen und Friedenszeichen auch das Wort „Frieden“ in 44 Sprachen eingraviert. Das erste große Ziel des Kürtener Künstlers Michael Flossbach ist es, den Stein mit Hilfe von Freiwilligen bis zum 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, nach Berlin zu bewegen. „Nicht, weil es die Hauptstadt ist“, erklärt Flossbach, „Es ist die Stadt der Einheit.“

Stoning Roll

Den Stein verfolgen: Für die, die den Weg des Steins verfolgen wollen, ohne selbst mitzugehen wurde ein GPS-Tracker in den Stein eingesetzt. Der Tracker zeigt den aktuellen Standort des 200 000 Jahre alten Steins auf der Internetseite an. Bis auf neun Meter genau kann man den Weg, den der Stoning Roll hinter sich gebracht hat, nachvollziehen.

www.stoning-roll.com

Norbert Caspers ist Pastoralreferent der katholischen Gemeinde von Wipperfürth, er war von Anfang an von dem Projekt begeistert. Auch er möchte das schwere Friedenszeichen ins Rollen bringen. Das Kunstwerk sei eine Kombination aus den beiden Leidenschaften des Künstlers, dem Pilgern und dem Handwerk. „Innerer Frieden entsteht, wenn man geht“, erklärt Michael Flossbach.

Als die Gruppe loszieht, schwanken und rauschen die Tannen neben der Kirche im Wind, es regnet immer noch. „Für Frieden kann man nicht genug Reklame machen“, findet Lothar Danzeglocke. Der Wipperfürther ist überzeugter Katholik und will die Aktion unterstützen. Entschlossen greift er nach dem eisernen Griff, um das runde Kunstwerk vorwärtszubewegen.

Während des Weges von Thier nach Wipperfürth wechselt das Wetter zwischen Regen, Wind und kurzen trockenen Phasen. Aber alle wollen mit anpacken und herausfinden, wie es sich anfühlt, einen 128 Kilogramm schweren Mühlstein ein Stück voran zu bringen.

Einmal zieht Muhammad Zurnaci den Stein und übergibt später den Griff an Christiane Regenbrecht. Zurnaci ist Vertreter der deutsch-türkischen Gemeinde von Wipperfürth, Regenbrecht ist Buddhistin der Gemeinschaft in Niederholl. So wird der Stein von verschieden Religionen bewegt.

Um 11 Uhr muss in Klespe ein kurzer Stopp eingelegt werden, denn Lothar Danzeglocke zieht den Stein in einem so zügigen Tempo voran, dass einige der Mitläufer Mühe haben, hinterher zu kommen. „Der Stein rollt wie von selbst“, sagt der Kürtener Künstler. Er könne die Energie der Menschen aufnehmen, die ihn bewegen. Der Stein knirscht über den Asphalt vor den Häusern im Wegerhof. Immer wieder wird mit Straßenkreide auf Telegrafenmasten und Steinen am Wegesrand das Wort „Friede“ in Deutsch, Türkisch und Japanisch geschrieben. Auch das Peacezeichen schmückt den Pfad. Um 12 Uhr, viel früher als geplant, erreicht die Gruppe den Klosterberg. Türkischer Tee von der Moscheegemeinde wartet hier auf die Wandergruppe.

Leise wird gepustet und Geschlürft und Muhammad Zurnaci, als Mitglied der muslimischen Gemeinde, erzählt von seiner Geschichte und der des Gemeindehauses. Alle stehen im Kreis um den Stein. Der Künstler Michael Flossbach greift noch einmal zur Kreide und schreibt in großen Buchstaben das Wort „Fridde“ vor die Treppen der Moschee. Auch in Türkisch und Japanisch wird das Wort übersetzt. Dann geht es weiter.

Am Hausmannsplatz angekommen, wird die Gruppe von den Nachbarn empfangen. Gemeinsam wird ein Friedensgebet auf verschiedenen Sprachen gesprochen. Die Gruppe lädt die Frauen ein, mitzugehen. Das Gewicht des Mühl-steins solle sie nicht abschrecken, erklärt der Künstler: Da das Gewicht auf der Achse liegt und zwei Laufringe das Rollen erleichtern, habe sogar eine 71-Jährige das schwere Friedenssymbol bewegen können.

Um 13 Uhr ist die Eisenbahnbrücke an den Ohler Wiesen erreicht. Ein dumpfes Geräusch ertönt, als der Stein über die Brücke aus Stahl gezogen wird. An der Wupperstraße bei Familie Atug werden Flossbach und seine Unterstützer herzlich begrüßt. Die Wanderer wärmen ihre kalten Hände an einem Feuer, an türkischem Tee und Kaffee. Auch Kekse in Form des Mühlsteins liegen auf dem Tisch.

Um 14 Uhr übergibt Michael Flossbach den Stein an Stefan Höne. Höne wird ihn zusammen mit einer Pilgergruppe am Samstag nach Marienheide weiterrollen. „Frieden wächst immer aus uns heraus“, erklärt Höne. Er freue sich über jeden, der den Stein auch am Samstag nach Marienheide und damit noch ein Stück weiter Richtung Berlin begleitet.

Die nächste Etappe: Nach Marienheide geht es am Samstag, 7. April, ab 9 Uhr weiter. Kontakt zur Pilgergruppe mit Stefan Höne unter Telefon 01 52/ 319 626 05.

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